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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. II.
hingegen wo es versehen worden/ das starffen in seinem hertzen und so bald neue be-
gierde es wider zu ersetzen: Erkennet also in seinem hertzen/ bekennet mit seinem
munde/ ehret mit seinem leben/ ruffet an mit seinem gebet dem Herrn JEsum als
seinen Herren; derselbe ist einmahl nach dem urtheil der schrifft/ und also GOttes/
ein kind desselben/ und hat den heiligen Geist/ ohne welchen wir CHristum keinen
Herrn nennen können. Man mag mir die natur so hoch rühmen als man will/
und die gütigkeit derselben aus den actis deduciren/ wie man kan/ so finde ich nach
der schrifft nicht/ daß solcher glaube/ liebe/ hoffnung und eine solche beschaffenheit
des hertzens/ das nachmahl der baum seye des gantzen lebens/ von der natur und
nicht von GOTT herkomme/ und also seines geistes würckung seyn müsse. Ei-
nes andern über redet mich kein Böhmist. Lasset uns also/ lieber bruder/ in unse-
rer veste stehen/ und uns von der einfalt der schrifft nichts abtreiben lassen. Rich-
tet man uns drüber so wollen wirs leyden/ und zu so viel fleißiger prüffung solches
dienen lassen/ und GOTT desto ernstlicher so vor die uns nötige gnade als verge-
bung derer gegen uns unrechten urtheile anruffen. Hältet man uns sonderlich da-
bey vor einfältig/ soll dieses ein stück unseres lobes seyn. Er gedencke nur/ wie
dieses urtheil bestehen könne/ daß es nicht vermessen heisse. Er zeiget in seinem Ca-
techismo nichts/ was solchem Göttlichen liecht zu wider wäre/ oder damit nicht ü-
bereinkomme/ und spricht ihm doch das Göttliche liecht ab.

Wollen dann solche leute sich nicht nur derer gaben des heiligen Geistes/ die
wir allen gerne gönnen und wünschen/ sondern auch der GOTT allein zustehen-
den eigenschafft/ in die hertzen zu sehen/ anmassen? daß sie nicht nur urtheilen von
demjenigen/ was aus dem hertzen gekommen/ sondern von dem hertzen selbs/ ohne
dessen probe aus seinen früchten zu geben. Er sehe nur/ ob dieses aus dem heiligen
Geist (will nicht sagen liebe) geflossen: Da er schreibt.

1. Jch seye den leuten gehäßig/ die nicht zum abendmahl gehen wolten.

2. Jch wolte sie von allen republiquen ausmustern. Beydes ist nicht
aus der wahrheit/ und also nicht aus dem Geist der wahrheit. Jch hasse dero leu-
te keinen/ sondern der HERR sihet/ welche eine liebe in meiner seelen gegen solche
leut/ da ich sonsten gutes an ihnen sehe/ trage/ die da machet/ daß als dann so viel
hertzlicher mitleyden mit ihnen trage/ und nur ihren irrthum/ vielmehr aber das
ärgernüß/ damit sie sich auff solche weise versündigen/ in der seele weh thut/ welches
weniger geschehen würde/ da ich feindselig gegen sie gesinnet wäre. So wird er
auch von mir nicht zeigen können/ daß jemahl einen auszumustern/ der vorher eines
orts säßhafft gewesen/ gerathen/ weniger solches gesucht habe. Ein anders ist/ er-
ner Christlichen Obrigkeit von dem[j]enigen was ohne das stattkündig worden/ dar-
an ich nicht schuld habe/ nöthige part zugeben/ daß sie eine sache/ so zu öffentlichem
ärgernüß worden/ untersuchen solle/ mit erbieten/ wo solches geschehen/ was in un-

serer
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ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. II.
hingegen wo es verſehen worden/ das ſtarffen in ſeinem hertzen und ſo bald neue be-
gierde es wider zu erſetzen: Erkennet alſo in ſeinem hertzen/ bekennet mit ſeinem
munde/ ehret mit ſeinem leben/ ruffet an mit ſeinem gebet dem Herrn JEſum als
ſeinen Herren; derſelbe iſt einmahl nach dem urtheil der ſchrifft/ und alſo GOttes/
ein kind deſſelben/ und hat den heiligen Geiſt/ ohne welchen wir CHriſtum keinen
Herrn nennen koͤnnen. Man mag mir die natur ſo hoch ruͤhmen als man will/
und die guͤtigkeit derſelben aus den actis deduciren/ wie man kan/ ſo finde ich nach
der ſchrifft nicht/ daß ſolcher glaube/ liebe/ hoffnung und eine ſolche beſchaffenheit
des hertzens/ das nachmahl der baum ſeye des gantzen lebens/ von der natur und
nicht von GOTT herkomme/ und alſo ſeines geiſtes wuͤrckung ſeyn muͤſſe. Ei-
nes andern uͤber redet mich kein Boͤhmiſt. Laſſet uns alſo/ lieber bruder/ in unſe-
rer veſte ſtehen/ und uns von der einfalt der ſchrifft nichts abtreiben laſſen. Rich-
tet man uns druͤber ſo wollen wirs leyden/ und zu ſo viel fleißiger pruͤffung ſolches
dienen laſſen/ und GOTT deſto ernſtlicher ſo vor die uns noͤtige gnade als verge-
bung derer gegen uns unrechten urtheile anruffen. Haͤltet man uns ſonderlich da-
bey vor einfaͤltig/ ſoll dieſes ein ſtuͤck unſeres lobes ſeyn. Er gedencke nur/ wie
dieſes urtheil beſtehen koͤnne/ daß es nicht vermeſſen heiſſe. Er zeiget in ſeinem Ca-
techiſmo nichts/ was ſolchem Goͤttlichen liecht zu wider waͤre/ oder damit nicht uͤ-
bereinkomme/ und ſpricht ihm doch das Goͤttliche liecht ab.

Wollen dann ſolche leute ſich nicht nur derer gaben des heiligen Geiſtes/ die
wir allen gerne goͤnnen und wuͤnſchen/ ſondern auch der GOTT allein zuſtehen-
den eigenſchafft/ in die hertzen zu ſehen/ anmaſſen? daß ſie nicht nur urtheilen von
demjenigen/ was aus dem hertzen gekommen/ ſondern von dem hertzen ſelbs/ ohne
deſſen probe aus ſeinen fruͤchten zu geben. Er ſehe nur/ ob dieſes aus dem heiligen
Geiſt (will nicht ſagen liebe) gefloſſen: Da er ſchreibt.

1. Jch ſeye den leuten gehaͤßig/ die nicht zum abendmahl gehen wolten.

2. Jch wolte ſie von allen republiquen ausmuſtern. Beydes iſt nicht
aus der wahrheit/ und alſo nicht aus dem Geiſt der wahrheit. Jch haſſe dero leu-
te keinen/ ſondern der HERR ſihet/ welche eine liebe in meiner ſeelen gegen ſolche
leut/ da ich ſonſten gutes an ihnen ſehe/ trage/ die da machet/ daß als dann ſo viel
hertzlicher mitleyden mit ihnen trage/ und nur ihren irrthum/ vielmehr aber das
aͤrgernuͤß/ damit ſie ſich auff ſolche weiſe verſuͤndigen/ in der ſeele weh thut/ welches
weniger geſchehen wuͤrde/ da ich feindſelig gegen ſie geſinnet waͤre. So wird er
auch von mir nicht zeigen koͤnnen/ daß jemahl einen auszumuſtern/ der vorher eines
orts ſaͤßhafft geweſen/ gerathen/ weniger ſolches geſucht habe. Ein anders iſt/ er-
ner Chriſtlichen Obrigkeit von dem[j]enigen was ohne das ſtattkuͤndig worden/ dar-
an ich nicht ſchuld habe/ noͤthige part zugeben/ daß ſie eine ſache/ ſo zu oͤffentlichem
aͤrgernuͤß worden/ unterſuchen ſolle/ mit erbieten/ wo ſolches geſchehen/ was in un-

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[629/0647] ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. II. hingegen wo es verſehen worden/ das ſtarffen in ſeinem hertzen und ſo bald neue be- gierde es wider zu erſetzen: Erkennet alſo in ſeinem hertzen/ bekennet mit ſeinem munde/ ehret mit ſeinem leben/ ruffet an mit ſeinem gebet dem Herrn JEſum als ſeinen Herren; derſelbe iſt einmahl nach dem urtheil der ſchrifft/ und alſo GOttes/ ein kind deſſelben/ und hat den heiligen Geiſt/ ohne welchen wir CHriſtum keinen Herrn nennen koͤnnen. Man mag mir die natur ſo hoch ruͤhmen als man will/ und die guͤtigkeit derſelben aus den actis deduciren/ wie man kan/ ſo finde ich nach der ſchrifft nicht/ daß ſolcher glaube/ liebe/ hoffnung und eine ſolche beſchaffenheit des hertzens/ das nachmahl der baum ſeye des gantzen lebens/ von der natur und nicht von GOTT herkomme/ und alſo ſeines geiſtes wuͤrckung ſeyn muͤſſe. Ei- nes andern uͤber redet mich kein Boͤhmiſt. Laſſet uns alſo/ lieber bruder/ in unſe- rer veſte ſtehen/ und uns von der einfalt der ſchrifft nichts abtreiben laſſen. Rich- tet man uns druͤber ſo wollen wirs leyden/ und zu ſo viel fleißiger pruͤffung ſolches dienen laſſen/ und GOTT deſto ernſtlicher ſo vor die uns noͤtige gnade als verge- bung derer gegen uns unrechten urtheile anruffen. Haͤltet man uns ſonderlich da- bey vor einfaͤltig/ ſoll dieſes ein ſtuͤck unſeres lobes ſeyn. Er gedencke nur/ wie dieſes urtheil beſtehen koͤnne/ daß es nicht vermeſſen heiſſe. Er zeiget in ſeinem Ca- techiſmo nichts/ was ſolchem Goͤttlichen liecht zu wider waͤre/ oder damit nicht uͤ- bereinkomme/ und ſpricht ihm doch das Goͤttliche liecht ab. Wollen dann ſolche leute ſich nicht nur derer gaben des heiligen Geiſtes/ die wir allen gerne goͤnnen und wuͤnſchen/ ſondern auch der GOTT allein zuſtehen- den eigenſchafft/ in die hertzen zu ſehen/ anmaſſen? daß ſie nicht nur urtheilen von demjenigen/ was aus dem hertzen gekommen/ ſondern von dem hertzen ſelbs/ ohne deſſen probe aus ſeinen fruͤchten zu geben. Er ſehe nur/ ob dieſes aus dem heiligen Geiſt (will nicht ſagen liebe) gefloſſen: Da er ſchreibt. 1. Jch ſeye den leuten gehaͤßig/ die nicht zum abendmahl gehen wolten. 2. Jch wolte ſie von allen republiquen ausmuſtern. Beydes iſt nicht aus der wahrheit/ und alſo nicht aus dem Geiſt der wahrheit. Jch haſſe dero leu- te keinen/ ſondern der HERR ſihet/ welche eine liebe in meiner ſeelen gegen ſolche leut/ da ich ſonſten gutes an ihnen ſehe/ trage/ die da machet/ daß als dann ſo viel hertzlicher mitleyden mit ihnen trage/ und nur ihren irrthum/ vielmehr aber das aͤrgernuͤß/ damit ſie ſich auff ſolche weiſe verſuͤndigen/ in der ſeele weh thut/ welches weniger geſchehen wuͤrde/ da ich feindſelig gegen ſie geſinnet waͤre. So wird er auch von mir nicht zeigen koͤnnen/ daß jemahl einen auszumuſtern/ der vorher eines orts ſaͤßhafft geweſen/ gerathen/ weniger ſolches geſucht habe. Ein anders iſt/ er- ner Chriſtlichen Obrigkeit von demjenigen was ohne das ſtattkuͤndig worden/ dar- an ich nicht ſchuld habe/ noͤthige part zugeben/ daß ſie eine ſache/ ſo zu oͤffentlichem aͤrgernuͤß worden/ unterſuchen ſolle/ mit erbieten/ wo ſolches geſchehen/ was in un- ſerer Kkkk 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/647>, abgerufen am 25.11.2024.