Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ART. I. DIST. IV. SECT. XIX. inwendig alle stände auff daß erbärmlichste verdorben sind/ daß kaum eine besserungirgens wo anschlagen will/ und wir ohne die reinigkeit der lehr vor andern kaum et- was mehr vorzug haben/ auswendig aber sehen wir die macht und den grimm des Römischen Babels gegen uns täglich wachsen; Dahero nicht anders gedencken kan/ als daß die zeit uns am nechsten seye/ daß die göttliche gerichte zu vordersten an seinem hause anfangen/ und Babel macht bekomme/ daß jenige hauß an dem ver- gebens geflicket worden/ mit gewalt meistens nieder zu reissen/ aus dessen herum zerstreueten steinen der HErr nachmahls solches wieder vortrefflicher auffbauen wird. Aber mit eben solcher grausamkeit wird sich jenes Babel euserst verschul- den/ daß maß seiner sünden damit erfüllen/ und also sein angedrohtes schreckliches gericht sich vollends über den halß ziehen. Worauff nicht fehlen kan/ daß die durch solches Babel vornehmlich verdorbene kirche nach dessen gericht einige ruhe zeit er- lange/ und göttlicher verheissungen erfüllung sich erfreue. So viel sehe ich einfäl- tig aus betrachtung göttlichen Worts und gegenhaltung des jenigen/ das ich täg- lich vor augen sehe. Ein höhers liecht aber habe ich mir nicht zu zu messen/ und ist mir nicht gegeben. Daher ich selbs in demuth/ gelassenheit/ und glauben erwarte/ was der HERR über uns alle verhängen will/ nur dahin trachtende/ daß ich möge gestärcket werden/ mir in allem den göttlichen willen gefallen zu lassen/ und ihm nach vermögen zu thun/ ihm aber alles in gebet und gedult zu über lassen/ welches ich auch andern freunden rathe/ und vor das sicherste halte/ wie man sich in die verderbte zeiten zu schicken habe. Jch habe auch nechst in dieser absicht zu der glaubens brüder stärckung ein Tractätlein geschrieben/ genant Christliche auffinunterung zur beständigkeit in der reinen lehr des Evangelii und den mittelen dazu/ welches sich auff der post nicht wohl schicken läßt. Doch meine/ es wird in Leipzig zu bekommen seyen. Mein name steht gewisser ursach wil- len nicht dabey/ sondern die buchstaben S. M. E. F. Nun der HErr öffene uns die augen/ die zeichen unserer zeit einfältig doch Christklüglich zu erkennen/ vornemlich aber in demselben unsere pflicht in acht zu nehmen/ und in allem zu preisen/ womit denselben und dessen adeliche ehliebste und hauß in dessen allgewaltigen Gottes obhut und genaden regirung treulich erlassende/ verbleibe u. s. w. 21. Maj. 1684. SECTIO XX. An eine Christliche weibsperson: Wiefern man in göttlichen DErselbigen neuliches/ obwohl aus betrübter gelegenheit und über eine mir nicht Dddd 2
ART. I. DIST. IV. SECT. XIX. inwendig alle ſtaͤnde auff daß erbaͤrmlichſte verdorben ſind/ daß kaum eine beſſerungirgens wo anſchlagen will/ und wir ohne die reinigkeit der lehr vor andern kaum et- was mehr vorzug haben/ auswendig aber ſehen wir die macht und den grimm des Roͤmiſchen Babels gegen uns taͤglich wachſen; Dahero nicht anders gedencken kan/ als daß die zeit uns am nechſten ſeye/ daß die goͤttliche gerichte zu vorderſten an ſeinem hauſe anfangen/ und Babel macht bekomme/ daß jenige hauß an dem ver- gebens geflicket worden/ mit gewalt meiſtens nieder zu reiſſen/ aus deſſen herum zerſtreueten ſteinen der HErr nachmahls ſolches wieder vortrefflicher auffbauen wird. Aber mit eben ſolcher grauſamkeit wird ſich jenes Babel euſerſt verſchul- den/ daß maß ſeiner ſuͤnden damit erfuͤllen/ und alſo ſein angedrohtes ſchreckliches gericht ſich vollends uͤber den halß ziehen. Worauff nicht fehlen kan/ daß die durch ſolches Babel vornehmlich verdorbene kirche nach deſſen gericht einige ruhe zeit er- lange/ und goͤttlicher verheiſſungen erfuͤllung ſich erfreue. So viel ſehe ich einfaͤl- tig aus betrachtung goͤttlichen Worts und gegenhaltung des jenigen/ das ich taͤg- lich vor augen ſehe. Ein hoͤhers liecht aber habe ich mir nicht zu zu meſſen/ und iſt mir nicht gegeben. Daher ich ſelbs in demuth/ gelaſſenheit/ und glauben erwarte/ was der HERR uͤber uns alle verhaͤngen will/ nur dahin trachtende/ daß ich moͤge geſtaͤrcket werden/ mir in allem den goͤttlichen willen gefallen zu laſſen/ und ihm nach vermoͤgen zu thun/ ihm aber alles in gebet und gedult zu uͤber laſſen/ welches ich auch andern freunden rathe/ und vor das ſicherſte halte/ wie man ſich in die verderbte zeiten zu ſchicken habe. Jch habe auch nechſt in dieſer abſicht zu der glaubens bruͤder ſtaͤrckung ein Tractaͤtlein geſchrieben/ genant Chriſtliche auffinunterung zur beſtaͤndigkeit in der reinen lehr des Evangelii und den mittelen dazu/ welches ſich auff der poſt nicht wohl ſchicken laͤßt. Doch meine/ es wird in Leipzig zu bekommen ſeyen. Mein name ſteht gewiſſer urſach wil- len nicht dabey/ ſondern die buchſtaben S. M. E. F. Nun der HErr oͤffene uns die augen/ die zeichen unſerer zeit einfaͤltig doch Chriſtkluͤglich zu erkennen/ vornemlich aber in demſelben unſere pflicht in acht zu nehmen/ und in allem zu preiſen/ womit denſelben und deſſen adeliche ehliebſte und hauß in deſſen allgewaltigen Gottes obhut und genaden regirung treulich erlaſſende/ verbleibe u. ſ. w. 21. Maj. 1684. SECTIO XX. An eine Chriſtliche weibsperſon: Wiefern man in goͤttlichen DErſelbigen neuliches/ obwohl aus betruͤbter gelegenheit und uͤber eine mir nicht Dddd 2
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ART. I. DIST. IV. SECT. XIX.
inwendig alle ſtaͤnde auff daß erbaͤrmlichſte verdorben ſind/ daß kaum eine beſſerung
irgens wo anſchlagen will/ und wir ohne die reinigkeit der lehr vor andern kaum et-
was mehr vorzug haben/ auswendig aber ſehen wir die macht und den grimm des
Roͤmiſchen Babels gegen uns taͤglich wachſen; Dahero nicht anders gedencken
kan/ als daß die zeit uns am nechſten ſeye/ daß die goͤttliche gerichte zu vorderſten an
ſeinem hauſe anfangen/ und Babel macht bekomme/ daß jenige hauß an dem ver-
gebens geflicket worden/ mit gewalt meiſtens nieder zu reiſſen/ aus deſſen herum
zerſtreueten ſteinen der HErr nachmahls ſolches wieder vortrefflicher auffbauen
wird. Aber mit eben ſolcher grauſamkeit wird ſich jenes Babel euſerſt verſchul-
den/ daß maß ſeiner ſuͤnden damit erfuͤllen/ und alſo ſein angedrohtes ſchreckliches
gericht ſich vollends uͤber den halß ziehen. Worauff nicht fehlen kan/ daß die durch
ſolches Babel vornehmlich verdorbene kirche nach deſſen gericht einige ruhe zeit er-
lange/ und goͤttlicher verheiſſungen erfuͤllung ſich erfreue. So viel ſehe ich einfaͤl-
tig aus betrachtung goͤttlichen Worts und gegenhaltung des jenigen/ das ich taͤg-
lich vor augen ſehe. Ein hoͤhers liecht aber habe ich mir nicht zu zu meſſen/ und iſt
mir nicht gegeben. Daher ich ſelbs in demuth/ gelaſſenheit/ und glauben erwarte/
was der HERR uͤber uns alle verhaͤngen will/ nur dahin trachtende/ daß ich
moͤge geſtaͤrcket werden/ mir in allem den goͤttlichen willen gefallen zu laſſen/ und
ihm nach vermoͤgen zu thun/ ihm aber alles in gebet und gedult zu uͤber laſſen/
welches ich auch andern freunden rathe/ und vor das ſicherſte halte/ wie man ſich
in die verderbte zeiten zu ſchicken habe. Jch habe auch nechſt in dieſer abſicht zu
der glaubens bruͤder ſtaͤrckung ein Tractaͤtlein geſchrieben/ genant Chriſtliche
auffinunterung zur beſtaͤndigkeit in der reinen lehr des Evangelii
und den mittelen dazu/ welches ſich auff der poſt nicht wohl ſchicken laͤßt. Doch
meine/ es wird in Leipzig zu bekommen ſeyen. Mein name ſteht gewiſſer urſach wil-
len nicht dabey/ ſondern die buchſtaben S. M. E. F. Nun der HErr oͤffene uns die
augen/ die zeichen unſerer zeit einfaͤltig doch Chriſtkluͤglich zu erkennen/ vornemlich
aber in demſelben unſere pflicht in acht zu nehmen/ und in allem zu preiſen/ womit
denſelben und deſſen adeliche ehliebſte und hauß in deſſen allgewaltigen Gottes
obhut und genaden regirung treulich erlaſſende/ verbleibe u. ſ. w. 21. Maj. 1684.
SECTIO XX.
An eine Chriſtliche weibsperſon: Wiefern man in goͤttlichen
dingen auff das fuͤhlen zu ſehen. Mein verhalten gegen die/
ſo ſich abſondern.
DErſelbigen neuliches/ obwohl aus betruͤbter gelegenheit und uͤber eine mir
offt betruͤbliche materie geſchriebenes/ war mir hertzlich angenehm und
erfreulich/ als ein zeugnuͤß der wahrheit ausſo lieben hertzen. Es iſt freylich ſo/
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