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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. VII.
controversien nicht gedacht/ sondern die praxis des Christenthums getrieben
wird/ habe bißher gesehen/ daß dieselbe die widersacher unserer religion so gar nicht
offendiret haben/ daß von diesen vielmehr offt ein favor dadurch ist erlangt worden.
Wären aber einige mir nicht bekante considerationes/ woraus zu sorgen wäre/
daß ihrer kirchen einiger weiterer druck daher erfolgen möchte/ und solche würden
wohl gegründet befunden/ so bekenne gern/ daß als dann ich selbs die sache mißra-
then/ und die ruhe ihrer kirchen allen übrigen nutzbarkeiten/ so ich von der publica-
tion
hoffte/ vorziehen wolte. Gestehe aber auch dabey/ daß ich dergleichen zu se-
hen nicht vermag/ sondern davor gehalten wo die praxis einer sache von den widri-
gen wol geduldet wird/ daß solche auch die vertheidigung derselben wol leiden
mögen.

4. Es möchte auch die vorgeschützte obscuritas loci nicht mit nachdruck ent-
gegen gehalten werden. Jn dem nicht nur allein ihre statt so unbekant nicht/ son-
dern auch solches exempel eines orts/ welches nicht so volckreich/ noch das ministe-
rium
so starck eine real antwort ist auff einen vielen offt gebräuchlichen einwurff;
es liesse sich dergleichen exercitium noch endlich wohl etzlicher massen in einer sehr
populosen statt/ da man unter der menge auch eine zimliche zahl tüchtiger perso-
nen finde/ practiciren/ aber an anderen orten würde es nicht möglich seyn.

5. Sehe ich auch nicht/ das eben zu sorgen/ daß sie in einem sonderlichen
disputat hiedurch würden eingepflochten werden/ wie fast zu vermuthen/ daß Herr
Dilfeld/ so nun über ein jahr auff Herr Wincklers antwort geschwiegen/ schwehr-
lich etwas ferner finden wird/ was er replicire.

Am allerwenigsten aber möchte 6. den wercklein schaden/ daß es nicht von ei-
nem Theologo sondern JCto gemacht seye. Dann es heisset/ nicht quis, sed
quid;
und haben wir uns vielmehr zu erfreuen und es zu loben/ wo auch andere
als Theologi in dergleichen materien die feder ansetzen. Also meine ich/ mögen
die gesamte rationes dubitandi nicht von der wichtigkeit erkant werden/ die pu-
blication
zu mißrathen. Hingegen sind die andere pro afflrmativa angezogene
momenta kräfftig genug/ solche zu persvadiren. So weiß ich auch sonderlich
nichts weiter bey dem tractätlein selbs zu erinnern; Wie wohl sich auch nicht zieh-
men wolte/ darüber unter uns vorher zu conferiren/ weilen sich darauff be-
zogen wird/ daß sie mit mir in einiger correspondenz nicht stehen. Weswegen
auch vor nöthig achte/ daß ein gewisses datum zu ende gesetzet werde/ wann sol-
ches scriptum verfasset/ da es also der wahrheit nach älter seyn muß/ als unsere nun
erst anhebende kundschafft. Solte ich aber je etwas erinneren: So wünsche/
was die stelle anlangt/ da die nothwendigkeit dergleichen privat-zusammenkunff-
ten gelehret wird/ daß diese etwas deutlicher ausgedruckt würde/ daß man nicht e-
ben von einer necessitate absoluta sondern expedientiae rede. Zwar was das
genus anlangt/ daß einige privati congressus sollen gehalten werden/ wird wohl

blosser
Zzz

ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. VII.
controverſien nicht gedacht/ ſondern die praxis des Chriſtenthums getrieben
wird/ habe bißher geſehen/ daß dieſelbe die widerſacher unſerer religion ſo gar nicht
offendiret haben/ daß von dieſen vielmehr offt ein favor daduꝛch iſt erlangt woꝛden.
Waͤren aber einige mir nicht bekante conſiderationes/ woraus zu ſorgen waͤre/
daß ihrer kirchen einiger weiterer druck daher erfolgen moͤchte/ und ſolche wuͤrden
wohl gegruͤndet befunden/ ſo bekenne gern/ daß als dann ich ſelbs die ſache mißra-
then/ und die ruhe ihrer kirchen allen uͤbrigen nutzbarkeiten/ ſo ich von der publica-
tion
hoffte/ vorziehen wolte. Geſtehe aber auch dabey/ daß ich dergleichen zu ſe-
hen nicht vermag/ ſondern davor gehalten wo die praxis einer ſache von den widri-
gen wol geduldet wird/ daß ſolche auch die vertheidigung derſelben wol leiden
moͤgen.

4. Es moͤchte auch die vorgeſchuͤtzte obſcuritas loci nicht mit nachdruck ent-
gegen gehalten werden. Jn dem nicht nur allein ihre ſtatt ſo unbekant nicht/ ſon-
dern auch ſolches exempel eines orts/ welches nicht ſo volckreich/ noch das miniſte-
rium
ſo ſtarck eine real antwort iſt auff einen vielen offt gebraͤuchlichen einwurff;
es lieſſe ſich dergleichen exercitium noch endlich wohl etzlicher maſſen in einer ſehr
populoſen ſtatt/ da man unter der menge auch eine zimliche zahl tuͤchtiger perſo-
nen finde/ practiciren/ aber an anderen orten wuͤrde es nicht moͤglich ſeyn.

5. Sehe ich auch nicht/ das eben zu ſorgen/ daß ſie in einem ſonderlichen
diſputat hiedurch wuͤrden eingepflochten werden/ wie faſt zu vermuthen/ daß Herr
Dilfeld/ ſo nun uͤber ein jahr auff Herr Wincklers antwort geſchwiegen/ ſchwehr-
lich etwas ferner finden wird/ was er replicire.

Am allerwenigſten aber moͤchte 6. den wercklein ſchaden/ daß es nicht von ei-
nem Theologo ſondern JCto gemacht ſeye. Dann es heiſſet/ nicht quis, ſed
quid;
und haben wir uns vielmehr zu erfreuen und es zu loben/ wo auch andere
als Theologi in dergleichen materien die feder anſetzen. Alſo meine ich/ moͤgen
die geſamte rationes dubitandi nicht von der wichtigkeit erkant werden/ die pu-
blication
zu mißrathen. Hingegen ſind die andere pro afflrmativa angezogene
momenta kraͤfftig genug/ ſolche zu perſvadiren. So weiß ich auch ſonderlich
nichts weiter bey dem tractaͤtlein ſelbs zu erinnern; Wie wohl ſich auch nicht zieh-
men wolte/ daruͤber unter uns vorher zu conferiren/ weilen ſich darauff be-
zogen wird/ daß ſie mit mir in einiger correſpondenz nicht ſtehen. Weswegen
auch vor noͤthig achte/ daß ein gewiſſes datum zu ende geſetzet werde/ wann ſol-
ches ſcriptum verfaſſet/ da es alſo der wahrheit nach aͤlter ſeyn muß/ als unſere nun
erſt anhebende kundſchafft. Solte ich aber je etwas erinneren: So wuͤnſche/
was die ſtelle anlangt/ da die nothwendigkeit dergleichen privat-zuſammenkunff-
ten gelehret wird/ daß dieſe etwas deutlicher ausgedruckt wuͤrde/ daß man nicht e-
ben von einer neceſſitate abſoluta ſondern expedientiæ rede. Zwar was das
genus anlangt/ daß einige privati congreſſus ſollen gehalten werden/ wird wohl

bloſſer
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[545/0563] ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. VII. controverſien nicht gedacht/ ſondern die praxis des Chriſtenthums getrieben wird/ habe bißher geſehen/ daß dieſelbe die widerſacher unſerer religion ſo gar nicht offendiret haben/ daß von dieſen vielmehr offt ein favor daduꝛch iſt erlangt woꝛden. Waͤren aber einige mir nicht bekante conſiderationes/ woraus zu ſorgen waͤre/ daß ihrer kirchen einiger weiterer druck daher erfolgen moͤchte/ und ſolche wuͤrden wohl gegruͤndet befunden/ ſo bekenne gern/ daß als dann ich ſelbs die ſache mißra- then/ und die ruhe ihrer kirchen allen uͤbrigen nutzbarkeiten/ ſo ich von der publica- tion hoffte/ vorziehen wolte. Geſtehe aber auch dabey/ daß ich dergleichen zu ſe- hen nicht vermag/ ſondern davor gehalten wo die praxis einer ſache von den widri- gen wol geduldet wird/ daß ſolche auch die vertheidigung derſelben wol leiden moͤgen. 4. Es moͤchte auch die vorgeſchuͤtzte obſcuritas loci nicht mit nachdruck ent- gegen gehalten werden. Jn dem nicht nur allein ihre ſtatt ſo unbekant nicht/ ſon- dern auch ſolches exempel eines orts/ welches nicht ſo volckreich/ noch das miniſte- rium ſo ſtarck eine real antwort iſt auff einen vielen offt gebraͤuchlichen einwurff; es lieſſe ſich dergleichen exercitium noch endlich wohl etzlicher maſſen in einer ſehr populoſen ſtatt/ da man unter der menge auch eine zimliche zahl tuͤchtiger perſo- nen finde/ practiciren/ aber an anderen orten wuͤrde es nicht moͤglich ſeyn. 5. Sehe ich auch nicht/ das eben zu ſorgen/ daß ſie in einem ſonderlichen diſputat hiedurch wuͤrden eingepflochten werden/ wie faſt zu vermuthen/ daß Herr Dilfeld/ ſo nun uͤber ein jahr auff Herr Wincklers antwort geſchwiegen/ ſchwehr- lich etwas ferner finden wird/ was er replicire. Am allerwenigſten aber moͤchte 6. den wercklein ſchaden/ daß es nicht von ei- nem Theologo ſondern JCto gemacht ſeye. Dann es heiſſet/ nicht quis, ſed quid; und haben wir uns vielmehr zu erfreuen und es zu loben/ wo auch andere als Theologi in dergleichen materien die feder anſetzen. Alſo meine ich/ moͤgen die geſamte rationes dubitandi nicht von der wichtigkeit erkant werden/ die pu- blication zu mißrathen. Hingegen ſind die andere pro afflrmativa angezogene momenta kraͤfftig genug/ ſolche zu perſvadiren. So weiß ich auch ſonderlich nichts weiter bey dem tractaͤtlein ſelbs zu erinnern; Wie wohl ſich auch nicht zieh- men wolte/ daruͤber unter uns vorher zu conferiren/ weilen ſich darauff be- zogen wird/ daß ſie mit mir in einiger correſpondenz nicht ſtehen. Weswegen auch vor noͤthig achte/ daß ein gewiſſes datum zu ende geſetzet werde/ wann ſol- ches ſcriptum verfaſſet/ da es alſo der wahrheit nach aͤlter ſeyn muß/ als unſere nun erſt anhebende kundſchafft. Solte ich aber je etwas erinneren: So wuͤnſche/ was die ſtelle anlangt/ da die nothwendigkeit dergleichen privat-zuſammenkunff- ten gelehret wird/ daß dieſe etwas deutlicher ausgedruckt wuͤrde/ daß man nicht e- ben von einer neceſſitate abſoluta ſondern expedientiæ rede. Zwar was das genus anlangt/ daß einige privati congreſſus ſollen gehalten werden/ wird wohl bloſſer Zzz

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/563>, abgerufen am 22.11.2024.