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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII.
von dem unerträglichen joche Mosis/ aber nicht von dem sanfften joche
seiner geboten/
einer guten erklärung/ daß sie nicht auff unrechten verstand gezo-
gen werden. 9. Eine genaue gemeinschafft mit dem jetzt angeführten hat auch
diese art zu reden/ wo Herr Stenger unterschiedlichmal pfleget zu sagen/ dieser
wird ordentlicher; jener ausser ordentlicher weise selig. Als p. 239. Ordent-
licher weise wird keiner selig/ er habe denn auch from gelebet/ aber
mit frömmigkeit wird drumb das ewige heyl nicht verdienet. Diß
folget wohl daraus/ daß die spath-reuende/ nicht auff ordentliche
art und weise selig werden. Denn sonst ist das die gewöhnliche/
ordentliche arth und weise die sich findet bey rechtschaffenen Chri-
sten/ daß sie nemlich fein bey zeiten abstehen vom bösen. Bald dar-
auff. Wenn denn ein und der andere aller erst am letzten ende
von GOTT bekehrt wird/ so heisse ich das ein ausserordentlich
ungewöhnliches exempel.
p. 395. Solches ist ein ausserordentliches/
es ist ein ungewöhnlicher
casus. Jtem/ es ist gantz nicht gew öhn-
lich noch gebräuchlich. Jtem/ so ists für ein ungewöhnlichen aus-
serordentlichen wunder
casum zuhalten. Also auch p. 401. und an-
derswo. Also klaget er praef. p. 5. daß von etlichen der ausserordentliche spa-
te buß weg zum ordentlichen lebensweg gemacht werde.
Hier-
aus möchte vielleicht jemand in die gedancken kommen/ ob wäre Herr Stenger
der meinung/ es würden die spath-reuende auff andere weise/ durch andere mit-
tel von GOttes und ihrer eigenen seiten selig/ als andere/ da doch einerley gnade/
Christi verdienst/ Wort/ Gesetz/ Evangelium/ Sacramenten/ und also alle mit-
tel sind/ daraus alle menschen insgesamt zur busse und solcher güter genuß müs-
sen gebraucht werden: Wie hingegen auch von ihrer seiten bey allen der einige
glaube ist/ der solche annimt. Jn solchem verstand ists eine ordnung vor alle/
und wird keiner ausser ordenlicher weise selig: Wir mögen denn solches sagen
von den kindern/ welche vor der Tauff sterben/ da die ordentliche mittel des worts
und Sacraments der Tauff nicht platz haben/ ob wohl es auch eine gnade/ gerech-
tigkeit Christi und glaube ist/ wie bey andern/ krafft deren sie selig werden. Es
ist aber solches durchaus Herr Stengers meinung nicht/ wie solches die vierze-
hende predigt zur gnüge ausweiset; Sondern er erkläret sich selbst/ wie er diese
worte verstehe/ Einschärff. p. 22. daß er ordentlich nennet/ solenne, consvetum
& ordinarium,
was ordentlicher weise und gemeiniglich geschicht/
das andere nennet er ausserordentlich/ extraordinarium.

Was dann die sache selbst anlanget/ so ists aus vorigen bekant/ daß in sol-
chem verstand freylich die spath-reuende nicht ordentlich/ sondern ausser ordentlich

selig
E 2

ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII.
von dem unertraͤglichen joche Moſis/ aber nicht von dem ſanfften joche
ſeiner geboten/
einer guten erklaͤrung/ daß ſie nicht auff unrechten verſtand gezo-
gen werden. 9. Eine genaue gemeinſchafft mit dem jetzt angefuͤhrten hat auch
dieſe art zu reden/ wo Herr Stenger unterſchiedlichmal pfleget zu ſagen/ dieſer
wird ordentlicher; jener auſſer ordentlicher weiſe ſelig. Als p. 239. Ordent-
licher weiſe wird keiner ſelig/ er habe denn auch from gelebet/ aber
mit froͤmmigkeit wird drumb das ewige heyl nicht verdienet. Diß
folget wohl daraus/ daß die ſpath-reuende/ nicht auff ordentliche
art und weiſe ſelig werden. Denn ſonſt iſt das die gewoͤhnliche/
ordentliche arth und weiſe die ſich findet bey rechtſchaffenen Chri-
ſten/ daß ſie nemlich fein bey zeiten abſtehen vom boͤſen. Bald dar-
auff. Wenn denn ein und der andere aller erſt am letzten ende
von GOTT bekehrt wird/ ſo heiſſe ich das ein auſſerordentlich
ungewoͤhnliches exempel.
p. 395. Solches iſt ein auſſerordentliches/
es iſt ein ungewoͤhnlicher
caſus. Jtem/ es iſt gantz nicht gew oͤhn-
lich noch gebraͤuchlich. Jtem/ ſo iſts fuͤr ein ungewoͤhnlichen auſ-
ſerordentlichen wunder
caſum zuhalten. Alſo auch p. 401. und an-
derswo. Alſo klaget er præf. p. 5. daß von etlichen der auſſerordentliche ſpa-
te buß weg zum ordentlichen lebensweg gemacht werde.
Hier-
aus moͤchte vielleicht jemand in die gedancken kommen/ ob waͤre Herr Stenger
der meinung/ es wuͤrden die ſpath-reuende auff andere weiſe/ durch andere mit-
tel von GOttes und ihrer eigenen ſeiten ſelig/ als andere/ da doch einerley gnade/
Chriſti verdienſt/ Wort/ Geſetz/ Evangelium/ Sacramenten/ und alſo alle mit-
tel ſind/ daraus alle menſchen insgeſamt zur buſſe und ſolcher guͤter genuß muͤſ-
ſen gebraucht werden: Wie hingegen auch von ihrer ſeiten bey allen der einige
glaube iſt/ der ſolche annimt. Jn ſolchem verſtand iſts eine ordnung vor alle/
und wird keiner auſſer ordenlicher weiſe ſelig: Wir moͤgen denn ſolches ſagen
von den kindern/ welche vor der Tauff ſterben/ da die ordentliche mittel des worts
und Sacraments der Tauff nicht platz haben/ ob wohl es auch eine gnade/ gerech-
tigkeit Chriſti und glaube iſt/ wie bey andern/ krafft deren ſie ſelig werden. Es
iſt aber ſolches durchaus Herr Stengers meinung nicht/ wie ſolches die vierze-
hende predigt zur gnuͤge ausweiſet; Sondern er erklaͤret ſich ſelbſt/ wie er dieſe
worte verſtehe/ Einſchaͤrff. p. 22. daß er ordentlich nennet/ ſolenne, conſvetum
& ordinarium,
was ordentlicher weiſe und gemeiniglich geſchicht/
das andere nennet er auſſerordentlich/ extraordinarium.

Was dann die ſache ſelbſt anlanget/ ſo iſts aus vorigen bekant/ daß in ſol-
chem verſtand freylich die ſpath-reuende nicht ordentlich/ ſondern auſſer ordentlich

ſelig
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[35/0053] ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO VII. von dem unertraͤglichen joche Moſis/ aber nicht von dem ſanfften joche ſeiner geboten/ einer guten erklaͤrung/ daß ſie nicht auff unrechten verſtand gezo- gen werden. 9. Eine genaue gemeinſchafft mit dem jetzt angefuͤhrten hat auch dieſe art zu reden/ wo Herr Stenger unterſchiedlichmal pfleget zu ſagen/ dieſer wird ordentlicher; jener auſſer ordentlicher weiſe ſelig. Als p. 239. Ordent- licher weiſe wird keiner ſelig/ er habe denn auch from gelebet/ aber mit froͤmmigkeit wird drumb das ewige heyl nicht verdienet. Diß folget wohl daraus/ daß die ſpath-reuende/ nicht auff ordentliche art und weiſe ſelig werden. Denn ſonſt iſt das die gewoͤhnliche/ ordentliche arth und weiſe die ſich findet bey rechtſchaffenen Chri- ſten/ daß ſie nemlich fein bey zeiten abſtehen vom boͤſen. Bald dar- auff. Wenn denn ein und der andere aller erſt am letzten ende von GOTT bekehrt wird/ ſo heiſſe ich das ein auſſerordentlich ungewoͤhnliches exempel. p. 395. Solches iſt ein auſſerordentliches/ es iſt ein ungewoͤhnlicher caſus. Jtem/ es iſt gantz nicht gew oͤhn- lich noch gebraͤuchlich. Jtem/ ſo iſts fuͤr ein ungewoͤhnlichen auſ- ſerordentlichen wunder caſum zuhalten. Alſo auch p. 401. und an- derswo. Alſo klaget er præf. p. 5. daß von etlichen der auſſerordentliche ſpa- te buß weg zum ordentlichen lebensweg gemacht werde. Hier- aus moͤchte vielleicht jemand in die gedancken kommen/ ob waͤre Herr Stenger der meinung/ es wuͤrden die ſpath-reuende auff andere weiſe/ durch andere mit- tel von GOttes und ihrer eigenen ſeiten ſelig/ als andere/ da doch einerley gnade/ Chriſti verdienſt/ Wort/ Geſetz/ Evangelium/ Sacramenten/ und alſo alle mit- tel ſind/ daraus alle menſchen insgeſamt zur buſſe und ſolcher guͤter genuß muͤſ- ſen gebraucht werden: Wie hingegen auch von ihrer ſeiten bey allen der einige glaube iſt/ der ſolche annimt. Jn ſolchem verſtand iſts eine ordnung vor alle/ und wird keiner auſſer ordenlicher weiſe ſelig: Wir moͤgen denn ſolches ſagen von den kindern/ welche vor der Tauff ſterben/ da die ordentliche mittel des worts und Sacraments der Tauff nicht platz haben/ ob wohl es auch eine gnade/ gerech- tigkeit Chriſti und glaube iſt/ wie bey andern/ krafft deren ſie ſelig werden. Es iſt aber ſolches durchaus Herr Stengers meinung nicht/ wie ſolches die vierze- hende predigt zur gnuͤge ausweiſet; Sondern er erklaͤret ſich ſelbſt/ wie er dieſe worte verſtehe/ Einſchaͤrff. p. 22. daß er ordentlich nennet/ ſolenne, conſvetum & ordinarium, was ordentlicher weiſe und gemeiniglich geſchicht/ das andere nennet er auſſerordentlich/ extraordinarium. Was dann die ſache ſelbſt anlanget/ ſo iſts aus vorigen bekant/ daß in ſol- chem verſtand freylich die ſpath-reuende nicht ordentlich/ ſondern auſſer ordentlich ſelig E 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/53>, abgerufen am 27.11.2024.