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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
SECTIO XV.

Uber eines guten freundes Tractätlein/ in dem
unterschiedliches anstößig gefunden.

JCh habe vor acht tagen das an mich gethane/ gestern aber auch das über-
sante büchlein/ wohl empfangen. Bedancke mich zum fordersten/ so wohl
der freundlichen überschickung als nochmahls bezeugenden guten vertrau-
ens/ so mir angenehm ist. Wie wünschte ich das gleiches vergnügen über das
tractätlein bezeugen konte! Jch habe dasselbe aus einem communicirten exem-
plar vergangenen freytag zwar gantz/ aber nicht anders als cursorie/ und wie
es mir in gegenwertigen meß distraction müglich ist/ durchgegangen/ daher zu
mehr und gründlicherem Judicio eine abermahlige und bedächtlichere durchle-
sung nötig ist. Derselbe wird mir aber nicht in übelem vermercken/ daß/ nach
dem wirs untereinander schuldig sind/ ich ihme offenhertzich meine gedancken da-
von entdecke. Jch habe darinnen v[i]ele wichtige warheiten angetroffen/ welche
fleißig zu treiben sehr nötig ist/ und ich selbst wunsche/ das immer fort neue gele-
genheit möge gesucht und gefunden werden/ dieselbe ernstlich zu inculciren. A-
ber ich wünschte von hertzen/ daß solche warheiten auch auf diese art vorgetragen
würden/ daß sie ihren nutzen und zweck erhalten/ und nicht dem guten vielmehr/
ob wohl ohne des Autoris intention und meynung/ je dennoch aus verursachung
und schuld deß vortrags selbst/ besorglich ein ziemlicher anstoß aufs neue gemacht
werden möchte/ welches mit einigen geringen änderungen/ welche auf guter
freunde erinnerungen hätten geschehen können/ verhütet werden mögen. Als ich
meine neuliche apologiam gegen Dilfelden heraus geben wolte/ achtete ich in einer
wichtigen sach mich verbunden/ daß ich an 3. unterschiedliche ort meinen aufsatz
Christlichen freunden communicirte/ deroselben erinnerung darüber ein zuholen;
wie gut wäre es/ da es hier dergleichen geschehen wäre. Da ohne das derselbige
vor deme von treumeinenden freunden einige mahl verständiget worden/ das sei-
ne art zu proponiren/ nicht alle mahl diejenige deutlichkeit habe/ welche von dem
zuhörer verlanget würde. Jch sehe also auch in diesen scripto/ das zum offtern
dergleichen warheiten/ welche mit andern und fast den ins gemein gebräuchlichen
worten/ nicht nur mit eben dem nachtruck/ sondern offters viel deutlicher konten
vorgetragen werden/ also hie beschrieben sind/ daß man sie schwerlich fasset/ oder
doch vieles nachsinnen bedarff/ biß man nur die eigendliche meynung begreifft/ da-
her den leuten ohne noth die sachen schwerer gemacht werden. Es sind einige redens-
arten/ in welchen mir scheinen gewisse lehr puncten/ welche von unserer allgemeinen
lehr art (an dero ich doch aus Gottes wort annoch nie keinen mangel gründlich ge-
zeigt gesehen habe) abgehen/ enthalten zu sein; Jedoch weil ich deroselben nicht ge-
wiß/ und in denen ungewöhnlichen reden ein anderer und besserer verstand sein kan/
als ich ihn vielleicht fasse/ so lasse ich solche biß zu weiterer untersuchung so lange
billich ausgesetzt. Jch hätte aber vor allen dingen wünschen mögen/ und verlangen

sollen/
Das ſechſte Capitel.
SECTIO XV.

Uber eines guten freundes Tractaͤtlein/ in dem
unterſchiedliches anſtoͤßig gefunden.

JCh habe vor acht tagen das an mich gethane/ geſtern aber auch das uͤber-
ſante buͤchlein/ wohl empfangen. Bedancke mich zum forderſten/ ſo wohl
der freundlichen uͤberſchickung als nochmahls bezeugenden guten vertrau-
ens/ ſo mir angenehm iſt. Wie wuͤnſchte ich das gleiches vergnuͤgen uͤber das
tractaͤtlein bezeugen konte! Jch habe daſſelbe aus einem communicirten exem-
plar vergangenen freytag zwar gantz/ aber nicht anders als curſorie/ und wie
es mir in gegenwertigen meß diſtraction muͤglich iſt/ durchgegangen/ daher zu
mehr und gruͤndlicherem Judicio eine abermahlige und bedaͤchtlichere durchle-
ſung noͤtig iſt. Derſelbe wird mir aber nicht in uͤbelem vermercken/ daß/ nach
dem wirs untereinander ſchuldig ſind/ ich ihme offenhertzich meine gedancken da-
von entdecke. Jch habe darinnen v[i]ele wichtige warheiten angetroffen/ welche
fleißig zu treiben ſehr noͤtig iſt/ und ich ſelbſt wunſche/ das immer fort neue gele-
genheit moͤge geſucht und gefunden werden/ dieſelbe ernſtlich zu inculciren. A-
ber ich wuͤnſchte von hertzen/ daß ſolche warheiten auch auf dieſe art vorgetragen
wuͤrden/ daß ſie ihren nutzen und zweck erhalten/ und nicht dem guten vielmehr/
ob wohl ohne des Autoris intention und meynung/ je dennoch aus verurſachung
und ſchuld deß vortrags ſelbſt/ beſorglich ein ziemlicher anſtoß aufs neue gemacht
werden moͤchte/ welches mit einigen geringen aͤnderungen/ welche auf guter
freunde erinnerungen haͤtten geſchehen koͤnnen/ verhuͤtet werden moͤgen. Als ich
meine neuliche apologiam gegen Dilfelden heraus geben wolte/ achtete ich in einer
wichtigen ſach mich verbunden/ daß ich an 3. unterſchiedliche ort meinen aufſatz
Chriſtlichen freunden communicirte/ deroſelben erinnerung daruͤber ein zuholen;
wie gut waͤre es/ da es hier dergleichen geſchehen waͤre. Da ohne das derſelbige
vor deme von treumeinenden freunden einige mahl verſtaͤndiget worden/ das ſei-
ne art zu proponiren/ nicht alle mahl diejenige deutlichkeit habe/ welche von dem
zuhoͤrer verlanget wuͤrde. Jch ſehe alſo auch in dieſen ſcripto/ das zum offtern
dergleichen warheiten/ welche mit andern und faſt den ins gemein gebraͤuchlichen
worten/ nicht nur mit eben dem nachtruck/ ſondern offters viel deutlicher konten
vorgetragen werden/ alſo hie beſchrieben ſind/ daß man ſie ſchwerlich faſſet/ oder
doch vieles nachſinnen bedarff/ biß man nur die eigendliche meynung begreifft/ da-
heꝛ den leuten ohne noth die ſachen ſchwereꝛ gemacht weꝛden. Es ſind einige redens-
arten/ in welchen mir ſcheinen gewiſſe lehr puncten/ welche von unſerer allgemeinen
lehr art (an dero ich doch aus Gottes wort annoch nie keinen mangel gruͤndlich ge-
zèigt geſehen habe) abgehen/ enthalten zu ſein; Jedoch weil ich deroſelben nicht ge-
wiß/ und in denẽ ungewoͤhnlichen reden ein anderer und beſſerer verſtand ſein kan/
als ich ihn vielleicht faſſe/ ſo laſſe ich ſolche biß zu weiterer unterſuchung ſo lange
billich ausgeſetzt. Jch haͤtte aber vor allen dingen wuͤnſchen moͤgen/ und verlangen

ſollen/
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[400/0418] Das ſechſte Capitel. SECTIO XV. Uber eines guten freundes Tractaͤtlein/ in dem unterſchiedliches anſtoͤßig gefunden. JCh habe vor acht tagen das an mich gethane/ geſtern aber auch das uͤber- ſante buͤchlein/ wohl empfangen. Bedancke mich zum forderſten/ ſo wohl der freundlichen uͤberſchickung als nochmahls bezeugenden guten vertrau- ens/ ſo mir angenehm iſt. Wie wuͤnſchte ich das gleiches vergnuͤgen uͤber das tractaͤtlein bezeugen konte! Jch habe daſſelbe aus einem communicirten exem- plar vergangenen freytag zwar gantz/ aber nicht anders als curſorie/ und wie es mir in gegenwertigen meß diſtraction muͤglich iſt/ durchgegangen/ daher zu mehr und gruͤndlicherem Judicio eine abermahlige und bedaͤchtlichere durchle- ſung noͤtig iſt. Derſelbe wird mir aber nicht in uͤbelem vermercken/ daß/ nach dem wirs untereinander ſchuldig ſind/ ich ihme offenhertzich meine gedancken da- von entdecke. Jch habe darinnen viele wichtige warheiten angetroffen/ welche fleißig zu treiben ſehr noͤtig iſt/ und ich ſelbſt wunſche/ das immer fort neue gele- genheit moͤge geſucht und gefunden werden/ dieſelbe ernſtlich zu inculciren. A- ber ich wuͤnſchte von hertzen/ daß ſolche warheiten auch auf dieſe art vorgetragen wuͤrden/ daß ſie ihren nutzen und zweck erhalten/ und nicht dem guten vielmehr/ ob wohl ohne des Autoris intention und meynung/ je dennoch aus verurſachung und ſchuld deß vortrags ſelbſt/ beſorglich ein ziemlicher anſtoß aufs neue gemacht werden moͤchte/ welches mit einigen geringen aͤnderungen/ welche auf guter freunde erinnerungen haͤtten geſchehen koͤnnen/ verhuͤtet werden moͤgen. Als ich meine neuliche apologiam gegen Dilfelden heraus geben wolte/ achtete ich in einer wichtigen ſach mich verbunden/ daß ich an 3. unterſchiedliche ort meinen aufſatz Chriſtlichen freunden communicirte/ deroſelben erinnerung daruͤber ein zuholen; wie gut waͤre es/ da es hier dergleichen geſchehen waͤre. Da ohne das derſelbige vor deme von treumeinenden freunden einige mahl verſtaͤndiget worden/ das ſei- ne art zu proponiren/ nicht alle mahl diejenige deutlichkeit habe/ welche von dem zuhoͤrer verlanget wuͤrde. Jch ſehe alſo auch in dieſen ſcripto/ das zum offtern dergleichen warheiten/ welche mit andern und faſt den ins gemein gebraͤuchlichen worten/ nicht nur mit eben dem nachtruck/ ſondern offters viel deutlicher konten vorgetragen werden/ alſo hie beſchrieben ſind/ daß man ſie ſchwerlich faſſet/ oder doch vieles nachſinnen bedarff/ biß man nur die eigendliche meynung begreifft/ da- heꝛ den leuten ohne noth die ſachen ſchwereꝛ gemacht weꝛden. Es ſind einige redens- arten/ in welchen mir ſcheinen gewiſſe lehr puncten/ welche von unſerer allgemeinen lehr art (an dero ich doch aus Gottes wort annoch nie keinen mangel gruͤndlich ge- zèigt geſehen habe) abgehen/ enthalten zu ſein; Jedoch weil ich deroſelben nicht ge- wiß/ und in denẽ ungewoͤhnlichen reden ein anderer und beſſerer verſtand ſein kan/ als ich ihn vielleicht faſſe/ ſo laſſe ich ſolche biß zu weiterer unterſuchung ſo lange billich ausgeſetzt. Jch haͤtte aber vor allen dingen wuͤnſchen moͤgen/ und verlangen ſollen/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/418>, abgerufen am 21.11.2024.