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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.

JHr schreiben war mir damahl in den obligenden haus sorgen und betrübten
zustand der meinigen die die meiste/ ehe die reye an mich kam/ auff den todt
kranck gelegen/ eine vergnügliche ergötzung und aufmunterung. Der
HERR HERR vergelte ihr an ihrer seel die liebe/ welche sie darinnen gegen
mich erzeiget/ und so eyfferig für mich zu dem HErrn betet. Und ach wie bedarff
ich so sehr/ daß mein armes und schwaches gebet von anderen gottseligen brüdern
und schwestern mit hertzlicher vorbitte für mich gestercket/ und GOtt so viel ange-
nehmer gemacht werde/ dz derer viele seyen/ die da mit bitten u. flehen in dem Geist
für mich beten/ auf das mir gegeben werde/ das wort mit freudigen auffthun mei-
nes mundes/ daß ich möge kund machen das geheimnüß des Evangelii/ auf daß ich
darinnen freudig handlen möge/ und reden wie sichs gebühret. Es ist ja unser amt
ein solches amt/ darinnen wir unsere pflicht ohne die sonderbahrste unsers GOttes
gnade und beystand nicht erfüllen mögen/ als an dem nicht nur unsere sondern so
viel anderer seelen ewiges heyl hänget. So ist auch absonderlich mein zustand
allhier so viel gefährlicher/ als mehrerer leute augen durch gute und böse gerüchte/
(so fast durch unsere gantze Evangelische kirch von unserm armen Franckfurth er-
schollen) auf mich und unsere hiesige gemeinde gerichtet seynd/ so wohl die übel wol-
lenden und durch die viele lästerungen eingenommenen/ welche nachmahlen alles
auf das ungleichste aufnehmen und auslegen/ als guther und rechtschaffenen see-
len/ welche eine freude ausdem jenigen/ was sie aus einiger guther hertzen liebrei-
chem urtheil von uns gutes gehöret hatten/ geschöpffet haben/ und sich also ge-
ziemen will/ daß mit ungleichem ersolg demselben nicht ein anstoß gesetzet werde.
Jn solchen dingen aber sich auf allen seiten weißlich zuhüten/ ist gewiß kein sache
von menschlichen kräften/ noch finde ich solche klugheit der gerechten in dem maß
bey mir/ als immer nöthig würde seyn/ und habe deswegen für die grösseste wohlthat
von lieben seelen zu achten welche für mich ihr seufftzen mit den meinigen vereinbah-
ren und mir die zu meinem amt nöthige gnade erbitten helffen. Es haben zwar di-
jenige calumnien, so nun etzlich jahr gewehret/ sich nun etwas geleget/ und
hat der läster-teuffel/ da die nichtigkeit seiner ausstreuung an das licht mehr
und mehr gekommen/ etwas stiller und behutsammer werden müssen/ daß
er nicht mehr so gar unverschämt auff unschuldige leute lästern darff/
aber doch läßt er seine tücken nicht/ und ist bey viele kleben geblieben/
wes/ ob wohl fälschlich ausgegeben/ dennoch ohne weiteres untersuchen/
willig von denjenigen auffgenommen ist worden/ welche gern von den guten böses
zuhören verlangt haben. Jndessen erkennen wir billich auch in diesem stück eine göttli-
che wohlthat/ da uns Gott durch solche feindselige lästerung/ in allem unserm thun/ so
viel vorsichtiger und behutsamer gemacht hat/ auff wort und wercke so viel genauer

acht
Das ſechſte Capitel.

JHr ſchreiben war mir damahl in den obligenden haus ſorgen und betruͤbten
zuſtand der meinigen die die meiſte/ ehe die reye an mich kam/ auff den todt
kranck gelegen/ eine vergnuͤgliche ergoͤtzung und aufmunterung. Der
HERR HERR vergelte ihr an ihrer ſeel die liebe/ welche ſie darinnen gegen
mich erzeiget/ und ſo eyfferig fuͤr mich zu dem HErrn betet. Und ach wie bedarff
ich ſo ſehr/ daß mein armes und ſchwaches gebet von anderen gottſeligen bruͤdern
und ſchweſtern mit hertzlicher vorbitte fuͤr mich geſtercket/ und GOtt ſo viel ange-
nehmer gemacht werde/ dz derer viele ſeyen/ die da mit bitten u. flehen in dem Geiſt
fuͤr mich beten/ auf das mir gegeben werde/ das wort mit freudigen auffthun mei-
nes mundes/ daß ich moͤge kund machen das geheimnuͤß des Evangelii/ auf daß ich
darinnen freudig handlen moͤge/ und reden wie ſichs gebuͤhret. Es iſt ja unſer amt
ein ſolches amt/ darinnen wir unſere pflicht ohne die ſonderbahrſte unſers GOttes
gnade und beyſtand nicht erfuͤllen moͤgen/ als an dem nicht nur unſere ſondern ſo
viel anderer ſeelen ewiges heyl haͤnget. So iſt auch abſonderlich mein zuſtand
allhier ſo viel gefaͤhrlicher/ als mehrerer leute augen durch gute und boͤſe geruͤchte/
(ſo faſt durch unſere gantze Evangeliſche kirch von unſerm armen Franckfurth er-
ſchollen) auf mich und unſere hieſige gemeinde gerichtet ſeynd/ ſo wohl die uͤbel wol-
lenden und durch die viele laͤſterungen eingenommenen/ welche nachmahlen alles
auf das ungleichſte aufnehmen und auslegen/ als guther und rechtſchaffenen ſee-
len/ welche eine freude ausdem jenigen/ was ſie aus einiger guther hertzen liebrei-
chem urtheil von uns gutes gehoͤret hatten/ geſchoͤpffet haben/ und ſich alſo ge-
ziemen will/ daß mit ungleichem erſolg demſelben nicht ein anſtoß geſetzet werde.
Jn ſolchen dingen aber ſich auf allen ſeiten weißlich zuhuͤten/ iſt gewiß kein ſache
von menſchlichen kraͤften/ noch finde ich ſolche klugheit der gerechten in dem maß
bey mir/ als immer noͤthig wuͤrde ſeyn/ und habe deswegen fuͤr die groͤſſeſte wohlthat
von lieben ſeelen zu achten welche fuͤr mich ihr ſeufftzen mit den meinigen vereinbah-
ren und mir die zu meinem amt noͤthige gnade erbitten helffen. Es haben zwar di-
jenige calumnien, ſo nun etzlich jahr gewehret/ ſich nun etwas geleget/ und
hat der laͤſter-teuffel/ da die nichtigkeit ſeiner ausſtreuung an das licht mehr
und mehr gekommen/ etwas ſtiller und behutſammer werden muͤſſen/ daß
er nicht mehr ſo gar unverſchaͤmt auff unſchuldige leute laͤſtern darff/
aber doch laͤßt er ſeine tuͤcken nicht/ und iſt bey viele kleben geblieben/
wes/ ob wohl faͤlſchlich ausgegeben/ dennoch ohne weiteres unterſuchen/
willig von denjenigen auffgenommen iſt worden/ welche gern von den guten boͤſes
zuhoͤren verlangt haben. Jndeſſen erkeñen wir billich auch in dieſem ſtuͤck eine goͤttli-
che wohlthat/ da uns Gott durch ſolche feindſelige laͤſterung/ in allem unſerm thun/ ſo
viel vorſichtiger und behutſamer gemacht hat/ auff wort und wercke ſo viel genauer

acht
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[306[308]/0326] Das ſechſte Capitel. JHr ſchreiben war mir damahl in den obligenden haus ſorgen und betruͤbten zuſtand der meinigen die die meiſte/ ehe die reye an mich kam/ auff den todt kranck gelegen/ eine vergnuͤgliche ergoͤtzung und aufmunterung. Der HERR HERR vergelte ihr an ihrer ſeel die liebe/ welche ſie darinnen gegen mich erzeiget/ und ſo eyfferig fuͤr mich zu dem HErrn betet. Und ach wie bedarff ich ſo ſehr/ daß mein armes und ſchwaches gebet von anderen gottſeligen bruͤdern und ſchweſtern mit hertzlicher vorbitte fuͤr mich geſtercket/ und GOtt ſo viel ange- nehmer gemacht werde/ dz derer viele ſeyen/ die da mit bitten u. flehen in dem Geiſt fuͤr mich beten/ auf das mir gegeben werde/ das wort mit freudigen auffthun mei- nes mundes/ daß ich moͤge kund machen das geheimnuͤß des Evangelii/ auf daß ich darinnen freudig handlen moͤge/ und reden wie ſichs gebuͤhret. Es iſt ja unſer amt ein ſolches amt/ darinnen wir unſere pflicht ohne die ſonderbahrſte unſers GOttes gnade und beyſtand nicht erfuͤllen moͤgen/ als an dem nicht nur unſere ſondern ſo viel anderer ſeelen ewiges heyl haͤnget. So iſt auch abſonderlich mein zuſtand allhier ſo viel gefaͤhrlicher/ als mehrerer leute augen durch gute und boͤſe geruͤchte/ (ſo faſt durch unſere gantze Evangeliſche kirch von unſerm armen Franckfurth er- ſchollen) auf mich und unſere hieſige gemeinde gerichtet ſeynd/ ſo wohl die uͤbel wol- lenden und durch die viele laͤſterungen eingenommenen/ welche nachmahlen alles auf das ungleichſte aufnehmen und auslegen/ als guther und rechtſchaffenen ſee- len/ welche eine freude ausdem jenigen/ was ſie aus einiger guther hertzen liebrei- chem urtheil von uns gutes gehoͤret hatten/ geſchoͤpffet haben/ und ſich alſo ge- ziemen will/ daß mit ungleichem erſolg demſelben nicht ein anſtoß geſetzet werde. Jn ſolchen dingen aber ſich auf allen ſeiten weißlich zuhuͤten/ iſt gewiß kein ſache von menſchlichen kraͤften/ noch finde ich ſolche klugheit der gerechten in dem maß bey mir/ als immer noͤthig wuͤrde ſeyn/ und habe deswegen fuͤr die groͤſſeſte wohlthat von lieben ſeelen zu achten welche fuͤr mich ihr ſeufftzen mit den meinigen vereinbah- ren und mir die zu meinem amt noͤthige gnade erbitten helffen. Es haben zwar di- jenige calumnien, ſo nun etzlich jahr gewehret/ ſich nun etwas geleget/ und hat der laͤſter-teuffel/ da die nichtigkeit ſeiner ausſtreuung an das licht mehr und mehr gekommen/ etwas ſtiller und behutſammer werden muͤſſen/ daß er nicht mehr ſo gar unverſchaͤmt auff unſchuldige leute laͤſtern darff/ aber doch laͤßt er ſeine tuͤcken nicht/ und iſt bey viele kleben geblieben/ wes/ ob wohl faͤlſchlich ausgegeben/ dennoch ohne weiteres unterſuchen/ willig von denjenigen auffgenommen iſt worden/ welche gern von den guten boͤſes zuhoͤren verlangt haben. Jndeſſen erkeñen wir billich auch in dieſem ſtuͤck eine goͤttli- che wohlthat/ da uns Gott durch ſolche feindſelige laͤſterung/ in allem unſerm thun/ ſo viel vorſichtiger und behutſamer gemacht hat/ auff wort und wercke ſo viel genauer acht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 306[308]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/326>, abgerufen am 22.11.2024.