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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
Göttliche gnade/ friede und sogen in CHRJSTO
JESU!
Wohl Ehrwürdiger/ Großachtbarer/ Hochgelehrter Herr/
Jnsonders Hochgeehrter Amts-Bruder.

DEsselben an mich abgegebenes habe gestern empfangen/ weil aber erst von
meiner unpäßlichkeit aufstehe/ auch noch nicht außgehen oder meiner ge-
schäfften völlig abwarten kan/ so dann die fuhren morgen wieder abgehen/
so kan nicht anders/ als kürtzlich allein antworten. Die mittel welche in den piis
desideriis
zu der besserung der Evangelischen kirchen vorgeschlagen/ ligen an dem
tag/ die fleißigere übung des göttlichen worts/ einführung des Geistlichen Priester-
thums/ treibung auf die praxin, Christliche begegnüß gegen die irreglaubige/ sorg-
fältige erziehung der kirchen nützlicher Studiosorum, und fleißige einrichtung der
predigten auf den innern menschen. Daß solche nicht weiter hie zu erzehlen. Jch
weiß aber nicht/ wie eben die predigt Joh. 1/ 20. in solche materie gemischet wer-
de/ als welche/ da sie von einem paradoxo Christiano vornemlich zu diesem zweck
handelt/ unsers lieben vaters Lutheri so hart lautende rede zu erklähren/ wie
sie Christlich und tröstlich verstanden werden möge/ also zum zweck nicht gehabt/
sie unter die mittel der besserung der kirchen insgemein vorzulegen. So wird
man auch sonsten von mir weder hören noch le[s]en/ daß solche proposition, ich bin
Christus/
jemahl gebrauchte/ als der ich wol weiß/ daß dieselbe/ wo sie nicht ex
professo
u. weitläufftig tractiret wird/ daß man allen ungleichen verstand remo-
vi
ret/ und den rechten ausführet/ gar in unziemlichen verstand von den auditoribus
würde gefast werden. Also habe ich gezeigt/ nicht welcher formul wir uns or-
dentlich zu gebrauchen haben/ sondern wie solche formul einen guten und göttlichem
wort gemässen verstand haben möge. Was aber die materie selbst von der genau-
en vereinigung mit Christo anlangt/ bekenne [g]ern/ daß sie unter die jenige gehöre/
die in dem sechsten mittel gemeint/ wie die predigten auf den inneren und neuen men-
schen zurichten seyen. So hoffe ich auch/ daß sie/ wo sie recht erkant wird/ weder
von meinen hochgeehrten Herrn noch einigem rechtschaffenen Theologo möge ge-
leugnet werden. Mein hochgeehrter Herr gestehet mir/ daß Christus in den gläu-
bigen wohne und würcke: Was ists anders/ daß ich auch sage? dann ich hoffe nicht
daß derselbe es werde vor eine solche wohnung halten/ wie sonsten einer in einem
hauß wohnet/ sondern es muß eine wohnung seyn/ mit dero der einwohnende ver-
einiget ist/ wie so viele ort der Schrifft nach genüge weisen/ also daß die wohnung
von ihm leben und krafft hat/ und was der mensch thut/ nicht mehr bloß sein eigen/

sou-
Das ſechſte Capitel.
Goͤttliche gnade/ friede und ſogen in CHRJSTO
JESU!
Wohl Ehrwuͤrdiger/ Großachtbarer/ Hochgelehrter Herr/
Jnſonders Hochgeehrter Amts-Bruder.

DEſſelben an mich abgegebenes habe geſtern empfangen/ weil aber erſt von
meiner unpaͤßlichkeit aufſtehe/ auch noch nicht außgehen oder meiner ge-
ſchaͤfften voͤllig abwarten kan/ ſo dann die fuhren morgen wieder abgehen/
ſo kan nicht anders/ als kuͤrtzlich allein antworten. Die mittel welche in den piis
deſideriis
zu der beſſerung der Evangeliſchen kirchen vorgeſchlagen/ ligen an dem
tag/ die fleißigere uͤbung des goͤttlichen worts/ einfuͤhrung des Geiſtlichen Prieſter-
thums/ treibung auf die praxin, Chriſtliche begegnuͤß gegen die irreglaubige/ ſorg-
faͤltige erziehung der kirchen nuͤtzlicher Studioſorum, und fleißige einrichtung der
predigten auf den innern menſchen. Daß ſolche nicht weiter hie zu erzehlen. Jch
weiß aber nicht/ wie eben die predigt Joh. 1/ 20. in ſolche materie gemiſchet wer-
de/ als welche/ da ſie von einem paradoxo Chriſtiano vornemlich zu dieſem zweck
handelt/ unſers lieben vaters Lutheri ſo hart lautende rede zu erklaͤhren/ wie
ſie Chriſtlich und troͤſtlich verſtanden werden moͤge/ alſo zum zweck nicht gehabt/
ſie unter die mittel der beſſerung der kirchen insgemein vorzulegen. So wird
man auch ſonſten von mir weder hoͤren noch le[ſ]en/ daß ſolche propoſition, ich bin
Chriſtus/
jemahl gebrauchte/ als der ich wol weiß/ daß dieſelbe/ wo ſie nicht ex
profeſſo
u. weitlaͤufftig tractiret wird/ daß man allen ungleichen verſtand remo-
vi
ret/ und den rechten ausfuͤhret/ gar in unziemlichen verſtand von den auditoribus
wuͤrde gefaſt werden. Alſo habe ich gezeigt/ nicht welcher formul wir uns or-
dentlich zu gebrauchen haben/ ſondern wie ſolche formul einen guten und goͤttlichem
wort gemaͤſſen verſtand haben moͤge. Was aber die materie ſelbſt von der genau-
en vereinigung mit Chriſto anlangt/ bekenne [g]ern/ daß ſie unter die jenige gehoͤre/
die in dem ſechſten mittel gemeint/ wie die predigten auf den iñeren und neuen men-
ſchen zurichten ſeyen. So hoffe ich auch/ daß ſie/ wo ſie recht erkant wird/ weder
von meinen hochgeehꝛten Herrn noch einigem rechtſchaffenen Theologo moͤge ge-
leugnet werden. Mein hochgeehrter Herr geſtehet mir/ daß Chriſtus in den glaͤu-
bigen wohne und wuͤrcke: Was iſts anders/ daß ich auch ſage? dañ ich hoffe nicht
daß derſelbe es werde vor eine ſolche wohnung halten/ wie ſonſten einer in einem
hauß wohnet/ ſondern es muß eine wohnung ſeyn/ mit dero der einwohnende ver-
einiget iſt/ wie ſo viele ort der Schrifft nach genuͤge weiſen/ alſo daß die wohnung
von ihm leben und krafft hat/ und was der menſch thut/ nicht mehr bloß ſein eigen/

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[302[304]/0322] Das ſechſte Capitel. Goͤttliche gnade/ friede und ſogen in CHRJSTO JESU! Wohl Ehrwuͤrdiger/ Großachtbarer/ Hochgelehrter Herr/ Jnſonders Hochgeehrter Amts-Bruder. DEſſelben an mich abgegebenes habe geſtern empfangen/ weil aber erſt von meiner unpaͤßlichkeit aufſtehe/ auch noch nicht außgehen oder meiner ge- ſchaͤfften voͤllig abwarten kan/ ſo dann die fuhren morgen wieder abgehen/ ſo kan nicht anders/ als kuͤrtzlich allein antworten. Die mittel welche in den piis deſideriis zu der beſſerung der Evangeliſchen kirchen vorgeſchlagen/ ligen an dem tag/ die fleißigere uͤbung des goͤttlichen worts/ einfuͤhrung des Geiſtlichen Prieſter- thums/ treibung auf die praxin, Chriſtliche begegnuͤß gegen die irreglaubige/ ſorg- faͤltige erziehung der kirchen nuͤtzlicher Studioſorum, und fleißige einrichtung der predigten auf den innern menſchen. Daß ſolche nicht weiter hie zu erzehlen. Jch weiß aber nicht/ wie eben die predigt Joh. 1/ 20. in ſolche materie gemiſchet wer- de/ als welche/ da ſie von einem paradoxo Chriſtiano vornemlich zu dieſem zweck handelt/ unſers lieben vaters Lutheri ſo hart lautende rede zu erklaͤhren/ wie ſie Chriſtlich und troͤſtlich verſtanden werden moͤge/ alſo zum zweck nicht gehabt/ ſie unter die mittel der beſſerung der kirchen insgemein vorzulegen. So wird man auch ſonſten von mir weder hoͤren noch leſen/ daß ſolche propoſition, ich bin Chriſtus/ jemahl gebrauchte/ als der ich wol weiß/ daß dieſelbe/ wo ſie nicht ex profeſſo u. weitlaͤufftig tractiret wird/ daß man allen ungleichen verſtand remo- viret/ und den rechten ausfuͤhret/ gar in unziemlichen verſtand von den auditoribus wuͤrde gefaſt werden. Alſo habe ich gezeigt/ nicht welcher formul wir uns or- dentlich zu gebrauchen haben/ ſondern wie ſolche formul einen guten und goͤttlichem wort gemaͤſſen verſtand haben moͤge. Was aber die materie ſelbſt von der genau- en vereinigung mit Chriſto anlangt/ bekenne gern/ daß ſie unter die jenige gehoͤre/ die in dem ſechſten mittel gemeint/ wie die predigten auf den iñeren und neuen men- ſchen zurichten ſeyen. So hoffe ich auch/ daß ſie/ wo ſie recht erkant wird/ weder von meinen hochgeehꝛten Herrn noch einigem rechtſchaffenen Theologo moͤge ge- leugnet werden. Mein hochgeehrter Herr geſtehet mir/ daß Chriſtus in den glaͤu- bigen wohne und wuͤrcke: Was iſts anders/ daß ich auch ſage? dañ ich hoffe nicht daß derſelbe es werde vor eine ſolche wohnung halten/ wie ſonſten einer in einem hauß wohnet/ ſondern es muß eine wohnung ſeyn/ mit dero der einwohnende ver- einiget iſt/ wie ſo viele ort der Schrifft nach genuͤge weiſen/ alſo daß die wohnung von ihm leben und krafft hat/ und was der menſch thut/ nicht mehr bloß ſein eigen/ ſou-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 302[304]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/322>, abgerufen am 25.11.2024.