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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XXVII.
Landgraff zu Darmstatt/ aus einiges vornehmen Theologi beybringen/ die sa-
che fast nicht wohl empfunden/ und eine starcke anzahl der gedruckten exemplari-
en selbst auffgekaufft/ damit es etlicher massen mögte supprimiret werden/ so doch
nicht möglich war/ nach deme so viel 100. anderwertlich hin bereits versendet ge-
wesen. Auff dieses haben die beyde Consistoria zu Giessen und Darmstatt ein
ausschreiben an ihre Prediger trucken lassen/ darinnen sie allein generaliter be-
zeugen/ daß sie dergleichen tractätlein nicht approbiren könten/ und verbiethen im
nahmen des Fürsten/ daß niemand von dessen unterthanen von dieser materie we-
der davor noch darwider schreiben solte. Weilen sie aber selbst in dem ausschrei-
ben gedencken/ daß dergleichen gottselige zusammen kunfften eine solche sache seyen/
dabey viel nützliche/ sehr herrliche/ recht christliche und erbauliche dinge erinnert
und eingeführet/ auch bey einen und andern dardurch grosser nutze geschaffet wer-
den mögen/ nehme ich solche bekantnüß zu danck an/ und wann hingegen demselben
nichts entgegen gesetzet wird/ als daß dergleichen von Christo nicht eingesetzet noch
jemahlen nach der Apostel zeit in übung gewesen/ so dann daraus schaden und un-
heil entstehen mögte/ und etwa entstanden seye. So bewegen mich die angeführ-
te momenta nichts/ in dem das erste nicht gestanden/ sondern leicht werden wird/
zu zeigen/ daß die erbauung unter einander GOttes befehl/ und in der ersten kir-
chen stätig üblich gewesen; was die besorgende gefahren anlanget/ können keine
mehrere gezeiget werden/ als uns die Papisten pflegen entgegen zu halten/ wo wir
allen leuthen die lesung der Bibel wollen gemein haben/ um welcher einwürffe wil-
len aber wir gleichwol biß daher nichts in unser lehr geändert haben. Jch hätte
nicht ungern gesehen/ wo auch von dieser materie publice dargegen gehandlet
worden wäre/ damit aus gegenhaltung beyderseits argumenten die warheit so
viel klährer hervor leuchtete. Es ist einmahl dieses ein nicht geringes mittel/ daß
das wahre Christenthum rechtschaffen unter die leuthe und in die hertzen gebracht
würde. Nun haben wir ja auff alle/ GOttes wort gemässe/ mittel zusinnen/
und sie zu suchen/ damit wir solchen wichtigen zweck erlangen mögen. Es bedarfs
je unsere kirche wol/ will sie nicht anderst noch erschrecklichere gerichte/ als jetzo sich
zeigen/ erwarten/ und nicht erfahren/ daß GOtt seine wohnung zu Silo verlassen/
und sie anderwertlich auffschlagen möchte. Man spüret zwar eine kräfftige erre-
gung der gemüther an sehr vielen orten/ theils selbst unter Theologis, theils Poli-
ticis,
ja gantz gemeinen und geringen leuthen/ daß man anfängt zu erkennen/
auff die art/ wie sich der grosse hauffe eingebildet habe/ lasse sich die seligkeit nicht
erlangen/ sondern wir müssen gantz anders zu der sache thun. Dahero bey vielen eine
hertzliche resolution entstehet/ rechtschaffen zu werden/ und hindangesetzt alles
weltlichen respects nach dem willen unsers Heylands sich anzuschicken. Dar-
über zwar auch andere/ sonderlich die den nahmen der geistlichen tragen/ darzu er-

re-
Ff

ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XXVII.
Landgraff zu Darmſtatt/ aus einiges vornehmen Theologi beybringen/ die ſa-
che faſt nicht wohl empfunden/ und eine ſtarcke anzahl der gedruckten exemplari-
en ſelbſt auffgekaufft/ damit es etlicher maſſen moͤgte ſupprimiret werden/ ſo doch
nicht moͤglich war/ nach deme ſo viel 100. anderwertlich hin bereits verſendet ge-
weſen. Auff dieſes haben die beyde Conſiſtoria zu Gieſſen und Darmſtatt ein
ausſchreiben an ihre Prediger trucken laſſen/ darinnen ſie allein generaliter be-
zeugen/ daß ſie dergleichen tractaͤtlein nicht approbiren koͤnten/ und verbiethen im
nahmen des Fuͤrſten/ daß niemand von deſſen unterthanen von dieſer materie we-
der davor noch darwider ſchreiben ſolte. Weilen ſie aber ſelbſt in dem ausſchrei-
ben gedencken/ daß dergleichen gottſelige zuſammen kunfften eine ſolche ſache ſeyen/
dabey viel nuͤtzliche/ ſehr herrliche/ recht chriſtliche und erbauliche dinge erinnert
und eingefuͤhret/ auch bey einen und andern dardurch groſſer nutze geſchaffet wer-
den moͤgen/ nehme ich ſolche bekantnuͤß zu danck an/ und wann hingegen demſelben
nichts entgegen geſetzet wird/ als daß dergleichen von Chriſto nicht eingeſetzet noch
jemahlen nach der Apoſtel zeit in uͤbung geweſen/ ſo dann daraus ſchaden und un-
heil entſtehen moͤgte/ und etwa entſtanden ſeye. So bewegen mich die angefuͤhr-
te momenta nichts/ in dem das erſte nicht geſtanden/ ſondern leicht werden wird/
zu zeigen/ daß die erbauung unter einander GOttes befehl/ und in der erſten kir-
chen ſtaͤtig uͤblich geweſen; was die beſorgende gefahren anlanget/ koͤnnen keine
mehrere gezeiget werden/ als uns die Papiſten pflegen entgegen zu halten/ wo wir
allen leuthen die leſung der Bibel wollen gemein haben/ um welcher einwuͤrffe wil-
len aber wir gleichwol biß daher nichts in unſer lehr geaͤndert haben. Jch haͤtte
nicht ungern geſehen/ wo auch von dieſer materie publice dargegen gehandlet
worden waͤre/ damit aus gegenhaltung beyderſeits argumenten die warheit ſo
viel klaͤhrer hervor leuchtete. Es iſt einmahl dieſes ein nicht geringes mittel/ daß
das wahre Chriſtenthum rechtſchaffen unter die leuthe und in die hertzen gebracht
wuͤrde. Nun haben wir ja auff alle/ GOttes wort gemaͤſſe/ mittel zuſinnen/
und ſie zu ſuchen/ damit wir ſolchen wichtigen zweck erlangen moͤgen. Es bedarfs
je unſere kirche wol/ will ſie nicht anderſt noch erſchrecklichere gerichte/ als jetzo ſich
zeigen/ erwarten/ und nicht erfahren/ daß GOtt ſeine wohnung zu Silo verlaſſen/
und ſie anderwertlich auffſchlagen moͤchte. Man ſpuͤret zwar eine kraͤfftige erre-
gung der gemuͤther an ſehr vielen orten/ theils ſelbſt unter Theologis, theils Poli-
ticis,
ja gantz gemeinen und geringen leuthen/ daß man anfaͤngt zu erkennen/
auff die art/ wie ſich der groſſe hauffe eingebildet habe/ laſſe ſich die ſeligkeit nicht
erlangen/ ſondern wir muͤſſen gantz anders zu der ſache thun. Dahero bey vielen eine
hertzliche reſolution entſtehet/ rechtſchaffen zu werden/ und hindangeſetzt alles
weltlichen reſpects nach dem willen unſers Heylands ſich anzuſchicken. Dar-
uͤber zwar auch andere/ ſonderlich die den nahmen der geiſtlichen tragen/ darzu er-

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Ff
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[223[225]/0243] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XXVII. Landgraff zu Darmſtatt/ aus einiges vornehmen Theologi beybringen/ die ſa- che faſt nicht wohl empfunden/ und eine ſtarcke anzahl der gedruckten exemplari- en ſelbſt auffgekaufft/ damit es etlicher maſſen moͤgte ſupprimiret werden/ ſo doch nicht moͤglich war/ nach deme ſo viel 100. anderwertlich hin bereits verſendet ge- weſen. Auff dieſes haben die beyde Conſiſtoria zu Gieſſen und Darmſtatt ein ausſchreiben an ihre Prediger trucken laſſen/ darinnen ſie allein generaliter be- zeugen/ daß ſie dergleichen tractaͤtlein nicht approbiren koͤnten/ und verbiethen im nahmen des Fuͤrſten/ daß niemand von deſſen unterthanen von dieſer materie we- der davor noch darwider ſchreiben ſolte. Weilen ſie aber ſelbſt in dem ausſchrei- ben gedencken/ daß dergleichen gottſelige zuſammen kunfften eine ſolche ſache ſeyen/ dabey viel nuͤtzliche/ ſehr herrliche/ recht chriſtliche und erbauliche dinge erinnert und eingefuͤhret/ auch bey einen und andern dardurch groſſer nutze geſchaffet wer- den moͤgen/ nehme ich ſolche bekantnuͤß zu danck an/ und wann hingegen demſelben nichts entgegen geſetzet wird/ als daß dergleichen von Chriſto nicht eingeſetzet noch jemahlen nach der Apoſtel zeit in uͤbung geweſen/ ſo dann daraus ſchaden und un- heil entſtehen moͤgte/ und etwa entſtanden ſeye. So bewegen mich die angefuͤhr- te momenta nichts/ in dem das erſte nicht geſtanden/ ſondern leicht werden wird/ zu zeigen/ daß die erbauung unter einander GOttes befehl/ und in der erſten kir- chen ſtaͤtig uͤblich geweſen; was die beſorgende gefahren anlanget/ koͤnnen keine mehrere gezeiget werden/ als uns die Papiſten pflegen entgegen zu halten/ wo wir allen leuthen die leſung der Bibel wollen gemein haben/ um welcher einwuͤrffe wil- len aber wir gleichwol biß daher nichts in unſer lehr geaͤndert haben. Jch haͤtte nicht ungern geſehen/ wo auch von dieſer materie publice dargegen gehandlet worden waͤre/ damit aus gegenhaltung beyderſeits argumenten die warheit ſo viel klaͤhrer hervor leuchtete. Es iſt einmahl dieſes ein nicht geringes mittel/ daß das wahre Chriſtenthum rechtſchaffen unter die leuthe und in die hertzen gebracht wuͤrde. Nun haben wir ja auff alle/ GOttes wort gemaͤſſe/ mittel zuſinnen/ und ſie zu ſuchen/ damit wir ſolchen wichtigen zweck erlangen moͤgen. Es bedarfs je unſere kirche wol/ will ſie nicht anderſt noch erſchrecklichere gerichte/ als jetzo ſich zeigen/ erwarten/ und nicht erfahren/ daß GOtt ſeine wohnung zu Silo verlaſſen/ und ſie anderwertlich auffſchlagen moͤchte. Man ſpuͤret zwar eine kraͤfftige erre- gung der gemuͤther an ſehr vielen orten/ theils ſelbſt unter Theologis, theils Poli- ticis, ja gantz gemeinen und geringen leuthen/ daß man anfaͤngt zu erkennen/ auff die art/ wie ſich der groſſe hauffe eingebildet habe/ laſſe ſich die ſeligkeit nicht erlangen/ ſondern wir muͤſſen gantz anders zu der ſache thun. Dahero bey vielen eine hertzliche reſolution entſtehet/ rechtſchaffen zu werden/ und hindangeſetzt alles weltlichen reſpects nach dem willen unſers Heylands ſich anzuſchicken. Dar- uͤber zwar auch andere/ ſonderlich die den nahmen der geiſtlichen tragen/ darzu er- re- Ff

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 223[225]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/243>, abgerufen am 25.11.2024.