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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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zu haben/ sondern auch ferner auffmuntert/ so wol selbs meines orts zu versuchen/
was zu der ehre GOttes dienlich/ als auch andere der Herren fratrum, bey denen
ich einen eyffer zu göttlicher ehre zu seyn weiß/ mit mir zu animiren, welcher auch
jeder seines orts all sein vermögen daran zu strecken sich entschliessen möchten/ wie
auch durch göttlichen segen unterschiedlicher orten etwas ein anfang gemacht
zu seyn/ mit freuden von zeit zu zeit versichert werde. Es ist freylich an deme wie
E. Wol Ehrw. recht bemercken/ daß auch bey den jenigen/ so Evangelisch seyn wol-
len/ zimlichen theils nicht ein Christ-sondern Anti-Christenthum ist. Und
dörffen wir/ nach dem wir den Päpstlichen stuhl zu Rom des grossen Antichrists
sitz zu seyn durch GOttes gnade erkant/ nicht sicher zu hause seyn/ und meinen/ wir
hätten nichts von keinen kleinen Antichristen unter und um uns: die leider mehr als
zu viel schaden thun. Und sehe ich wie niemand dessen in abrede seyn möge/ er wol-
le denn Christum/ wie er uns nicht nur zur gabe sondern auch zum exempel gegeben
ist/ und seine lehr von glauben und leben/ gefährlicher weise von einander trennen:
welches je nicht Christen sondern wider-Christen zu kommt. Jn dem jenen alles
an ihrem Heyland lieb und angenehm ist/ diese verlangen nichts von ihm als was
ihrem fleisch noch anmuthig scheint/ und erlangen damit auch das jenige nicht/ was
sie hoffen/ in dem sich Christi wohlthaten nicht trennen lassen/ und wer ihn nicht so
wohl in der erneuerung haben will/ der soll auch seiner zugerechneten gerechtigkeit
nicht theilhafftig werden. Wie die Schrifft aller orten treibet/ und aus derosel-
ben der theure reformator unser kirchen Lutherus (so in wol angezogen ort/ als
fast unzehlich viel andern stellen) dermassen hertzlich ausgeführet/ daß die jenige so
wenig sich Lutherisch als Christlich zu seyn rühmen mögen/ welche entweder sothaner
lehr gram sind/ und sie vor eine wiedererweckung des Papstums ausschreyen wol-
len/ oder nachdero selben ihr leben anzurichten sich nicht angelegen seyn lassen.
Was aber die mittel anlanget/ wie dann dem verderbeten wesen zu steuren seye/ so
habe gern vernommen/ das E. Wol Ehrw. die einfältig von mir vorgeschlagene ih-
ro nicht mißfallen lassen/ und was zu der selbigen werckstelligung vonjeglichem stan-
de erfordert werde/ so wol vernünfftig außführen/ als göttlichen segen/ ohn welchen
der pflantzende und begiessende nichts auszurichten vermag/ anwünschen. Jndes-
sen zweiffle/ daß zu jetziger zeit annoch zuerwarten seye/ daß publica autoritate
das werck kräfftig geführet/ oder eine reformation auff dergleichen art nützlich
angestellet we[r]de werden/ sondern GOtt hat gemeiniglich durch verachteten an-
fang und unscheinbare mittel sein werck gethan. Jch werde mich aber erfreuen/
und eines mehrern successes hoffnung schöpffen/ wo wir/ die wir mit ernst es mit
der kirchen besten meinen/ nur erstlich unter einander uns recht brüderlich ermun-
tern/ und jeglicher sich dieses allein vornehmen/ an seinem ort nach vermögen zu-
thun/ so denn wo er vermag/ auch andere freunde/ neben sich eine lust und eyffer
dazu zu machen. Auch in unserm eigenen amt komme ich mehr und mehr auff die ge-

dan-
R 2

ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXIX.
zu haben/ ſondern auch ferner auffmuntert/ ſo wol ſelbs meines orts zu verſuchen/
was zu der ehre GOttes dienlich/ als auch andere der Herren fratrum, bey denen
ich einen eyffer zu goͤttlicher ehre zu ſeyn weiß/ mit mir zu animiren, welcher auch
jeder ſeines orts all ſein vermoͤgen daran zu ſtrecken ſich entſchlieſſen moͤchten/ wie
auch durch goͤttlichen ſegen unterſchiedlicher orten etwas ein anfang gemacht
zu ſeyn/ mit freuden von zeit zu zeit verſichert werde. Es iſt freylich an deme wie
E. Wol Ehrw. recht bemercken/ daß auch bey den jenigen/ ſo Evangeliſch ſeyn wol-
len/ zimlichen theils nicht ein Chriſt-ſondern Anti-Chriſtenthum iſt. Und
doͤrffen wir/ nach dem wir den Paͤpſtlichen ſtuhl zu Rom des groſſen Antichriſts
ſitz zu ſeyn durch GOttes gnade erkant/ nicht ſicher zu hauſe ſeyn/ und meinen/ wir
haͤtten nichts von keinen kleinen Antichriſten unter und um uns: die leider mehr als
zu viel ſchaden thun. Und ſehe ich wie niemand deſſen in abrede ſeyn moͤge/ er wol-
le denn Chriſtum/ wie er uns nicht nur zur gabe ſondern auch zum exempel gegeben
iſt/ und ſeine lehr von glauben und leben/ gefaͤhrlicher weiſe von einander trennen:
welches je nicht Chriſten ſondern wider-Chriſten zu kommt. Jn dem jenen alles
an ihrem Heyland lieb und angenehm iſt/ dieſe verlangen nichts von ihm als was
ihrem fleiſch noch anmuthig ſcheint/ und erlangen damit auch das jenige nicht/ was
ſie hoffen/ in dem ſich Chriſti wohlthaten nicht trennen laſſen/ und wer ihn nicht ſo
wohl in der erneuerung haben will/ der ſoll auch ſeiner zugerechneten gerechtigkeit
nicht theilhafftig werden. Wie die Schrifft aller orten treibet/ und aus deroſel-
ben der theure reformator unſer kirchen Lutherus (ſo in wol angezogen ort/ als
faſt unzehlich viel andern ſtellen) dermaſſen hertzlich ausgefuͤhret/ daß die jenige ſo
wenig ſich Lutheriſch als Chriſtlich zu ſeyn ruͤhmen moͤgen/ welche entweder ſothaner
lehr gram ſind/ und ſie vor eine wiedererweckung des Papſtums ausſchreyen wol-
len/ oder nachdero ſelben ihr leben anzurichten ſich nicht angelegen ſeyn laſſen.
Was aber die mittel anlanget/ wie dann dem verderbeten weſen zu ſteuren ſeye/ ſo
habe gern vernommen/ das E. Wol Ehrw. die einfaͤltig von mir vorgeſchlagene ih-
ro nicht mißfallen laſſen/ und was zu der ſelbigen werckſtelligung vonjeglichem ſtan-
de erfordert werde/ ſo wol vernuͤnfftig außfuͤhren/ als goͤttlichen ſegen/ ohn welchen
der pflantzende und begieſſende nichts auszurichten vermag/ anwuͤnſchen. Jndeſ-
ſen zweiffle/ daß zu jetziger zeit annoch zuerwarten ſeye/ daß publica autoritate
das werck kraͤfftig gefuͤhret/ oder eine reformation auff dergleichen art nuͤtzlich
angeſtellet we[r]de werden/ ſondern GOtt hat gemeiniglich durch verachteten an-
fang und unſcheinbare mittel ſein werck gethan. Jch werde mich aber erfreuen/
und eines mehrern ſucceſſes hoffnung ſchoͤpffen/ wo wir/ die wir mit ernſt es mit
der kirchen beſten meinen/ nur erſtlich unter einander uns recht bruͤderlich ermun-
tern/ und jeglicher ſich dieſes allein vornehmen/ an ſeinem ort nach vermoͤgen zu-
thun/ ſo denn wo er vermag/ auch andere freunde/ neben ſich eine luſt und eyffer
dazu zu machen. Auch in unſerm eigenen amt kom̃e ich mehr und mehr auff die ge-

dan-
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[131/0149] ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXIX. zu haben/ ſondern auch ferner auffmuntert/ ſo wol ſelbs meines orts zu verſuchen/ was zu der ehre GOttes dienlich/ als auch andere der Herren fratrum, bey denen ich einen eyffer zu goͤttlicher ehre zu ſeyn weiß/ mit mir zu animiren, welcher auch jeder ſeines orts all ſein vermoͤgen daran zu ſtrecken ſich entſchlieſſen moͤchten/ wie auch durch goͤttlichen ſegen unterſchiedlicher orten etwas ein anfang gemacht zu ſeyn/ mit freuden von zeit zu zeit verſichert werde. Es iſt freylich an deme wie E. Wol Ehrw. recht bemercken/ daß auch bey den jenigen/ ſo Evangeliſch ſeyn wol- len/ zimlichen theils nicht ein Chriſt-ſondern Anti-Chriſtenthum iſt. Und doͤrffen wir/ nach dem wir den Paͤpſtlichen ſtuhl zu Rom des groſſen Antichriſts ſitz zu ſeyn durch GOttes gnade erkant/ nicht ſicher zu hauſe ſeyn/ und meinen/ wir haͤtten nichts von keinen kleinen Antichriſten unter und um uns: die leider mehr als zu viel ſchaden thun. Und ſehe ich wie niemand deſſen in abrede ſeyn moͤge/ er wol- le denn Chriſtum/ wie er uns nicht nur zur gabe ſondern auch zum exempel gegeben iſt/ und ſeine lehr von glauben und leben/ gefaͤhrlicher weiſe von einander trennen: welches je nicht Chriſten ſondern wider-Chriſten zu kommt. Jn dem jenen alles an ihrem Heyland lieb und angenehm iſt/ dieſe verlangen nichts von ihm als was ihrem fleiſch noch anmuthig ſcheint/ und erlangen damit auch das jenige nicht/ was ſie hoffen/ in dem ſich Chriſti wohlthaten nicht trennen laſſen/ und wer ihn nicht ſo wohl in der erneuerung haben will/ der ſoll auch ſeiner zugerechneten gerechtigkeit nicht theilhafftig werden. Wie die Schrifft aller orten treibet/ und aus deroſel- ben der theure reformator unſer kirchen Lutherus (ſo in wol angezogen ort/ als faſt unzehlich viel andern ſtellen) dermaſſen hertzlich ausgefuͤhret/ daß die jenige ſo wenig ſich Lutheriſch als Chriſtlich zu ſeyn ruͤhmen moͤgen/ welche entweder ſothaner lehr gram ſind/ und ſie vor eine wiedererweckung des Papſtums ausſchreyen wol- len/ oder nachdero ſelben ihr leben anzurichten ſich nicht angelegen ſeyn laſſen. Was aber die mittel anlanget/ wie dann dem verderbeten weſen zu ſteuren ſeye/ ſo habe gern vernommen/ das E. Wol Ehrw. die einfaͤltig von mir vorgeſchlagene ih- ro nicht mißfallen laſſen/ und was zu der ſelbigen werckſtelligung vonjeglichem ſtan- de erfordert werde/ ſo wol vernuͤnfftig außfuͤhren/ als goͤttlichen ſegen/ ohn welchen der pflantzende und begieſſende nichts auszurichten vermag/ anwuͤnſchen. Jndeſ- ſen zweiffle/ daß zu jetziger zeit annoch zuerwarten ſeye/ daß publica autoritate das werck kraͤfftig gefuͤhret/ oder eine reformation auff dergleichen art nuͤtzlich angeſtellet werde werden/ ſondern GOtt hat gemeiniglich durch verachteten an- fang und unſcheinbare mittel ſein werck gethan. Jch werde mich aber erfreuen/ und eines mehrern ſucceſſes hoffnung ſchoͤpffen/ wo wir/ die wir mit ernſt es mit der kirchen beſten meinen/ nur erſtlich unter einander uns recht bruͤderlich ermun- tern/ und jeglicher ſich dieſes allein vornehmen/ an ſeinem ort nach vermoͤgen zu- thun/ ſo denn wo er vermag/ auch andere freunde/ neben ſich eine luſt und eyffer dazu zu machen. Auch in unſerm eigenen amt kom̃e ich mehr und mehr auff die ge- dan- R 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/149>, abgerufen am 24.11.2024.