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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
reissung aller noch übriger so sünden-als welt-bande/ die an uns noch hier den voll-
kommenen genuß jener freyheit hindern/ in steter freude über die herrliche gnaden-
zeit und inniglichen jubel-gesang zur danckbahrkeit vor die überschwengliche güte/
die uns überschüttet: So denn endlich in besitzung des jenigen/ was von leiblichen
segen der GOtt/ so der seelen und des leibes GOtt zugleich ist/ nötig erachtet: ja
daß dieses gnädige jahr sich nicht in der enge einiger 12. monat einschliesse/ son-
der währe unauffhörlich/ biß der ausgang der zeit den eingang der ewigkeit zum
unendlichen jubiliren öffenen. Er halten wir dieses von GOtt/ wie er der gläubigen
gebet die gewisse erhörung zugesaget/ so werden wir täglich danck zusagen ursachen
genug finden: Und mögen dem Papst sein güldenes jahr und von armer leute thor-
heit samlende schätze/ so denn solchen ihre freude der vermeintlich empfangenden
ablaß/ gegen unseren gütern nicht mißgönnen: sondern vielmehr sehen wir dieses
mit betrübnüß und hertzlichem mitleiden/ auch gebet/ daß GOTT der blinden au-
gen öffnen wolle/ also an/ daß wir unserer wahren güter uns so viel höher freuen.
Solte aber GOtt der gesamten kirche eine sonderbahre freude geben wollen/ hät-
ten wir nichts bessers zuwünschen/ als ob seine weißheit allgemach die zeit kommen
wolte lassen der erfüllung der jenigen dinge/ die er noch zu trost seiner gläubigen hat
verheissen und auffzeichnen lassen. Ach solte dieses das jahr seyn/ da GOtt wolte
lassen anfangen die jenigen frühlings tage anbrechen/ welche wir noch vor den letzten
trübsalen und darauff folgenden neuen sommer warten! Wir sehen gleich wol so
zu reden die bäume/ böse und gute/ auch wieder ausschlagen: daß etwa die hoffnung
nicht vergebens ist/ es seye solche liebe zeit nicht mehr so weit. Aber HERR dein
wille geschehe auch hierinnen zu der zeit und stunde/ nicht wenn es uns sondern dir
gefällt!

P. S.

Jhr Hochfürstl. Durchl. und gantz Hochfürstlichem hauß sage ich unterthänigst
danck des gnädigsten andenckens: Der grosse GOTT erfülle auch dieselbige
mit nicht nur weltlichen hohen wohlergehen/ sondern vornehmlich seiner himmli-
schen gnaden erfreulichsten genuß; in dem allein auch ewig hoch und groß werden/
die da sie auff der welt von GOtt über andern erhaben sind/ dennoch in jenen gütern
aller erst die beständigste hoheit finden und geniessen. Wo die Hochfürstliche
Princeßin seye/ entsinne mich nicht mehr recht. GOtt sey allezeit und aller orten
wo sie ist/ umb sie/ über ihr/ und mit seiner gnaden wohnung in ihr.

2. P. S.

Als ich im schreiben dessen war/ so kam zu mir frau Maria Juliana Bau-
rin von Eiseneck/
eine gottselige witbe/ wegen einiger christlichen angelegenheit
mit mir zu reden/ also fügte sich/ daß zu so vielmehr befriedigung ihrer seelen einiges

aus

Das ſechſte Capitel.
reiſſung aller noch uͤbriger ſo ſuͤnden-als welt-bande/ die an uns noch hier den voll-
kommenen genuß jener freyheit hindern/ in ſteter freude uͤber die herrliche gnaden-
zeit und inniglichen jubel-geſang zur danckbahrkeit vor die uͤberſchwengliche guͤte/
die uns uͤberſchuͤttet: So denn endlich in beſitzung des jenigen/ was von leiblichen
ſegen der GOtt/ ſo der ſeelen und des leibes GOtt zugleich iſt/ noͤtig erachtet: ja
daß dieſes gnaͤdige jahr ſich nicht in der enge einiger 12. monat einſchlieſſe/ ſon-
der waͤhre unauffhoͤrlich/ biß der ausgang der zeit den eingang der ewigkeit zum
unendlichen jubiliren oͤffenen. Er halten wir dieſes von GOtt/ wie er der glaͤubigen
gebet die gewiſſe erhoͤrung zugeſaget/ ſo werden wir taͤglich danck zuſagen urſachen
genug finden: Und moͤgen dem Papſt ſein guͤldenes jahr und von armer leute thor-
heit ſamlende ſchaͤtze/ ſo denn ſolchen ihre freude der vermeintlich empfangenden
ablaß/ gegen unſeren guͤtern nicht mißgoͤnnen: ſondern vielmehr ſehen wir dieſes
mit betruͤbnuͤß und hertzlichem mitleiden/ auch gebet/ daß GOTT der blinden au-
gen oͤffnen wolle/ alſo an/ daß wir unſerer wahren guͤter uns ſo viel hoͤher freuen.
Solte aber GOtt der geſamten kirche eine ſonderbahre freude geben wollen/ haͤt-
ten wir nichts beſſers zuwuͤnſchen/ als ob ſeine weißheit allgemach die zeit kommen
wolte laſſen der erfuͤllung der jenigen dinge/ die er noch zu troſt ſeiner glaͤubigen hat
verheiſſen und auffzeichnen laſſen. Ach ſolte dieſes das jahr ſeyn/ da GOtt wolte
laſſen anfangen die jenigen fruͤhlings tage anbrechen/ welche wir noch vor den letzten
truͤbſalen und darauff folgenden neuen ſommer warten! Wir ſehen gleich wol ſo
zu reden die baͤume/ boͤſe und gute/ auch wieder ausſchlagen: daß etwa die hoffnung
nicht vergebens iſt/ es ſeye ſolche liebe zeit nicht mehr ſo weit. Aber HERR dein
wille geſchehe auch hierinnen zu der zeit und ſtunde/ nicht wenn es uns ſondern dir
gefaͤllt!

P. S.

Jhr Hochfuͤrſtl. Durchl. und gantz Hochfuͤrſtlichem hauß ſage ich unterthaͤnigſt
danck des gnaͤdigſten andenckens: Der groſſe GOTT erfuͤlle auch dieſelbige
mit nicht nur weltlichen hohen wohlergehen/ ſondern vornehmlich ſeiner himmli-
ſchen gnaden erfreulichſten genuß; in dem allein auch ewig hoch und groß werden/
die da ſie auff der welt von GOtt uͤber andern erhaben ſind/ deñoch in jenen guͤtern
aller erſt die beſtaͤndigſte hoheit finden und genieſſen. Wo die Hochfuͤrſtliche
Princeßin ſeye/ entſinne mich nicht mehr recht. GOtt ſey allezeit und aller orten
wo ſie iſt/ umb ſie/ uͤber ihr/ und mit ſeiner gnaden wohnung in ihr.

2. P. S.

Als ich im ſchreiben deſſen war/ ſo kam zu mir frau Maria Juliana Bau-
rin von Eiſeneck/
eine gottſelige witbe/ wegen einiger chriſtlichen angelegenheit
mit mir zu reden/ alſo fuͤgte ſich/ daß zu ſo vielmehr befriedigung ihrer ſeelen einiges

aus
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[98/0116] Das ſechſte Capitel. reiſſung aller noch uͤbriger ſo ſuͤnden-als welt-bande/ die an uns noch hier den voll- kommenen genuß jener freyheit hindern/ in ſteter freude uͤber die herrliche gnaden- zeit und inniglichen jubel-geſang zur danckbahrkeit vor die uͤberſchwengliche guͤte/ die uns uͤberſchuͤttet: So denn endlich in beſitzung des jenigen/ was von leiblichen ſegen der GOtt/ ſo der ſeelen und des leibes GOtt zugleich iſt/ noͤtig erachtet: ja daß dieſes gnaͤdige jahr ſich nicht in der enge einiger 12. monat einſchlieſſe/ ſon- der waͤhre unauffhoͤrlich/ biß der ausgang der zeit den eingang der ewigkeit zum unendlichen jubiliren oͤffenen. Er halten wir dieſes von GOtt/ wie er der glaͤubigen gebet die gewiſſe erhoͤrung zugeſaget/ ſo werden wir taͤglich danck zuſagen urſachen genug finden: Und moͤgen dem Papſt ſein guͤldenes jahr und von armer leute thor- heit ſamlende ſchaͤtze/ ſo denn ſolchen ihre freude der vermeintlich empfangenden ablaß/ gegen unſeren guͤtern nicht mißgoͤnnen: ſondern vielmehr ſehen wir dieſes mit betruͤbnuͤß und hertzlichem mitleiden/ auch gebet/ daß GOTT der blinden au- gen oͤffnen wolle/ alſo an/ daß wir unſerer wahren guͤter uns ſo viel hoͤher freuen. Solte aber GOtt der geſamten kirche eine ſonderbahre freude geben wollen/ haͤt- ten wir nichts beſſers zuwuͤnſchen/ als ob ſeine weißheit allgemach die zeit kommen wolte laſſen der erfuͤllung der jenigen dinge/ die er noch zu troſt ſeiner glaͤubigen hat verheiſſen und auffzeichnen laſſen. Ach ſolte dieſes das jahr ſeyn/ da GOtt wolte laſſen anfangen die jenigen fruͤhlings tage anbrechen/ welche wir noch vor den letzten truͤbſalen und darauff folgenden neuen ſommer warten! Wir ſehen gleich wol ſo zu reden die baͤume/ boͤſe und gute/ auch wieder ausſchlagen: daß etwa die hoffnung nicht vergebens iſt/ es ſeye ſolche liebe zeit nicht mehr ſo weit. Aber HERR dein wille geſchehe auch hierinnen zu der zeit und ſtunde/ nicht wenn es uns ſondern dir gefaͤllt! P. S. Jhr Hochfuͤrſtl. Durchl. und gantz Hochfuͤrſtlichem hauß ſage ich unterthaͤnigſt danck des gnaͤdigſten andenckens: Der groſſe GOTT erfuͤlle auch dieſelbige mit nicht nur weltlichen hohen wohlergehen/ ſondern vornehmlich ſeiner himmli- ſchen gnaden erfreulichſten genuß; in dem allein auch ewig hoch und groß werden/ die da ſie auff der welt von GOtt uͤber andern erhaben ſind/ deñoch in jenen guͤtern aller erſt die beſtaͤndigſte hoheit finden und genieſſen. Wo die Hochfuͤrſtliche Princeßin ſeye/ entſinne mich nicht mehr recht. GOtt ſey allezeit und aller orten wo ſie iſt/ umb ſie/ uͤber ihr/ und mit ſeiner gnaden wohnung in ihr. 2. P. S. Als ich im ſchreiben deſſen war/ ſo kam zu mir frau Maria Juliana Bau- rin von Eiſeneck/ eine gottſelige witbe/ wegen einiger chriſtlichen angelegenheit mit mir zu reden/ alſo fuͤgte ſich/ daß zu ſo vielmehr befriedigung ihrer ſeelen einiges aus

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/116>, abgerufen am 28.11.2024.