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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
(nach welchem es allezeit noch heisset nach Hebr. 12/ 11. Die züchtigung/ wenn sie
da ist/ düncket sie uns nicht freude seyn/ sondern traurigkeit
) ansehen/ viel-
mehr bloß dahin mit den augen des glaubens/ dahero uns seiner nicht nur nicht be-
schwehren/ sondern GOTT anfangen davor zu dancken/ und seine wohlthat dar-
in erkennen. GOTT erhalte sie allezeit in solcher freudigkeit/ und lasse uns alle
auff solchen wege unsern alten vorgängern nachfolgen/ die in grosser krafft des gei-
stes/ sonderlich in den verfolgungen/ uns ein exempel gelassen haben. Daß ihr
Durchl. die Princeßin sich nicht wieder nach bewusten hoff wende/ ist mir zu verneh-
men recht lieb. Nicht daß ich davor hielte daß sie göttliche güte nicht solte auch sol-
ches orts kräfftig in ihren guten stand erhalten/ und mitten unter der welt eitelkeit
ihre augen abwenden/ daß sie nicht darnach sehen/ und sie sich darein verliebe. Wie
wir zu weilen sehen werden/ daß man in den grössesten gefahren/ nicht nur weil
man seiner so viel sorgfältiger wahrnimmet/ sondern auch weil die krafft GOttes
nach dem maaß als wir derselben bedürffen sich als dann so viel stärcker erreget/ so
viel kräfftiger sich findet/ als ausser denselben/ zum preiß göttlicher darinnen herr-
lich vorleuchtender macht. Sondern daß ich mich freue/ daß GOTT ihrer schoh-
ne/ wie denn das leben unter täglichen ärgernüssen nicht ohne tägliche betrübnüß ei-
ner gottseligen seele geführet werden kan/ und wie es zwar eine stärckung ist an
dem inwendigen menschen durch die stättige übung der gedult/ daher auch welche
GOTT dazu beruffen sich nicht darüber zu beschwehren/ sondern göttliche güte zu
erkennen haben/ also unterbrichts nicht wenig die vergnügliche gemüths ruhe/ son-
derlich wo man siehet/ daß man mit seinem exempel nicht so wohl etwas andere zu
gewinnen außrichten kan/ als in sorgen stehet/ von ihnen einiges böse unver-
merckt sich an zu gewehnen. Daher wie dorten Paulus seinen Corinthern rathet
wegen gegenwärtiger noth/ wer die gabe dazu habe unverheurathet zu bleiben/ da
doch beyder ehe nach seiner bekantnüß so vielmehr trübsal und also übung der gedult
seye/ und die ursach bey setzet/ daß er nehmlich ihrer gern verschohnen wolte. Also
halte ich es auch vor ein gütiges verschohnen/ wo uns GOTT mehr ausser dem
kampff mit stättig vor augen schwebenden ärgernüssen in ruhe erhält/ also wo er uns
in jenen führet/ ob wol mit seiner krafft zu stärcken. Jedoch weiß unser allweiser
Vater am besten/ wen und wann er jeglichen zu dieser oder jener lebens art beruf-
fen soll/ und haben wir billich die jenige art/ es seye jetzo in der stille GOtt zu dienen/
oder aber in solchem welt-geräusch/ vor die ihm von uns angenehmste zu achten/ dazu
er jedesmahl uns selbs beruffen hat. Wem GOtt jene gönnet/ der dancke ihm
davor/ daß er seiner schohne/ weil er vermuthlich ihn etwa zu schwach erkannt:
Wen er denn in dieses führet/ dancke ihm wieder vor solche gelegenheit seine ge-
dult zu üben/ und von ihm seinen kräfftigen beystand zu erwarten. 1674.

SECT.

Das ſechſte Capitel.
(nach welchem es allezeit noch heiſſet nach Hebr. 12/ 11. Die zuͤchtigung/ wenn ſie
da iſt/ duͤncket ſie uns nicht freude ſeyn/ ſondern traurigkeit
) anſehen/ viel-
mehr bloß dahin mit den augen des glaubens/ dahero uns ſeiner nicht nur nicht be-
ſchwehren/ ſondern GOTT anfangen davor zu dancken/ und ſeine wohlthat dar-
in erkennen. GOTT erhalte ſie allezeit in ſolcher freudigkeit/ und laſſe uns alle
auff ſolchen wege unſern alten vorgaͤngern nachfolgen/ die in groſſer krafft des gei-
ſtes/ ſonderlich in den verfolgungen/ uns ein exempel gelaſſen haben. Daß ihr
Durchl. die Pꝛinceßin ſich nicht wieder nach bewuſten hoff wende/ iſt mir zu verneh-
men recht lieb. Nicht daß ich davor hielte daß ſie goͤttliche guͤte nicht ſolte auch ſol-
ches orts kraͤfftig in ihren guten ſtand erhalten/ und mitten unter der welt eitelkeit
ihre augen abwenden/ daß ſie nicht darnach ſehen/ und ſie ſich darein verliebe. Wie
wir zu weilen ſehen werden/ daß man in den groͤſſeſten gefahren/ nicht nur weil
man ſeiner ſo viel ſorgfaͤltiger wahrnimmet/ ſondern auch weil die krafft GOttes
nach dem maaß als wir derſelben beduͤrffen ſich als dann ſo viel ſtaͤrcker erreget/ ſo
viel kraͤfftiger ſich findet/ als auſſer denſelben/ zum preiß goͤttlicher darinnen herr-
lich vorleuchtender macht. Sondern daß ich mich freue/ daß GOTT ihrer ſchoh-
ne/ wie denn das leben unter taͤglichen aͤrgernuͤſſen nicht ohne taͤgliche betruͤbnuͤß ei-
ner gottſeligen ſeele gefuͤhret werden kan/ und wie es zwar eine ſtaͤrckung iſt an
dem inwendigen menſchen durch die ſtaͤttige uͤbung der gedult/ daher auch welche
GOTT dazu beruffen ſich nicht daruͤber zu beſchwehren/ ſondern goͤttliche guͤte zu
erkennen haben/ alſo unterbrichts nicht wenig die vergnuͤgliche gemuͤths ruhe/ ſon-
derlich wo man ſiehet/ daß man mit ſeinem exempel nicht ſo wohl etwas andere zu
gewinnen außrichten kan/ als in ſorgen ſtehet/ von ihnen einiges boͤſe unver-
merckt ſich an zu gewehnen. Daher wie dorten Paulus ſeinen Corinthern rathet
wegen gegenwaͤrtiger noth/ wer die gabe dazu habe unverheurathet zu bleiben/ da
doch beyder ehe nach ſeiner bekantnuͤß ſo vielmehr truͤbſal und alſo uͤbung der gedult
ſeye/ und die urſach bey ſetzet/ daß er nehmlich ihrer gern verſchohnen wolte. Alſo
halte ich es auch vor ein guͤtiges verſchohnen/ wo uns GOTT mehr auſſer dem
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in jenen fuͤhret/ ob wol mit ſeiner krafft zu ſtaͤrcken. Jedoch weiß unſer allweiſer
Vater am beſten/ wen und wann er jeglichen zu dieſer oder jener lebens art beruf-
fen ſoll/ und haben wir billich die jenige art/ es ſeye jetzo in der ſtille GOtt zu dienen/
oder aber in ſolchem welt-geraͤuſch/ vor die ihm von uns angenehmſte zu achten/ dazu
er jedesmahl uns ſelbs beruffen hat. Wem GOtt jene goͤnnet/ der dancke ihm
davor/ daß er ſeiner ſchohne/ weil er vermuthlich ihn etwa zu ſchwach erkannt:
Wen er denn in dieſes fuͤhret/ dancke ihm wieder vor ſolche gelegenheit ſeine ge-
dult zu uͤben/ und von ihm ſeinen kraͤfftigen beyſtand zu erwarten. 1674.

SECT.
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[86/0104] Das ſechſte Capitel. (nach welchem es allezeit noch heiſſet nach Hebr. 12/ 11. Die zuͤchtigung/ wenn ſie da iſt/ duͤncket ſie uns nicht freude ſeyn/ ſondern traurigkeit) anſehen/ viel- mehr bloß dahin mit den augen des glaubens/ dahero uns ſeiner nicht nur nicht be- ſchwehren/ ſondern GOTT anfangen davor zu dancken/ und ſeine wohlthat dar- in erkennen. GOTT erhalte ſie allezeit in ſolcher freudigkeit/ und laſſe uns alle auff ſolchen wege unſern alten vorgaͤngern nachfolgen/ die in groſſer krafft des gei- ſtes/ ſonderlich in den verfolgungen/ uns ein exempel gelaſſen haben. Daß ihr Durchl. die Pꝛinceßin ſich nicht wieder nach bewuſten hoff wende/ iſt mir zu verneh- men recht lieb. Nicht daß ich davor hielte daß ſie goͤttliche guͤte nicht ſolte auch ſol- ches orts kraͤfftig in ihren guten ſtand erhalten/ und mitten unter der welt eitelkeit ihre augen abwenden/ daß ſie nicht darnach ſehen/ und ſie ſich darein verliebe. Wie wir zu weilen ſehen werden/ daß man in den groͤſſeſten gefahren/ nicht nur weil man ſeiner ſo viel ſorgfaͤltiger wahrnimmet/ ſondern auch weil die krafft GOttes nach dem maaß als wir derſelben beduͤrffen ſich als dann ſo viel ſtaͤrcker erreget/ ſo viel kraͤfftiger ſich findet/ als auſſer denſelben/ zum preiß goͤttlicher darinnen herr- lich vorleuchtender macht. Sondern daß ich mich freue/ daß GOTT ihrer ſchoh- ne/ wie denn das leben unter taͤglichen aͤrgernuͤſſen nicht ohne taͤgliche betruͤbnuͤß ei- ner gottſeligen ſeele gefuͤhret werden kan/ und wie es zwar eine ſtaͤrckung iſt an dem inwendigen menſchen durch die ſtaͤttige uͤbung der gedult/ daher auch welche GOTT dazu beruffen ſich nicht daruͤber zu beſchwehren/ ſondern goͤttliche guͤte zu erkennen haben/ alſo unterbrichts nicht wenig die vergnuͤgliche gemuͤths ruhe/ ſon- derlich wo man ſiehet/ daß man mit ſeinem exempel nicht ſo wohl etwas andere zu gewinnen außrichten kan/ als in ſorgen ſtehet/ von ihnen einiges boͤſe unver- merckt ſich an zu gewehnen. Daher wie dorten Paulus ſeinen Corinthern rathet wegen gegenwaͤrtiger noth/ wer die gabe dazu habe unverheurathet zu bleiben/ da doch beyder ehe nach ſeiner bekantnuͤß ſo vielmehr truͤbſal und alſo uͤbung der gedult ſeye/ und die urſach bey ſetzet/ daß er nehmlich ihrer gern verſchohnen wolte. Alſo halte ich es auch vor ein guͤtiges verſchohnen/ wo uns GOTT mehr auſſer dem kampff mit ſtaͤttig voꝛ augen ſchwebenden aͤrgeꝛnuͤſſen in ruhe eꝛhaͤlt/ alſo wo er uns in jenen fuͤhret/ ob wol mit ſeiner krafft zu ſtaͤrcken. Jedoch weiß unſer allweiſer Vater am beſten/ wen und wann er jeglichen zu dieſer oder jener lebens art beruf- fen ſoll/ und haben wir billich die jenige art/ es ſeye jetzo in der ſtille GOtt zu dienen/ oder aber in ſolchem welt-geraͤuſch/ vor die ihm von uns angenehmſte zu achten/ dazu er jedesmahl uns ſelbs beruffen hat. Wem GOtt jene goͤnnet/ der dancke ihm davor/ daß er ſeiner ſchohne/ weil er vermuthlich ihn etwa zu ſchwach erkannt: Wen er denn in dieſes fuͤhret/ dancke ihm wieder vor ſolche gelegenheit ſeine ge- dult zu uͤben/ und von ihm ſeinen kraͤfftigen beyſtand zu erwarten. 1674. SECT.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/104>, abgerufen am 22.11.2024.