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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
nicht wohl mehr viel andern unterricht bedürffen/ in der menge der lieben gottse-
ligen hievon handlenden bücher/ also daß nur vonnöthen ist/ daß wir wolten mit
mehr eyffer und ernst/ was wir wissen/ GOTTES willen an uns zu seyn/ zu
werck zurichten/ und uns untereinander darüber zu ermahnen/ als vieles hievon
zu schreiben. Sondern auch weil was zum exempel meine predigten anlanget/
dieselbe nicht gantz an einander hangen/ sondern in gewisser maaß mit meiner
Herren Collegarum predigten verknüpffet sind/ auch die texte also dazu erwehlet
worden/ daß die materien der folgenden und nachmittags-predigten an den ersten
und früh-predigten hangen. Es war seiter neulich den 6ten Martii wiederum
ein bußtag gehalten/ worinnen die texte gewesen 1. Petr. 4/ 1. 2. 3. Luc. 1/ 71. 72. 73.
74. 75. Rom. 6/ 6.
Weil es zugleich die vorbereitung zu der passion gabe; Der
nechste möchte wol auff den freytag vor Pfingsten fallen. Wolte GOTT aber
es ginge nicht auch bey uns also her/ wie meine liebwehrte schwester klaget/ bey ih-
nen gemerckt zu haben/ daß bey mehrern es vielmehr heuchel-als bußtage seyn. So
wir aus den aus bleibenden früchten leider mehr als zu besorglich abnehmen kön-
nen. Und haben allein den trost/ daß gleichwol etliche wenige hertzen seyn/ an de-
nen die arbeit nicht gantz verlohren/ in ansehung welcher der heilige und
wahrhafftige GOTT unsere ob wol von meisten händen unrein auffschickende
opffer nicht allerdings verschmähen wird. Es nimmet zwar auch deroselben häuff-
lein ab/ wie seiter 4. wochen der Allerhöchste unterschiedliche rechtschaffene Chri-
sten von hier aus unserm mittel weggenommen hat: Dero abschied mich hertzlich
betrübet/ und mir billich sorge macht/ GOTT werde allgemach schwehre gerich-
te ausbrechen lassen über unsern unbußfertigen hauffen/ und räume also einige der
seinigen vorhin weg/ deren er damit schohnen will. Nun er ist der HErr/ er mache
es wie es ihm wohlgefällt/ er wird doch auch seiner güte und heiligen nahmens
nicht vergessen. Daß einige die jetzige leibliche und weltliche gefahr nicht vor au-
gen sehen/ wundere mich sehr/ ohne daß sie eben nicht allen noch gleich nahe ist.
Man bedencke aber/ was es inner 2. jahren vor änderungen gegeben/ so wird niemand
sagen mögen/ daß es nicht ein gantz leichtes seye/ daß ein noch weit scheinendes feuer
geschwind üm sich fresse. Und scheinet noch etwas verborgen zuligen/ welches gar we-
nig hervor blickt/ und auchbey nach GOttes willen gedämpffter fremder gewalt in
dem reich selbsten betrüblichen jammer erregen mag. Gesetzt aber/ wir hätten
von leiblicher gefahr nichts zu sorgen/ sondern lauter gute friedliche zeiten zu er-
warten/ so haben wir ja ursach gnug leid und bußtage zuhalten über den elenden
zustand unserer kirchen in dem geistlichen/ welche ohne die besorgliche versolgung
auch sonsten also betrübt ist/ daß wir uns wenig anders als der reinen lehr zu rüh-
men haben. Sonsten stehet es erbärmlich gnug. Nun der HERR wird seine
ehre zu erhalten wissen. Daß das fasten von einigen der unsrigen vor Päpstisch
gehalten wird/ zeiget/ daß solche leute in die Schrifft niemahl hinein gesehen haben

müs-

Das ſechſte Capitel.
nicht wohl mehr viel andern unterricht beduͤrffen/ in der menge der lieben gottſe-
ligen hievon handlenden buͤcher/ alſo daß nur vonnoͤthen iſt/ daß wir wolten mit
mehr eyffer und ernſt/ was wir wiſſen/ GOTTES willen an uns zu ſeyn/ zu
werck zurichten/ und uns untereinander daruͤber zu ermahnen/ als vieles hievon
zu ſchreiben. Sondern auch weil was zum exempel meine predigten anlanget/
dieſelbe nicht gantz an einander hangen/ ſondern in gewiſſer maaß mit meiner
Herren Collegarum predigten verknuͤpffet ſind/ auch die texte alſo dazu erwehlet
worden/ daß die materien der folgenden und nachmittags-predigten an den erſten
und fruͤh-predigten hangen. Es war ſeiter neulich den 6ten Martii wiederum
ein bußtag gehalten/ worinnen die texte geweſen 1. Petr. 4/ 1. 2. 3. Luc. 1/ 71. 72. 73.
74. 75. Rom. 6/ 6.
Weil es zugleich die vorbereitung zu der paſſion gabe; Der
nechſte moͤchte wol auff den freytag vor Pfingſten fallen. Wolte GOTT aber
es ginge nicht auch bey uns alſo her/ wie meine liebwehrte ſchweſter klaget/ bey ih-
nen gemerckt zu haben/ daß bey mehrern es vielmehr heuchel-als bußtage ſeyn. So
wir aus den aus bleibenden fruͤchten leider mehr als zu beſorglich abnehmen koͤn-
nen. Und haben allein den troſt/ daß gleichwol etliche wenige hertzen ſeyn/ an de-
nen die arbeit nicht gantz verlohren/ in anſehung welcher der heilige und
wahrhafftige GOTT unſere ob wol von meiſten haͤnden unrein auffſchickende
opffer nicht allerdings verſchmaͤhen wird. Es nimmet zwar auch deroſelben haͤuff-
lein ab/ wie ſeiter 4. wochen der Allerhoͤchſte unterſchiedliche rechtſchaffene Chri-
ſten von hier aus unſerm mittel weggenommen hat: Dero abſchied mich hertzlich
betruͤbet/ und mir billich ſorge macht/ GOTT werde allgemach ſchwehre gerich-
te ausbrechen laſſen uͤber unſern unbußfertigen hauffen/ und raͤume alſo einige der
ſeinigen vorhin weg/ deren er damit ſchohnen will. Nun er iſt der HErr/ er mache
es wie es ihm wohlgefaͤllt/ er wird doch auch ſeiner guͤte und heiligen nahmens
nicht vergeſſen. Daß einige die jetzige leibliche und weltliche gefahr nicht vor au-
gen ſehen/ wundere mich ſehr/ ohne daß ſie eben nicht allen noch gleich nahe iſt.
Man bedencke aber/ was es iñer 2. jahren vor aͤnderungen gegeben/ ſo wird niemand
ſagen moͤgen/ daß es nicht ein gantz leichtes ſeye/ daß ein noch weit ſcheinendes feuer
geſchwind uͤm ſich freſſe. Und ſcheinet noch etwas verborgen zuligen/ welches gar we-
nig hervor blickt/ und auchbey nach GOttes willen gedaͤmpffter fremder gewalt in
dem reich ſelbſten betruͤblichen jammer erregen mag. Geſetzt aber/ wir haͤtten
von leiblicher gefahr nichts zu ſorgen/ ſondern lauter gute friedliche zeiten zu er-
warten/ ſo haben wir ja urſach gnug leid und bußtage zuhalten uͤber den elenden
zuſtand unſerer kirchen in dem geiſtlichen/ welche ohne die beſorgliche verſolgung
auch ſonſten alſo betruͤbt iſt/ daß wir uns wenig anders als der reinen lehr zu ruͤh-
men haben. Sonſten ſtehet es erbaͤrmlich gnug. Nun der HERR wird ſeine
ehre zu erhalten wiſſen. Daß das faſten von einigen der unſrigen vor Paͤpſtiſch
gehalten wird/ zeiget/ daß ſolche leute in die Schrifft niemahl hinein geſehen haben

muͤſ-
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[84/0102] Das ſechſte Capitel. nicht wohl mehr viel andern unterricht beduͤrffen/ in der menge der lieben gottſe- ligen hievon handlenden buͤcher/ alſo daß nur vonnoͤthen iſt/ daß wir wolten mit mehr eyffer und ernſt/ was wir wiſſen/ GOTTES willen an uns zu ſeyn/ zu werck zurichten/ und uns untereinander daruͤber zu ermahnen/ als vieles hievon zu ſchreiben. Sondern auch weil was zum exempel meine predigten anlanget/ dieſelbe nicht gantz an einander hangen/ ſondern in gewiſſer maaß mit meiner Herren Collegarum predigten verknuͤpffet ſind/ auch die texte alſo dazu erwehlet worden/ daß die materien der folgenden und nachmittags-predigten an den erſten und fruͤh-predigten hangen. Es war ſeiter neulich den 6ten Martii wiederum ein bußtag gehalten/ worinnen die texte geweſen 1. Petr. 4/ 1. 2. 3. Luc. 1/ 71. 72. 73. 74. 75. Rom. 6/ 6. Weil es zugleich die vorbereitung zu der paſſion gabe; Der nechſte moͤchte wol auff den freytag vor Pfingſten fallen. Wolte GOTT aber es ginge nicht auch bey uns alſo her/ wie meine liebwehrte ſchweſter klaget/ bey ih- nen gemerckt zu haben/ daß bey mehrern es vielmehr heuchel-als bußtage ſeyn. So wir aus den aus bleibenden fruͤchten leider mehr als zu beſorglich abnehmen koͤn- nen. Und haben allein den troſt/ daß gleichwol etliche wenige hertzen ſeyn/ an de- nen die arbeit nicht gantz verlohren/ in anſehung welcher der heilige und wahrhafftige GOTT unſere ob wol von meiſten haͤnden unrein auffſchickende opffer nicht allerdings verſchmaͤhen wird. Es nimmet zwar auch deroſelben haͤuff- lein ab/ wie ſeiter 4. wochen der Allerhoͤchſte unterſchiedliche rechtſchaffene Chri- ſten von hier aus unſerm mittel weggenommen hat: Dero abſchied mich hertzlich betruͤbet/ und mir billich ſorge macht/ GOTT werde allgemach ſchwehre gerich- te ausbrechen laſſen uͤber unſern unbußfertigen hauffen/ und raͤume alſo einige der ſeinigen vorhin weg/ deren er damit ſchohnen will. Nun er iſt der HErr/ er mache es wie es ihm wohlgefaͤllt/ er wird doch auch ſeiner guͤte und heiligen nahmens nicht vergeſſen. Daß einige die jetzige leibliche und weltliche gefahr nicht vor au- gen ſehen/ wundere mich ſehr/ ohne daß ſie eben nicht allen noch gleich nahe iſt. Man bedencke aber/ was es iñer 2. jahren vor aͤnderungen gegeben/ ſo wird niemand ſagen moͤgen/ daß es nicht ein gantz leichtes ſeye/ daß ein noch weit ſcheinendes feuer geſchwind uͤm ſich freſſe. Und ſcheinet noch etwas verborgen zuligen/ welches gar we- nig hervor blickt/ und auchbey nach GOttes willen gedaͤmpffter fremder gewalt in dem reich ſelbſten betruͤblichen jammer erregen mag. Geſetzt aber/ wir haͤtten von leiblicher gefahr nichts zu ſorgen/ ſondern lauter gute friedliche zeiten zu er- warten/ ſo haben wir ja urſach gnug leid und bußtage zuhalten uͤber den elenden zuſtand unſerer kirchen in dem geiſtlichen/ welche ohne die beſorgliche verſolgung auch ſonſten alſo betruͤbt iſt/ daß wir uns wenig anders als der reinen lehr zu ruͤh- men haben. Sonſten ſtehet es erbaͤrmlich gnug. Nun der HERR wird ſeine ehre zu erhalten wiſſen. Daß das faſten von einigen der unſrigen vor Paͤpſtiſch gehalten wird/ zeiget/ daß ſolche leute in die Schrifft niemahl hinein geſehen haben muͤſ-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/102>, abgerufen am 24.11.2024.