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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XX.
widersetzligkeit willen/ die wahren Christen unanständig/ und daher Mosi
unter sein regiment geworffen wird/ leiden/ und sich es selbs zuzuschreiben ha-
ben. Dazu es aber billig keiner kommen lassen solle/ als dadurch nur das är-
gernüß vermehret würde.

Der HErr leite alle seine kinder durch den H. Geist/ und lasse ihn in ih-
nen allen seyn einen Geist der weißheit/ der in allem erkenne/ was das beste
seye; und der liebe/ in allem zu sehen/ nicht auff das/ was nur uns/ sondern
vielen frommet. Er regiere auch alle Obrigkeiten/ daß sie auff alle weise sei-
ne ehre und die mittel der erbauung zu befordern/ so verstehen/ als sich treu-
lich lassen angelegen seyn/ und also ihm alle ihre gewalt selbs heiligen. A-
men. 1699.

SECTIO XX.
Von verbindlichkeit obrigkeitlicher verbote in
solcher materie.
Ob einer christlichen Obrigkeit verbot/ da sie gewisse zur erbauung
und andacht gemeinte zusammenkünfften um solche zeit/ und
mit solchen umständen/ welche bösen verdacht geben könten/
anzustellen/ ernstlich und bey straffe verboten/ von dero unter-
thanen und bedienten ohne sünde aus diesem vorwand über-
treten werden könte/ daß sie den trieb des H. Geistes folgen mü-
sten/ und bey der auch wider das verbot geschehenen bewerck-
stelligung ihres vorhabens/ wircklich göttliche gnade reicher ü-
ber sich verspühret hätten?

ES ist im vorigen responso durch GOttes gnade aus dessen wort und
in demselben enthaltenen gründen/ hoffentlich zur gnüge dargethan
worden/ so wol insgemein/ wie weit einer christlichen Obrigkeit macht
sich in diesen dingen erstrecke; hingegen was göttliche ordnung von den un-
terthanen erfordere; als auch absonderlich/ daß eine Obrigkeit nicht unrecht
thue/ wo sie denen zusammenkünfften/ die zur andacht angesehen sind/ solche
schrancken setzet/ dadurch der/ der göttlichen ehre so nachtheilige böse schein da-
von abgewendet werde/ dahero ihre unterthanen allerdings gewissens hal-
ben sich solchen verordnungen zubequemen haben/ und ohne sünde sich dem ge-
horsam nicht entziehen könten. Von diesem gehorsam nun spricht sie der dop-
pelte vorwand nicht loß/ noch machet ihre widersetzligkeit GOtt gefällig; wie
theils die vorige allgemeine gründe/ solches erweisen/ theils ietz ferner ausge-
führet werden solle.

I. Was
ARTIC. I. SECTIO XX.
widerſetzligkeit willen/ die wahren Chriſten unanſtaͤndig/ und daher Moſi
unter ſein regiment geworffen wird/ leiden/ und ſich es ſelbs zuzuſchreiben ha-
ben. Dazu es aber billig keiner kommen laſſen ſolle/ als dadurch nur das aͤr-
gernuͤß vermehret wuͤrde.

Der HErr leite alle ſeine kinder durch den H. Geiſt/ und laſſe ihn in ih-
nen allen ſeyn einen Geiſt der weißheit/ der in allem erkenne/ was das beſte
ſeye; und der liebe/ in allem zu ſehen/ nicht auff das/ was nur uns/ ſondern
vielen frommet. Er regiere auch alle Obrigkeiten/ daß ſie auff alle weiſe ſei-
ne ehre und die mittel der erbauung zu befordern/ ſo verſtehen/ als ſich treu-
lich laſſen angelegen ſeyn/ und alſo ihm alle ihre gewalt ſelbs heiligen. A-
men. 1699.

SECTIO XX.
Von verbindlichkeit obrigkeitlicher verbote in
ſolcher materie.
Ob einer chriſtlichen Obrigkeit verbot/ da ſie gewiſſe zur erbauung
und andacht gemeinte zuſammenkuͤnfften um ſolche zeit/ und
mit ſolchen umſtaͤnden/ welche boͤſen verdacht geben koͤnten/
anzuſtellen/ ernſtlich und bey ſtraffe verboten/ von dero unter-
thanen und bedienten ohne ſuͤnde aus dieſem vorwand uͤber-
treten werden koͤnte/ daß ſie den trieb des H. Geiſtes folgen muͤ-
ſten/ und bey der auch wider das verbot geſchehenen bewerck-
ſtelligung ihres vorhabens/ wircklich goͤttliche gnade reicher uͤ-
ber ſich verſpuͤhret haͤtten?

ES iſt im vorigen reſponſo durch GOttes gnade aus deſſen wort und
in demſelben enthaltenen gruͤnden/ hoffentlich zur gnuͤge dargethan
worden/ ſo wol insgemein/ wie weit einer chriſtlichen Obrigkeit macht
ſich in dieſen dingen erſtrecke; hingegen was goͤttliche ordnung von den un-
terthanen erfordere; als auch abſonderlich/ daß eine Obrigkeit nicht unrecht
thue/ wo ſie denen zuſammenkuͤnfften/ die zur andacht angeſehen ſind/ ſolche
ſchrancken ſetzet/ dadurch der/ der goͤttlichen ehre ſo nachtheilige boͤſe ſchein da-
von abgewendet werde/ dahero ihre unterthanen allerdings gewiſſens hal-
ben ſich ſolchen verordnungen zubequemen haben/ und ohne ſuͤnde ſich dem ge-
horſam nicht entziehen koͤnten. Von dieſem gehorſam nun ſpricht ſie der dop-
pelte vorwand nicht loß/ noch machet ihre widerſetzligkeit GOtt gefaͤllig; wie
theils die vorige allgemeine gruͤnde/ ſolches erweiſen/ theils ietz ferner ausge-
fuͤhret werden ſolle.

I. Was
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[87/0095] ARTIC. I. SECTIO XX. widerſetzligkeit willen/ die wahren Chriſten unanſtaͤndig/ und daher Moſi unter ſein regiment geworffen wird/ leiden/ und ſich es ſelbs zuzuſchreiben ha- ben. Dazu es aber billig keiner kommen laſſen ſolle/ als dadurch nur das aͤr- gernuͤß vermehret wuͤrde. Der HErr leite alle ſeine kinder durch den H. Geiſt/ und laſſe ihn in ih- nen allen ſeyn einen Geiſt der weißheit/ der in allem erkenne/ was das beſte ſeye; und der liebe/ in allem zu ſehen/ nicht auff das/ was nur uns/ ſondern vielen frommet. Er regiere auch alle Obrigkeiten/ daß ſie auff alle weiſe ſei- ne ehre und die mittel der erbauung zu befordern/ ſo verſtehen/ als ſich treu- lich laſſen angelegen ſeyn/ und alſo ihm alle ihre gewalt ſelbs heiligen. A- men. 1699. SECTIO XX. Von verbindlichkeit obrigkeitlicher verbote in ſolcher materie. Ob einer chriſtlichen Obrigkeit verbot/ da ſie gewiſſe zur erbauung und andacht gemeinte zuſammenkuͤnfften um ſolche zeit/ und mit ſolchen umſtaͤnden/ welche boͤſen verdacht geben koͤnten/ anzuſtellen/ ernſtlich und bey ſtraffe verboten/ von dero unter- thanen und bedienten ohne ſuͤnde aus dieſem vorwand uͤber- treten werden koͤnte/ daß ſie den trieb des H. Geiſtes folgen muͤ- ſten/ und bey der auch wider das verbot geſchehenen bewerck- ſtelligung ihres vorhabens/ wircklich goͤttliche gnade reicher uͤ- ber ſich verſpuͤhret haͤtten? ES iſt im vorigen reſponſo durch GOttes gnade aus deſſen wort und in demſelben enthaltenen gruͤnden/ hoffentlich zur gnuͤge dargethan worden/ ſo wol insgemein/ wie weit einer chriſtlichen Obrigkeit macht ſich in dieſen dingen erſtrecke; hingegen was goͤttliche ordnung von den un- terthanen erfordere; als auch abſonderlich/ daß eine Obrigkeit nicht unrecht thue/ wo ſie denen zuſammenkuͤnfften/ die zur andacht angeſehen ſind/ ſolche ſchrancken ſetzet/ dadurch der/ der goͤttlichen ehre ſo nachtheilige boͤſe ſchein da- von abgewendet werde/ dahero ihre unterthanen allerdings gewiſſens hal- ben ſich ſolchen verordnungen zubequemen haben/ und ohne ſuͤnde ſich dem ge- horſam nicht entziehen koͤnten. Von dieſem gehorſam nun ſpricht ſie der dop- pelte vorwand nicht loß/ noch machet ihre widerſetzligkeit GOtt gefaͤllig; wie theils die vorige allgemeine gruͤnde/ ſolches erweiſen/ theils ietz ferner ausge- fuͤhret werden ſolle. I. Was

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/95>, abgerufen am 25.11.2024.