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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XXXI.
unterschied machet/ daß man um die geistliche güter ohne bedingung/ um die
leibliche mit bedingung des göttlichen willens/ beten möge: So ist jenes
wahr/ von den geistlichen gütern/ die uns schlechterdings zur verherrlichung
der ehre GOttes und unserer seligkeit nöthig sind/ davon ist uns göttlicher
wille zur gnüge offenbahret; Es sind aber auch geistliche güter/ von denen wir
eben solches nicht sagen/ und daher nicht unfehlbar wissen können/ ob dißmal
dieses gut oder hingegen dessen versagung dem willen GOttes gemässer seye.
Zum exempel/ ob zu GOttes ehren mehr dienlich seyn werde/ daß ich seines
trosts empfindlich gewahr werde/ oder aber in lauter ängsten und prüffung
der gedult stehen solle? Daher wo wir recht beten/ so muß allezeit unser gebet
und verlangen des trosts mit der condition verstanden werden/ wo es nem-
lich göttlichem willen also gemäß seyn werde. Folget nun auf das gebet der
empfindliche trost nicht/ so kan ich noch nicht sagen/ daß das gebet nicht erhö-
ret seye/ sondern ists mit kindlichem hertzen gethan/ so ists gewiß durch eine
neue stärckung in seiner gnade erhöret/ ob wol nicht nach unserem willen/
jedennoch nach dem weisen rath des Vaters. Und läßt sich also nicht schlies-
sen/ GOTT hat dasjenige/ was ich von ihm verlangt/ nicht erfolgen lassen/
deswegen so stehe ich in seiner ungnade/ als welchem er die erhörung versagt.
Was aber die kälte und untüchtigkeit zum gebet anlanget/ so findet sich die-
selbe gemeiniglich/ wo wir das gebet allein erkennen in dem mündlichen oder
doch durch ordenliche conceptus nach einander thuenden hertzens-gebet/ dazu
man offt in solchen ängsten am wenigsten tüchtig ist. Wo wir aber verste-
hen/ was eigenlich das gebet seye/ und wie mit GOTT in dem geist gehandelt
werde/ so ist das verlangen einer solchen ringenden seelen/ welche unabläßig/
auch da sie meinet/ sie könne und dörffte nicht beten/ nur nach der göttlichen
gnade sich sehnet/ das allerkräfftigste/ und fast unauffhörliche/ gebet vor
GOttes ohren; ja viel inniglicher und feuriger/ weil es ohne mittel der zunge/
oder auch nur der reflectirenden gedancken/ selbs aus dem hertzen entsprin-
get/ und darinnen geschihet/ ja nichts als lauter hertz ist. Da heissets einmal/
das verlangen der elenden höret der HErr/ Psalm 10/ 17. und also
nicht nur das übrige mündliche und gebet der gedancken. Daher solche liebe
leute mehr beten als sie selbsten glauben. Der wichtigste einwurff aber ist
fast dieser/ wie man beten oder sich einer erhörung getrösten könne/ weil man
ohne glauben seye/ ohne welchen nichts GOTT dem HErrn gefallen könne/
und also alles gebet vielmehr sünde seye? Hie ist aber nichts mehr nöthig/ als
daß wir recht lernen den glauben erkennen/ und dieses zu unterscheiden wis-
sen/ daß derselbe nicht allemal durch das fühlen erkant werden müsse/ sondern
solches in dem stande der anfechtung gemeiniglich das erste ist/ welches dem
menschen entgehet/ ja keine anfechtung sonderlich starck zusetzen könte/ wo die

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ARTIC. II. SECTIO XXXI.
unterſchied machet/ daß man um die geiſtliche guͤter ohne bedingung/ um die
leibliche mit bedingung des goͤttlichen willens/ beten moͤge: So iſt jenes
wahr/ von den geiſtlichen guͤtern/ die uns ſchlechterdings zur verherrlichung
der ehre GOttes und unſerer ſeligkeit noͤthig ſind/ davon iſt uns goͤttlicher
wille zur gnuͤge offenbahret; Es ſind aber auch geiſtliche guͤter/ von denen wir
eben ſolches nicht ſagen/ und daher nicht unfehlbar wiſſen koͤnnen/ ob dißmal
dieſes gut oder hingegen deſſen verſagung dem willen GOttes gemaͤſſer ſeye.
Zum exempel/ ob zu GOttes ehren mehr dienlich ſeyn werde/ daß ich ſeines
troſts empfindlich gewahr werde/ oder aber in lauter aͤngſten und pruͤffung
der gedult ſtehen ſolle? Daher wo wir recht beten/ ſo muß allezeit unſer gebet
und verlangen des troſts mit der condition verſtanden werden/ wo es nem-
lich goͤttlichem willen alſo gemaͤß ſeyn werde. Folget nun auf das gebet der
empfindliche troſt nicht/ ſo kan ich noch nicht ſagen/ daß das gebet nicht erhoͤ-
ret ſeye/ ſondern iſts mit kindlichem hertzen gethan/ ſo iſts gewiß durch eine
neue ſtaͤrckung in ſeiner gnade erhoͤret/ ob wol nicht nach unſerem willen/
jedennoch nach dem weiſen rath des Vaters. Und laͤßt ſich alſo nicht ſchlieſ-
ſen/ GOTT hat dasjenige/ was ich von ihm verlangt/ nicht erfolgen laſſen/
deswegen ſo ſtehe ich in ſeiner ungnade/ als welchem er die erhoͤrung verſagt.
Was aber die kaͤlte und untuͤchtigkeit zum gebet anlanget/ ſo findet ſich die-
ſelbe gemeiniglich/ wo wir das gebet allein erkennen in dem muͤndlichen oder
doch durch ordenliche conceptus nach einander thuenden hertzens-gebet/ dazu
man offt in ſolchen aͤngſten am wenigſten tuͤchtig iſt. Wo wir aber verſte-
hen/ was eigenlich das gebet ſeye/ und wie mit GOTT in dem geiſt gehandelt
werde/ ſo iſt das verlangen einer ſolchen ringenden ſeelen/ welche unablaͤßig/
auch da ſie meinet/ ſie koͤnne und doͤrffte nicht beten/ nur nach der goͤttlichen
gnade ſich ſehnet/ das allerkraͤfftigſte/ und faſt unauffhoͤrliche/ gebet vor
GOttes ohren; ja viel inniglicher und feuriger/ weil es ohne mittel der zunge/
oder auch nur der reflectirenden gedancken/ ſelbs aus dem hertzen entſprin-
get/ und darinnen geſchihet/ ja nichts als lauter hertz iſt. Da heiſſets einmal/
das verlangen der elenden hoͤret der HErr/ Pſalm 10/ 17. und alſo
nicht nur das uͤbrige muͤndliche und gebet der gedancken. Daher ſolche liebe
leute mehr beten als ſie ſelbſten glauben. Der wichtigſte einwurff aber iſt
faſt dieſer/ wie man beten oder ſich einer erhoͤrung getroͤſten koͤnne/ weil man
ohne glauben ſeye/ ohne welchen nichts GOTT dem HErrn gefallen koͤnne/
und alſo alles gebet vielmehr ſuͤnde ſeye? Hie iſt aber nichts mehr noͤthig/ als
daß wir recht lernen den glauben erkennen/ und dieſes zu unterſcheiden wiſ-
ſen/ daß derſelbe nicht allemal durch das fuͤhlen erkant werden muͤſſe/ ſondern
ſolches in dem ſtande der anfechtung gemeiniglich das erſte iſt/ welches dem
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[849/0857] ARTIC. II. SECTIO XXXI. unterſchied machet/ daß man um die geiſtliche guͤter ohne bedingung/ um die leibliche mit bedingung des goͤttlichen willens/ beten moͤge: So iſt jenes wahr/ von den geiſtlichen guͤtern/ die uns ſchlechterdings zur verherrlichung der ehre GOttes und unſerer ſeligkeit noͤthig ſind/ davon iſt uns goͤttlicher wille zur gnuͤge offenbahret; Es ſind aber auch geiſtliche guͤter/ von denen wir eben ſolches nicht ſagen/ und daher nicht unfehlbar wiſſen koͤnnen/ ob dißmal dieſes gut oder hingegen deſſen verſagung dem willen GOttes gemaͤſſer ſeye. Zum exempel/ ob zu GOttes ehren mehr dienlich ſeyn werde/ daß ich ſeines troſts empfindlich gewahr werde/ oder aber in lauter aͤngſten und pruͤffung der gedult ſtehen ſolle? Daher wo wir recht beten/ ſo muß allezeit unſer gebet und verlangen des troſts mit der condition verſtanden werden/ wo es nem- lich goͤttlichem willen alſo gemaͤß ſeyn werde. Folget nun auf das gebet der empfindliche troſt nicht/ ſo kan ich noch nicht ſagen/ daß das gebet nicht erhoͤ- ret ſeye/ ſondern iſts mit kindlichem hertzen gethan/ ſo iſts gewiß durch eine neue ſtaͤrckung in ſeiner gnade erhoͤret/ ob wol nicht nach unſerem willen/ jedennoch nach dem weiſen rath des Vaters. Und laͤßt ſich alſo nicht ſchlieſ- ſen/ GOTT hat dasjenige/ was ich von ihm verlangt/ nicht erfolgen laſſen/ deswegen ſo ſtehe ich in ſeiner ungnade/ als welchem er die erhoͤrung verſagt. Was aber die kaͤlte und untuͤchtigkeit zum gebet anlanget/ ſo findet ſich die- ſelbe gemeiniglich/ wo wir das gebet allein erkennen in dem muͤndlichen oder doch durch ordenliche conceptus nach einander thuenden hertzens-gebet/ dazu man offt in ſolchen aͤngſten am wenigſten tuͤchtig iſt. Wo wir aber verſte- hen/ was eigenlich das gebet ſeye/ und wie mit GOTT in dem geiſt gehandelt werde/ ſo iſt das verlangen einer ſolchen ringenden ſeelen/ welche unablaͤßig/ auch da ſie meinet/ ſie koͤnne und doͤrffte nicht beten/ nur nach der goͤttlichen gnade ſich ſehnet/ das allerkraͤfftigſte/ und faſt unauffhoͤrliche/ gebet vor GOttes ohren; ja viel inniglicher und feuriger/ weil es ohne mittel der zunge/ oder auch nur der reflectirenden gedancken/ ſelbs aus dem hertzen entſprin- get/ und darinnen geſchihet/ ja nichts als lauter hertz iſt. Da heiſſets einmal/ das verlangen der elenden hoͤret der HErr/ Pſalm 10/ 17. und alſo nicht nur das uͤbrige muͤndliche und gebet der gedancken. Daher ſolche liebe leute mehr beten als ſie ſelbſten glauben. Der wichtigſte einwurff aber iſt faſt dieſer/ wie man beten oder ſich einer erhoͤrung getroͤſten koͤnne/ weil man ohne glauben ſeye/ ohne welchen nichts GOTT dem HErrn gefallen koͤnne/ und alſo alles gebet vielmehr ſuͤnde ſeye? Hie iſt aber nichts mehr noͤthig/ als daß wir recht lernen den glauben erkennen/ und dieſes zu unterſcheiden wiſ- ſen/ daß derſelbe nicht allemal durch das fuͤhlen erkant werden muͤſſe/ ſondern ſolches in dem ſtande der anfechtung gemeiniglich das erſte iſt/ welches dem menſchen entgehet/ ja keine anfechtung ſonderlich ſtarck zuſetzen koͤnte/ wo die fuͤh- P p p p p

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/857>, abgerufen am 23.11.2024.