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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
sondern auch solches schrifftlich gegen mich bezeuget haben. Sonderlich a-
ber ist, mir lieb gewesen/ nachdem es Gott gefallen (dem auch schlechterdings
alle dessen ehre einig gebühret/ und mir nichts zuzumessen habe) meine
schrifften dazu zu segnen/ daß sie eine gelegenheit würden/ der ordnung des
heils besser nachzudencken/ und in der wahrheit befestiget zu werden/ daß der-
selbe bezeuget solche gewesen zu seyn/ theils die allzu grobe und greiffliche
Calumnien, theils die streitschrifften zwischen Hrn. D. Pfeiffern und mir.
Weil erkenne/ aus jenem/ daß der HErr nach seiner weißheit und güte aus
dem bösen gutes und die lügen zur anleitung der wahrheit machen kan/ aus
diesem aber/ daß auch die streit-schrifften/ darmit viele gesorget/ die zeit gantz
vergeblich angewendet zu werden/ nicht gantz ohne frucht geblieben sind. Wie
dann ob wol sonsten zu streit wenig belieben trage/ auch darinnen göttliche
regirung danckbarlich erkannt/ daß mir durch meine gegner anlaßgegeben/
ja ich gleichsam genöthiget worden/ einige materien vorzunehmen und aus-
zuführen/ darzu ich sonsten ausser solcher veranlassung kaum würde gekom-
men seyn. Jch komme aber so bald auff die haupt-absicht des lieben schrei-
bens/ da mein werther Herr vor sich und andere wegen darüber auffgestie-
gener und beywohnender scrupel, ein unbetriegliches kennzeichen verlangt/
ob seine jetzige begierde guts zu thun und die welt zu verleugnen aus
GOtt oder aus der natur seye.
Nun bin ich nicht ungeneigt/ christli-
chen freunden auff ihre begehren nach vermögen zu antworten/ ich sehe aber
diese anfrage also an/ daß zu dero völligen beantwortung die maaß eines
brieffs nicht zu langen sondern ein gantzes buch erfordert werden würde.
Denn zwahr die antwort kurtz gefast werden kan/ es seye solches kennzeichen
der wahre lebendige glaube/ der durch die wahre liebe Gottes und des nech-
sten thätig ist. Es wird aber ohne zweiffel auch die meinung seyn/ woraus
man ferner/ daß unser glaube so dann liebe GOttes und des nechsten rechter
art seye/ kennen/ also das richtige vom falschen schein unterscheiden könne
und solle. Diese materie aber nach nothdurfft vorzustellen/ würden etliche
predigten nicht zureichen/ vielweniger in einem brieff dieselbe nach nothdurfft
können erleutert werden; und zwahr amaller wenigsten von mir/ dem ohne
das die gabe nicht gegeben/ etwas kurtz zu fassen. Daher ich nothwendig
diejenige/ welche meine gedancken hierüber verlangen/ an die schon gethane
arbeit entweder in den predigten von der wiedergeburth/ oder in den tractat
von natur und gnade/ der doch nicht allzu weitläufftig und leicht zu haben ist/
verweisen muß: wiewol als denn bereit bin/ ob jemand der dieselbe gelesen
oder lieset/ an diesem oder jenen absonderlichen puncten anstoß hätte/ und
weitere erklährung/ die ich noch nicht gegeben/ verlangte/ damit nach meinem

maaß

Das fuͤnffte Capitel.
ſondern auch ſolches ſchrifftlich gegen mich bezeuget haben. Sonderlich a-
ber iſt, mir lieb geweſen/ nachdem es Gott gefallen (dem auch ſchlechterdings
alle deſſen ehre einig gebuͤhret/ und mir nichts zuzumeſſen habe) meine
ſchrifften dazu zu ſegnen/ daß ſie eine gelegenheit wuͤrden/ der ordnung des
heils beſſer nachzudencken/ und in der wahrheit befeſtiget zu werden/ daß der-
ſelbe bezeuget ſolche geweſen zu ſeyn/ theils die allzu grobe und greiffliche
Calumnien, theils die ſtreitſchrifften zwiſchen Hrn. D. Pfeiffern und mir.
Weil erkenne/ aus jenem/ daß der HErr nach ſeiner weißheit und guͤte aus
dem boͤſen gutes und die luͤgen zur anleitung der wahrheit machen kan/ aus
dieſem aber/ daß auch die ſtreit-ſchrifften/ darmit viele geſorget/ die zeit gantz
vergeblich angewendet zu werden/ nicht gantz ohne frucht geblieben ſind. Wie
dann ob wol ſonſten zu ſtreit wenig belieben trage/ auch darinnen goͤttliche
regirung danckbarlich erkannt/ daß mir durch meine gegner anlaßgegeben/
ja ich gleichſam genoͤthiget worden/ einige materien vorzunehmen und aus-
zufuͤhren/ darzu ich ſonſten auſſer ſolcher veranlaſſung kaum wuͤrde gekom-
men ſeyn. Jch komme aber ſo bald auff die haupt-abſicht des lieben ſchrei-
bens/ da mein werther Herr vor ſich und andere wegen daruͤber auffgeſtie-
gener und beywohnender ſcrupel, ein unbetriegliches kennzeichen verlangt/
ob ſeine jetzige begierde guts zu thun und die welt zu verleugnen aus
GOtt oder aus der natur ſeye.
Nun bin ich nicht ungeneigt/ chriſtli-
chen freunden auff ihre begehren nach vermoͤgen zu antworten/ ich ſehe aber
dieſe anfrage alſo an/ daß zu dero voͤlligen beantwortung die maaß eines
brieffs nicht zu langen ſondern ein gantzes buch erfordert werden wuͤrde.
Denn zwahr die antwort kurtz gefaſt werden kan/ es ſeye ſolches kennzeichen
der wahre lebendige glaube/ der durch die wahre liebe Gottes und des nech-
ſten thaͤtig iſt. Es wird aber ohne zweiffel auch die meinung ſeyn/ woraus
man ferner/ daß unſer glaube ſo dann liebe GOttes und des nechſten rechter
art ſeye/ kennen/ alſo das richtige vom falſchen ſchein unterſcheiden koͤnne
und ſolle. Dieſe materie aber nach nothdurfft vorzuſtellen/ wuͤrden etliche
predigten nicht zureichen/ vielweniger in einem brieff dieſelbe nach nothdurfft
koͤnnen erleutert werden; und zwahr amaller wenigſten von mir/ dem ohne
das die gabe nicht gegeben/ etwas kurtz zu faſſen. Daher ich nothwendig
diejenige/ welche meine gedancken hieruͤber verlangen/ an die ſchon gethane
arbeit entweder in den predigten von der wiedergeburth/ oder in den tractat
von natur und gnade/ der doch nicht allzu weitlaͤufftig und leicht zu haben iſt/
verweiſen muß: wiewol als denn bereit bin/ ob jemand der dieſelbe geleſen
oder lieſet/ an dieſem oder jenen abſonderlichen puncten anſtoß haͤtte/ und
weitere erklaͤhrung/ die ich noch nicht gegeben/ verlangte/ damit nach meinem

maaß
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[760/0768] Das fuͤnffte Capitel. ſondern auch ſolches ſchrifftlich gegen mich bezeuget haben. Sonderlich a- ber iſt, mir lieb geweſen/ nachdem es Gott gefallen (dem auch ſchlechterdings alle deſſen ehre einig gebuͤhret/ und mir nichts zuzumeſſen habe) meine ſchrifften dazu zu ſegnen/ daß ſie eine gelegenheit wuͤrden/ der ordnung des heils beſſer nachzudencken/ und in der wahrheit befeſtiget zu werden/ daß der- ſelbe bezeuget ſolche geweſen zu ſeyn/ theils die allzu grobe und greiffliche Calumnien, theils die ſtreitſchrifften zwiſchen Hrn. D. Pfeiffern und mir. Weil erkenne/ aus jenem/ daß der HErr nach ſeiner weißheit und guͤte aus dem boͤſen gutes und die luͤgen zur anleitung der wahrheit machen kan/ aus dieſem aber/ daß auch die ſtreit-ſchrifften/ darmit viele geſorget/ die zeit gantz vergeblich angewendet zu werden/ nicht gantz ohne frucht geblieben ſind. Wie dann ob wol ſonſten zu ſtreit wenig belieben trage/ auch darinnen goͤttliche regirung danckbarlich erkannt/ daß mir durch meine gegner anlaßgegeben/ ja ich gleichſam genoͤthiget worden/ einige materien vorzunehmen und aus- zufuͤhren/ darzu ich ſonſten auſſer ſolcher veranlaſſung kaum wuͤrde gekom- men ſeyn. Jch komme aber ſo bald auff die haupt-abſicht des lieben ſchrei- bens/ da mein werther Herr vor ſich und andere wegen daruͤber auffgeſtie- gener und beywohnender ſcrupel, ein unbetriegliches kennzeichen verlangt/ ob ſeine jetzige begierde guts zu thun und die welt zu verleugnen aus GOtt oder aus der natur ſeye. Nun bin ich nicht ungeneigt/ chriſtli- chen freunden auff ihre begehren nach vermoͤgen zu antworten/ ich ſehe aber dieſe anfrage alſo an/ daß zu dero voͤlligen beantwortung die maaß eines brieffs nicht zu langen ſondern ein gantzes buch erfordert werden wuͤrde. Denn zwahr die antwort kurtz gefaſt werden kan/ es ſeye ſolches kennzeichen der wahre lebendige glaube/ der durch die wahre liebe Gottes und des nech- ſten thaͤtig iſt. Es wird aber ohne zweiffel auch die meinung ſeyn/ woraus man ferner/ daß unſer glaube ſo dann liebe GOttes und des nechſten rechter art ſeye/ kennen/ alſo das richtige vom falſchen ſchein unterſcheiden koͤnne und ſolle. Dieſe materie aber nach nothdurfft vorzuſtellen/ wuͤrden etliche predigten nicht zureichen/ vielweniger in einem brieff dieſelbe nach nothdurfft koͤnnen erleutert werden; und zwahr amaller wenigſten von mir/ dem ohne das die gabe nicht gegeben/ etwas kurtz zu faſſen. Daher ich nothwendig diejenige/ welche meine gedancken hieruͤber verlangen/ an die ſchon gethane arbeit entweder in den predigten von der wiedergeburth/ oder in den tractat von natur und gnade/ der doch nicht allzu weitlaͤufftig und leicht zu haben iſt/ verweiſen muß: wiewol als denn bereit bin/ ob jemand der dieſelbe geleſen oder lieſet/ an dieſem oder jenen abſonderlichen puncten anſtoß haͤtte/ und weitere erklaͤhrung/ die ich noch nicht gegeben/ verlangte/ damit nach meinem maaß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 760. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/768>, abgerufen am 23.11.2024.