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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
ste in diejenige freyheit gesetzet ist/ daß es zu einem dienst/ dabey es sich einer
gefahr seiner seelen zu besorgen hätte/ nicht genöthiget oder ausgelieffert wer-
den mag. Hat also dieselbe unrecht erstlich gethan/ so leidet sie zwahr nun-
mehr billich ihren verweiß/ aber es sind manche dinge/ deren anfang unrecht
war/ die folge aber nichts mehr von dem unrechten annimmet/ sondern
vielmehr dessen unterlassung hingegen unrecht werden würde. Also hat die-
selbe mit keinem recht wieder von der Gräfin zu fordern/ daß sie thue/ was ihr
gewissen ihr verbeut/ noch von mir/ sie dazu zu vermögen/ worüber mein eigen
gewissen mich auch beschuldigen würde. Vielmehr wo sie je die mißliche
resolution gefasset/ dahin wieder unglücklich einzugehen/ wovon auszugehen
sie angefangen hatte/ so gehe sie auf ihre gefahr allein/ und beschwehre ihr ge-
wissen nicht weiter/ noch andere mit sich zu führen. Der HErr aber führe sie
doch selbs nicht nach ihrem/ sondern nach seinem rath/ damit er sie auch der-
maleins mit ehren annehmen möge. Jndessen erbarmende und die hertzen
lenckende liebe schließlich sie empfehle. 1692.

NB. Es hatte diese frau/ als sie in Papistischer herrschafft diensten ste-
hende/ da sie wieder zu unsrer religion zu treten gedachte/ ein geweßtes türcki-
sches mägdlein/ so getaufft und an dem papistischen hof gehalten worden/ weil
man daselbs seiner gantz überdrüßig wäre/ mit sich nach Dreßden gebracht/ da
es sich zu unserer religion begeben: Als sie aber zurücke gekommen/ wurde sie
von der herrschafft/ dasselbe wieder herbey zu bringen/ angehalten.)

SECTIO XXVII.
Treuhertzige vermahnung an einen aus dem
Papstum bekehrten/ der lang unordig gewandelt.

WAs derselbige einige tage vor meiner abreise aus N. N. geschrieben/
und in mein hauß gelieffert/ habe ich zwahr damal nicht alsobald lesen
können/ weil bekanter massen mir meine zeit viel zu enge zusammen
gegangen: Jch habe es aber hier in der furcht des HErrn durchgelesen/ und
zwahr schon eine gute weile zu beantworten mir vorgenommen gehabt/ aber
immer biß daher wiederum zu verschieben verursacht worden/ nunmehr aber
nicht länger verschieben sollen/ weil ihres orts ein buß-tag bevorstehet/ ob
auch zu ferner heilsamen buß diese meine antwort in göttlicher krafft etwas
beytragen möchte. Zum allerfördersten dancke ich von ihm und mit ihm dem
himmlischen Vater/ welcher denselben aus der päpstischen finsternüß treulich
herausgeführet/ und zu der seligen erkäntnüß seines heils gebracht hat: Jch
dancke ihm auch/ daß er seinem heiligen wort so viel krafft bey ihm gegeben/
daß er weiß/ was seines GOttes wille gegen ihn und an ihn seye/ also der

weg

Das fuͤnffte Capitel.
ſte in diejenige freyheit geſetzet iſt/ daß es zu einem dienſt/ dabey es ſich einer
gefahr ſeiner ſeelen zu beſorgen haͤtte/ nicht genoͤthiget oder ausgelieffert wer-
den mag. Hat alſo dieſelbe unrecht erſtlich gethan/ ſo leidet ſie zwahr nun-
mehr billich ihren verweiß/ aber es ſind manche dinge/ deren anfang unrecht
war/ die folge aber nichts mehr von dem unrechten annimmet/ ſondern
vielmehr deſſen unterlaſſung hingegen unrecht werden wuͤrde. Alſo hat die-
ſelbe mit keinem recht wieder von der Graͤfin zu fordern/ daß ſie thue/ was ihr
gewiſſen ihr verbeut/ noch von mir/ ſie dazu zu vermoͤgen/ woruͤber mein eigen
gewiſſen mich auch beſchuldigen wuͤrde. Vielmehr wo ſie je die mißliche
reſolution gefaſſet/ dahin wieder ungluͤcklich einzugehen/ wovon auszugehen
ſie angefangen hatte/ ſo gehe ſie auf ihre gefahr allein/ und beſchwehre ihr ge-
wiſſen nicht weiter/ noch andere mit ſich zu fuͤhren. Der HErr aber fuͤhre ſie
doch ſelbs nicht nach ihrem/ ſondern nach ſeinem rath/ damit er ſie auch der-
maleins mit ehren annehmen moͤge. Jndeſſen erbarmende und die hertzen
lenckende liebe ſchließlich ſie empfehle. 1692.

NB. Es hatte dieſe frau/ als ſie in Papiſtiſcher herrſchafft dienſten ſte-
hende/ da ſie wieder zu unſrer religion zu treten gedachte/ ein geweßtes tuͤrcki-
ſches maͤgdlein/ ſo getaufft und an dem papiſtiſchen hof gehalten worden/ weil
man daſelbs ſeiner gantz uͤberdruͤßig waͤre/ mit ſich nach Dreßden gebracht/ da
es ſich zu unſerer religion begeben: Als ſie aber zuruͤcke gekommen/ wurde ſie
von der herrſchafft/ daſſelbe wieder herbey zu bringen/ angehalten.)

SECTIO XXVII.
Treuhertzige vermahnung an einen aus dem
Papſtum bekehrten/ der lang unordig gewandelt.

WAs derſelbige einige tage vor meiner abreiſe aus N. N. geſchrieben/
und in mein hauß gelieffert/ habe ich zwahr damal nicht alſobald leſen
koͤnnen/ weil bekanter maſſen mir meine zeit viel zu enge zuſammen
gegangen: Jch habe es aber hier in der furcht des HErrn durchgeleſen/ und
zwahr ſchon eine gute weile zu beantworten mir vorgenommen gehabt/ aber
immer biß daher wiederum zu verſchieben verurſacht worden/ nunmehr aber
nicht laͤnger verſchieben ſollen/ weil ihres orts ein buß-tag bevorſtehet/ ob
auch zu ferner heilſamen buß dieſe meine antwort in goͤttlicher krafft etwas
beytragen moͤchte. Zum allerfoͤrderſten dancke ich von ihm und mit ihm dem
himmliſchen Vater/ welcher denſelben aus der paͤpſtiſchen finſternuͤß treulich
herausgefuͤhret/ und zu der ſeligen erkaͤntnuͤß ſeines heils gebracht hat: Jch
dancke ihm auch/ daß er ſeinem heiligen wort ſo viel krafft bey ihm gegeben/
daß er weiß/ was ſeines GOttes wille gegen ihn und an ihn ſeye/ alſo der

weg
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[702/0710] Das fuͤnffte Capitel. ſte in diejenige freyheit geſetzet iſt/ daß es zu einem dienſt/ dabey es ſich einer gefahr ſeiner ſeelen zu beſorgen haͤtte/ nicht genoͤthiget oder ausgelieffert wer- den mag. Hat alſo dieſelbe unrecht erſtlich gethan/ ſo leidet ſie zwahr nun- mehr billich ihren verweiß/ aber es ſind manche dinge/ deren anfang unrecht war/ die folge aber nichts mehr von dem unrechten annimmet/ ſondern vielmehr deſſen unterlaſſung hingegen unrecht werden wuͤrde. Alſo hat die- ſelbe mit keinem recht wieder von der Graͤfin zu fordern/ daß ſie thue/ was ihr gewiſſen ihr verbeut/ noch von mir/ ſie dazu zu vermoͤgen/ woruͤber mein eigen gewiſſen mich auch beſchuldigen wuͤrde. Vielmehr wo ſie je die mißliche reſolution gefaſſet/ dahin wieder ungluͤcklich einzugehen/ wovon auszugehen ſie angefangen hatte/ ſo gehe ſie auf ihre gefahr allein/ und beſchwehre ihr ge- wiſſen nicht weiter/ noch andere mit ſich zu fuͤhren. Der HErr aber fuͤhre ſie doch ſelbs nicht nach ihrem/ ſondern nach ſeinem rath/ damit er ſie auch der- maleins mit ehren annehmen moͤge. Jndeſſen erbarmende und die hertzen lenckende liebe ſchließlich ſie empfehle. 1692. NB. Es hatte dieſe frau/ als ſie in Papiſtiſcher herrſchafft dienſten ſte- hende/ da ſie wieder zu unſrer religion zu treten gedachte/ ein geweßtes tuͤrcki- ſches maͤgdlein/ ſo getaufft und an dem papiſtiſchen hof gehalten worden/ weil man daſelbs ſeiner gantz uͤberdruͤßig waͤre/ mit ſich nach Dreßden gebracht/ da es ſich zu unſerer religion begeben: Als ſie aber zuruͤcke gekommen/ wurde ſie von der herrſchafft/ daſſelbe wieder herbey zu bringen/ angehalten.) SECTIO XXVII. Treuhertzige vermahnung an einen aus dem Papſtum bekehrten/ der lang unordig gewandelt. WAs derſelbige einige tage vor meiner abreiſe aus N. N. geſchrieben/ und in mein hauß gelieffert/ habe ich zwahr damal nicht alſobald leſen koͤnnen/ weil bekanter maſſen mir meine zeit viel zu enge zuſammen gegangen: Jch habe es aber hier in der furcht des HErrn durchgeleſen/ und zwahr ſchon eine gute weile zu beantworten mir vorgenommen gehabt/ aber immer biß daher wiederum zu verſchieben verurſacht worden/ nunmehr aber nicht laͤnger verſchieben ſollen/ weil ihres orts ein buß-tag bevorſtehet/ ob auch zu ferner heilſamen buß dieſe meine antwort in goͤttlicher krafft etwas beytragen moͤchte. Zum allerfoͤrderſten dancke ich von ihm und mit ihm dem himmliſchen Vater/ welcher denſelben aus der paͤpſtiſchen finſternuͤß treulich herausgefuͤhret/ und zu der ſeligen erkaͤntnuͤß ſeines heils gebracht hat: Jch dancke ihm auch/ daß er ſeinem heiligen wort ſo viel krafft bey ihm gegeben/ daß er weiß/ was ſeines GOttes wille gegen ihn und an ihn ſeye/ alſo der weg

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/710>, abgerufen am 23.11.2024.