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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XVIII.

VI. Daher aus bißher ausgeführtem die antwort (dero ursach aus
obigen erhellet) auff vorgelegte frage dahin fällt/ daß ein privatus salva
conscientia
in diesem casu zwahr zu einiger obbesch riebenen separatione ad
tempus
und dissolutione pactorum dotalium, nicht aber eventual-tren-
nung ehelicher conversation und cohabitation, ohne formlichen proceß co-
ram judice
und genaue ventilirung der motiven, ad evitandum majus ma-
lum
und weilen mann und weib in petitione divortii einstimmig/ cooperi-
ren und sich gebrauchen lassen können.

Wie aber hierbey dem petito nach meinem vermögen ein genügen ge-
than zu haben/ verhoffe: also kan doch nicht umhin/ dabey wegen der perso-
nen selbs eine erinnerung zu thun/ wie sie gegenwärtig ihren stand vor GOtt
anzusehen haben/ um seiner gnade und segens sich getrösten zu können. Von
seiten des mannes finden sich mängel gnug: Er wird beschrieben als ein
mann von bekanter morosität und unerträglichkeit/ und also dem es an der
gelindigkeit/ sanfftmuth und freundlichkeit/ welche sich bey allen Christen
als eigenschafften der liebe/ des glaubens erster frucht/ finden solte/ aller-
dings gemangelt. Daher/ was ich mich jetzo zu seinem Christenthum son-
sten gutes zu versichern habe/ nicht sehen kan: wol aber mag ich christlich ver-
muthen/ daß GOTT in eine dergleichen seinem willen gar nicht gemässe ehe
zu gerathen über ihn verhenget habe/ damit er zur erkäntnüß seiner unart/
und zur brechung seines eigenen willens/ daher zur besserung/ gelangen
möchte. Solchen göttlichen rath solte er billich in acht genommen/ und
was derselbe gesucht/ auch platz bey sich gelassen haben/ daß er/ mit so viel
mehrer gedult seines weibes so gemüths-als leibes-schwachheit tragende/
seinen willen zu brechen (darinnen ein so vornehmes stück unsers Christen-
thums bestehet) gelernet/ auch erkant hätte/ seine unart bedörffe einer sol-
chen artzeney/ und solte er also GOTT gedultig darinnen stille halten. Daß
aber an statt solcher gedultiger zu hertzensziehung desjenigen/ was GOTT
wolmeinend hiemit bey ihmsuche/ nur tägliches zancken/ stätiges lästern und
schmähen/ auch endlich gefährliche thätlichkeit leyder erfolget/ ist eine an-
zeige/ daß solche wolmeinende züchtigung des HErrn an ihme noch biß itzt
vergebens abgegangen/ und GOTT den zweck an ihm nicht erhalten habe/
den er gesucht. Bey der frauen findet sich eben dergleichen: indem nicht
allein von ihrer auch in voriger ehe gezeigter/ aber von solchem mann gedul-
deter und anitzo reassumirter verdrießlicher unart/ meldung gethan wird:
sondern es kommt noch schwehrer schuld darzu auff sie/ daß sie den mann ge-
fährlich hintergangen; als die gewust/ oder je wissen können und sollen/ daß
sie zu ehlicher beywohnung untüchtig/ und deswegen mit verschweigung

sol-
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SECTIO XVIII.

VI. Daher aus bißher ausgefuͤhrtem die antwort (dero urſach aus
obigen erhellet) auff vorgelegte frage dahin faͤllt/ daß ein privatus ſalva
conſcientia
in dieſem caſu zwahr zu einiger obbeſch riebenen ſeparatione ad
tempus
und diſſolutione pactorum dotalium, nicht aber eventual-tren-
nung ehelicher converſation und cohabitation, ohne formlichen proceß co-
ram judice
und genaue ventilirung der motiven, ad evitandum majus ma-
lum
und weilen mann und weib in petitione divortii einſtimmig/ cooperi-
ren und ſich gebrauchen laſſen koͤnnen.

Wie aber hierbey dem petito nach meinem vermoͤgen ein genuͤgen ge-
than zu haben/ verhoffe: alſo kan doch nicht umhin/ dabey wegen der perſo-
nen ſelbs eine erinnerung zu thun/ wie ſie gegenwaͤrtig ihren ſtand vor GOtt
anzuſehen haben/ um ſeiner gnade und ſegens ſich getroͤſten zu koͤnnen. Von
ſeiten des mannes finden ſich maͤngel gnug: Er wird beſchrieben als ein
mann von bekanter moroſitaͤt und unertraͤglichkeit/ und alſo dem es an der
gelindigkeit/ ſanfftmuth und freundlichkeit/ welche ſich bey allen Chriſten
als eigenſchafften der liebe/ des glaubens erſter frucht/ finden ſolte/ aller-
dings gemangelt. Daher/ was ich mich jetzo zu ſeinem Chriſtenthum ſon-
ſten gutes zu verſichern habe/ nicht ſehen kan: wol aber mag ich chriſtlich ver-
muthen/ daß GOTT in eine dergleichen ſeinem willen gar nicht gemaͤſſe ehe
zu gerathen uͤber ihn verhenget habe/ damit er zur erkaͤntnuͤß ſeiner unart/
und zur brechung ſeines eigenen willens/ daher zur beſſerung/ gelangen
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mehrer gedult ſeines weibes ſo gemuͤths-als leibes-ſchwachheit tragende/
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thums beſtehet) gelernet/ auch erkant haͤtte/ ſeine unart bedoͤrffe einer ſol-
chen artzeney/ und ſolte er alſo GOTT gedultig darinnen ſtille halten. Daß
aber an ſtatt ſolcher gedultiger zu hertzensziehung desjenigen/ was GOTT
wolmeinend hiemit bey ihmſuche/ nur taͤgliches zancken/ ſtaͤtiges laͤſtern und
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zeige/ daß ſolche wolmeinende zuͤchtigung des HErrn an ihme noch biß itzt
vergebens abgegangen/ und GOTT den zweck an ihm nicht erhalten habe/
den er geſucht. Bey der frauen findet ſich eben dergleichen: indem nicht
allein von ihrer auch in voriger ehe gezeigter/ aber von ſolchem mann gedul-
deter und anitzo reaſſumirter verdrießlicher unart/ meldung gethan wird:
ſondern es kommt noch ſchwehrer ſchuld darzu auff ſie/ daß ſie den mann ge-
faͤhrlich hintergangen; als die gewuſt/ oder je wiſſen koͤnnen und ſollen/ daß
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[625/0633] SECTIO XVIII. VI. Daher aus bißher ausgefuͤhrtem die antwort (dero urſach aus obigen erhellet) auff vorgelegte frage dahin faͤllt/ daß ein privatus ſalva conſcientia in dieſem caſu zwahr zu einiger obbeſch riebenen ſeparatione ad tempus und diſſolutione pactorum dotalium, nicht aber eventual-tren- nung ehelicher converſation und cohabitation, ohne formlichen proceß co- ram judice und genaue ventilirung der motiven, ad evitandum majus ma- lum und weilen mann und weib in petitione divortii einſtimmig/ cooperi- ren und ſich gebrauchen laſſen koͤnnen. Wie aber hierbey dem petito nach meinem vermoͤgen ein genuͤgen ge- than zu haben/ verhoffe: alſo kan doch nicht umhin/ dabey wegen der perſo- nen ſelbs eine erinnerung zu thun/ wie ſie gegenwaͤrtig ihren ſtand vor GOtt anzuſehen haben/ um ſeiner gnade und ſegens ſich getroͤſten zu koͤnnen. Von ſeiten des mannes finden ſich maͤngel gnug: Er wird beſchrieben als ein mann von bekanter moroſitaͤt und unertraͤglichkeit/ und alſo dem es an der gelindigkeit/ ſanfftmuth und freundlichkeit/ welche ſich bey allen Chriſten als eigenſchafften der liebe/ des glaubens erſter frucht/ finden ſolte/ aller- dings gemangelt. Daher/ was ich mich jetzo zu ſeinem Chriſtenthum ſon- ſten gutes zu verſichern habe/ nicht ſehen kan: wol aber mag ich chriſtlich ver- muthen/ daß GOTT in eine dergleichen ſeinem willen gar nicht gemaͤſſe ehe zu gerathen uͤber ihn verhenget habe/ damit er zur erkaͤntnuͤß ſeiner unart/ und zur brechung ſeines eigenen willens/ daher zur beſſerung/ gelangen moͤchte. Solchen goͤttlichen rath ſolte er billich in acht genommen/ und was derſelbe geſucht/ auch platz bey ſich gelaſſen haben/ daß er/ mit ſo viel mehrer gedult ſeines weibes ſo gemuͤths-als leibes-ſchwachheit tragende/ ſeinen willen zu brechen (darinnen ein ſo vornehmes ſtuͤck unſers Chriſten- thums beſtehet) gelernet/ auch erkant haͤtte/ ſeine unart bedoͤrffe einer ſol- chen artzeney/ und ſolte er alſo GOTT gedultig darinnen ſtille halten. Daß aber an ſtatt ſolcher gedultiger zu hertzensziehung desjenigen/ was GOTT wolmeinend hiemit bey ihmſuche/ nur taͤgliches zancken/ ſtaͤtiges laͤſtern und ſchmaͤhen/ auch endlich gefaͤhrliche thaͤtlichkeit leyder erfolget/ iſt eine an- zeige/ daß ſolche wolmeinende zuͤchtigung des HErrn an ihme noch biß itzt vergebens abgegangen/ und GOTT den zweck an ihm nicht erhalten habe/ den er geſucht. Bey der frauen findet ſich eben dergleichen: indem nicht allein von ihrer auch in voriger ehe gezeigter/ aber von ſolchem mann gedul- deter und anitzo reaſſumirter verdrießlicher unart/ meldung gethan wird: ſondern es kommt noch ſchwehrer ſchuld darzu auff ſie/ daß ſie den mann ge- faͤhrlich hintergangen; als die gewuſt/ oder je wiſſen koͤnnen und ſollen/ daß ſie zu ehlicher beywohnung untuͤchtig/ und deswegen mit verſchweigung ſol- K k k k

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/633>, abgerufen am 22.11.2024.