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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das vierdte Capitel.
pacta nicht cassiren/ weil ihnen die dissolutio matrimonii publice confirma-
ti
nicht zustehet. Begreiffen sie aber bloß dahin gewisse dispositiones über
die beyderseits güter/ ist mir zwahr so eigentlich nicht wissend/ ob etwa die
weltliche rechten einige sonderbare hinderungen setzen möchten. Doch finde
ich meines orts dergleichen keine/ wie ja offt aus andern ursachen/ zwischen
gantz einigen eheleuten/ mit beyder bewilligung die pacta auffgehoben/ und
andere dispositiones gemacht werden. Auffs wenigste sehe ich darinnen
keine verletzung des gewissens oder einige hinderung auff seiten desselbigen:
sondern möchte vielleicht gantz gerecht seyn/ daß das weib/ so den mann er-
fährt und angesetzt/ diejenige beneficia verliehre/ die sie sonst ex pactis dota-
libus
hätte praetendiren können/ hingegen daß sich denn maritus wiederum
derjenigen begebe/ welche ihm von dem weib sonsten gebühret/ da er ihre per-
son selbs nicht zu behalten gedencket. Wobey noch dieses zu erinnern/ wo
dergleichen neue pacta gemacht würden/ daß damit gar vorsichtig verfahren
werden müste: indem man leicht dadurch der folgends suchenden richterli-
chen separation eine hinderung setzen möchte/ daß eine solche transaction,
ex causa impotentiae
dahin gedeutet würde/ ob wäre das sonsten dar-
aus habende recht nachgelassen/ und agnoscire nach cassirung der er-
sten durch die andere pacta der mann solch sein weib/ deren mangel er weiß/
aufs neue wiederum vor sein eheweib/ wie er ja sie in solchen pactis vor eige-
ner separation nicht anders als mit solchem nahmen nennen könte. Was a-
ber anlanget/ die darauff von stlbsten vornehmende/ und also ohne vorhaben
wiederum zusammen zu kommen anfangende/ separationem quoad tho-
rum & mensam;
halte ich dieselbe gantz vor unzuläßig und unnützlich.
Unzuläßig/ weil damit die eheleute selbs und die freunde in das richter-
liche amt greiffen/ und dasjenige decidiren/ was die Obrigkeit alleine
zu decidiren/ hat/ auch solches wircklich exequiren ante latam sententiam:
Unnützlich/ weil ohneracht dessen alles dasjenige/ was zur gründlichen un-
tersuchung der sache gehöret/ eben so wol von der Obrigkeit muß erkant/ exa-
mini
ret und erwogen werden/ was dieselbe zusuchen hat/ wo die sache ihr noch
integra übergeben wird. Deßwegen wo man je etwas/ weitläufftigkeit zu
vermeiden/ die sache znsammen ziehen wolte/ nicht so wol solches mittel rath-
sam scheinet/ als dieses/ daß/ wo einige neue pacta, welches in der eheleute
macht allezeit stehen wird/ aufgerichtet/ man so bald die sache einem Evangeli-
schen ehe-gerichte mit alsobald geschehender darlegung aller momentorum ex
utraque parte
und andeutung der erweißthümer/ übergebe/ daß dasselbe
nichts anders dabey thue/ als das vorgebrachte/ dessen gewißheit und wich-
tigkeit erwege/ und so bald darüber spreche.

VI. Da-

Das vierdte Capitel.
pacta nicht caſſiren/ weil ihnen die diſſolutio matrimonii publice confirma-
ti
nicht zuſtehet. Begreiffen ſie aber bloß dahin gewiſſe diſpoſitiones uͤber
die beyderſeits guͤter/ iſt mir zwahr ſo eigentlich nicht wiſſend/ ob etwa die
weltliche rechten einige ſonderbare hinderungen ſetzen moͤchten. Doch finde
ich meines orts dergleichen keine/ wie ja offt aus andern urſachen/ zwiſchen
gantz einigen eheleuten/ mit beyder bewilligung die pacta auffgehoben/ und
andere diſpoſitiones gemacht werden. Auffs wenigſte ſehe ich darinnen
keine verletzung des gewiſſens oder einige hinderung auff ſeiten deſſelbigen:
ſondern moͤchte vielleicht gantz gerecht ſeyn/ daß das weib/ ſo den mann er-
faͤhrt und angeſetzt/ diejenige beneficia verliehre/ die ſie ſonſt ex pactis dota-
libus
haͤtte prætendiren koͤnnen/ hingegen daß ſich denn maritus wiederum
derjenigen begebe/ welche ihm von dem weib ſonſten gebuͤhret/ da er ihre per-
ſon ſelbs nicht zu behalten gedencket. Wobey noch dieſes zu erinnern/ wo
dergleichen neue pacta gemacht wuͤrden/ daß damit gar vorſichtig verfahren
werden muͤſte: indem man leicht dadurch der folgends ſuchenden richterli-
chen ſeparation eine hinderung ſetzen moͤchte/ daß eine ſolche transaction,
ex cauſa impotentiæ
dahin gedeutet wuͤrde/ ob waͤre das ſonſten dar-
aus habende recht nachgelaſſen/ und agnoſcire nach caſſirung der er-
ſten durch die andere pacta der mann ſolch ſein weib/ deren mangel er weiß/
aufs neue wiederum vor ſein eheweib/ wie er ja ſie in ſolchen pactis vor eige-
ner ſeparation nicht anders als mit ſolchem nahmen nennen koͤnte. Was a-
ber anlanget/ die darauff von ſtlbſten vornehmende/ und alſo ohne vorhaben
wiederum zuſammen zu kommen anfangende/ ſeparationem quoad tho-
rum & menſam;
halte ich dieſelbe gantz vor unzulaͤßig und unnuͤtzlich.
Unzulaͤßig/ weil damit die eheleute ſelbs und die freunde in das richter-
liche amt greiffen/ und dasjenige decidiren/ was die Obrigkeit alleine
zu decidiren/ hat/ auch ſolches wircklich exequiren ante latam ſententiam:
Unnuͤtzlich/ weil ohneracht deſſen alles dasjenige/ was zur gruͤndlichen un-
terſuchung der ſache gehoͤret/ eben ſo wol von der Obrigkeit muß erkant/ exa-
mini
ret und erwogen werden/ was dieſelbe zuſuchen hat/ wo die ſache ihr noch
integra uͤbergeben wird. Deßwegen wo man je etwas/ weitlaͤufftigkeit zu
vermeiden/ die ſache znſammen ziehen wolte/ nicht ſo wol ſolches mittel rath-
ſam ſcheinet/ als dieſes/ daß/ wo einige neue pacta, welches in der eheleute
macht allezeit ſtehen wird/ aufgerichtet/ man ſo bald die ſache einem Evangeli-
ſchen ehe-gerichte mit alſobald geſchehender daꝛlegung aller momentorum ex
utraque parte
und andeutung der erweißthuͤmer/ uͤbergebe/ daß daſſelbe
nichts anders dabey thue/ als das vorgebrachte/ deſſen gewißheit und wich-
tigkeit erwege/ und ſo bald daruͤber ſpreche.

VI. Da-
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[624/0632] Das vierdte Capitel. pacta nicht caſſiren/ weil ihnen die diſſolutio matrimonii publice confirma- ti nicht zuſtehet. Begreiffen ſie aber bloß dahin gewiſſe diſpoſitiones uͤber die beyderſeits guͤter/ iſt mir zwahr ſo eigentlich nicht wiſſend/ ob etwa die weltliche rechten einige ſonderbare hinderungen ſetzen moͤchten. Doch finde ich meines orts dergleichen keine/ wie ja offt aus andern urſachen/ zwiſchen gantz einigen eheleuten/ mit beyder bewilligung die pacta auffgehoben/ und andere diſpoſitiones gemacht werden. Auffs wenigſte ſehe ich darinnen keine verletzung des gewiſſens oder einige hinderung auff ſeiten deſſelbigen: ſondern moͤchte vielleicht gantz gerecht ſeyn/ daß das weib/ ſo den mann er- faͤhrt und angeſetzt/ diejenige beneficia verliehre/ die ſie ſonſt ex pactis dota- libus haͤtte prætendiren koͤnnen/ hingegen daß ſich denn maritus wiederum derjenigen begebe/ welche ihm von dem weib ſonſten gebuͤhret/ da er ihre per- ſon ſelbs nicht zu behalten gedencket. Wobey noch dieſes zu erinnern/ wo dergleichen neue pacta gemacht wuͤrden/ daß damit gar vorſichtig verfahren werden muͤſte: indem man leicht dadurch der folgends ſuchenden richterli- chen ſeparation eine hinderung ſetzen moͤchte/ daß eine ſolche transaction, ex cauſa impotentiæ dahin gedeutet wuͤrde/ ob waͤre das ſonſten dar- aus habende recht nachgelaſſen/ und agnoſcire nach caſſirung der er- ſten durch die andere pacta der mann ſolch ſein weib/ deren mangel er weiß/ aufs neue wiederum vor ſein eheweib/ wie er ja ſie in ſolchen pactis vor eige- ner ſeparation nicht anders als mit ſolchem nahmen nennen koͤnte. Was a- ber anlanget/ die darauff von ſtlbſten vornehmende/ und alſo ohne vorhaben wiederum zuſammen zu kommen anfangende/ ſeparationem quoad tho- rum & menſam; halte ich dieſelbe gantz vor unzulaͤßig und unnuͤtzlich. Unzulaͤßig/ weil damit die eheleute ſelbs und die freunde in das richter- liche amt greiffen/ und dasjenige decidiren/ was die Obrigkeit alleine zu decidiren/ hat/ auch ſolches wircklich exequiren ante latam ſententiam: Unnuͤtzlich/ weil ohneracht deſſen alles dasjenige/ was zur gruͤndlichen un- terſuchung der ſache gehoͤret/ eben ſo wol von der Obrigkeit muß erkant/ exa- miniret und erwogen werden/ was dieſelbe zuſuchen hat/ wo die ſache ihr noch integra uͤbergeben wird. Deßwegen wo man je etwas/ weitlaͤufftigkeit zu vermeiden/ die ſache znſammen ziehen wolte/ nicht ſo wol ſolches mittel rath- ſam ſcheinet/ als dieſes/ daß/ wo einige neue pacta, welches in der eheleute macht allezeit ſtehen wird/ aufgerichtet/ man ſo bald die ſache einem Evangeli- ſchen ehe-gerichte mit alſobald geſchehender daꝛlegung aller momentorum ex utraque parte und andeutung der erweißthuͤmer/ uͤbergebe/ daß daſſelbe nichts anders dabey thue/ als das vorgebrachte/ deſſen gewißheit und wich- tigkeit erwege/ und ſo bald daruͤber ſpreche. VI. Da-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/632>, abgerufen am 22.11.2024.