Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. keit von ein ander bleiben/ und das gesunde theil/ wo es ledig zu bleiben nichtgedencket/ die freyheit anderwertlichen verehlichung geniessen möge. So lange aber solche declaratio judicis nicht geschihet/ wird die ehe äusserlich als gültig erkant/ sie müssen auch gegen ein ander sich nicht anders halten/ als wären sie wahrhafftige eheleute. Also wo sie gerichtlich die sache nicht be- gehren auszumachen/ sie von ein ander sich nicht trennen dörffen/ sondern ausser dem ehebette/ weil es da nicht müglich/ doch im übrigen als eheleute/ oder brüder und schwestern und vertrauteste freunde/ beysammen zu leben verbunden sind. IV. Was nun mehr den ersten vorschlag betrifft/ ob die beyden eheleu- es
Das vierdte Capitel. keit von ein ander bleiben/ und das geſunde theil/ wo es ledig zu bleiben nichtgedencket/ die freyheit anderwertlichen verehlichung genieſſen moͤge. So lange aber ſolche declaratio judicis nicht geſchihet/ wird die ehe aͤuſſerlich als guͤltig erkant/ ſie muͤſſen auch gegen ein ander ſich nicht anders halten/ als waͤren ſie wahrhafftige eheleute. Alſo wo ſie gerichtlich die ſache nicht be- gehren auszumachen/ ſie von ein ander ſich nicht trennen doͤrffen/ ſondern auſſer dem ehebette/ weil es da nicht muͤglich/ doch im uͤbrigen als eheleute/ oder bruͤder und ſchweſtern und vertrauteſte freunde/ beyſammen zu leben verbunden ſind. IV. Was nun mehr den erſten vorſchlag betrifft/ ob die beyden eheleu- es
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Das vierdte Capitel.
keit von ein ander bleiben/ und das geſunde theil/ wo es ledig zu bleiben nicht
gedencket/ die freyheit anderwertlichen verehlichung genieſſen moͤge. So
lange aber ſolche declaratio judicis nicht geſchihet/ wird die ehe aͤuſſerlich als
guͤltig erkant/ ſie muͤſſen auch gegen ein ander ſich nicht anders halten/ als
waͤren ſie wahrhafftige eheleute. Alſo wo ſie gerichtlich die ſache nicht be-
gehren auszumachen/ ſie von ein ander ſich nicht trennen doͤrffen/ ſondern
auſſer dem ehebette/ weil es da nicht muͤglich/ doch im uͤbrigen als eheleute/
oder bruͤder und ſchweſtern und vertrauteſte freunde/ beyſammen zu leben
verbunden ſind.
IV. Was nun mehr den erſten vorſchlag betrifft/ ob die beyden eheleu-
te ad vitandum majus malum mit der freunde præſcitu auff eine zeitlang
zur prob ſich ſelbs von ein ander thaͤten/ der mann im abſonderlichen zimmer/
als auch die fraue im hauß ihre mahlzeit hielten/ und ſchlaffſtelle ſuchten/ al-
ſo ein ander nur die ſtaͤtige præſentiam entzoͤgen/ ſo finde in demſelben nichts
unrechts oder unzulaͤßiges; nicht zwahr aus dieſem fundament, weil ohne
das keine buͤndige ehe zwiſchen ihnen ſeye/ und alſo die verpflichtung zu aller
art cohabitation ſich nicht bey ihnen finde; denn ich anitzo geſtanden/ daß
biß auff die declarationem judicis ſie nicht anders als vor eheleute von an-
dern angeſehen werden/ und ſich auch dem gemaͤß halten muͤſſen. Sondern
auff dieſem in der ſchrifft befindlichen principio, weil 1. Cor. 7/ 5. der Apo-
ſtel die ſchuldige beywohnung/ darzu eins dem andern verbunden/ dahin re-
ſtringiret/ daß er ſaget: Entziehe ſich nicht eins dem andern/ es ſey denn
aus beyder bewilligung eine zeitlang/ daß ihr zum faſten und beten
muſſe habet/ und kommt wiederum zuſammen/ auff daß euch der ſa-
tan nicht verſuche um euer unkeuſchheit willen. Woraus wir ſehen/
daß auff einige art/ auch bey denen/ die natuͤrlicher weiſe einander beyzu-
wohnen vermoͤgen/ erlaubet ſeye/ ſich einander zu entziehen. Doch 1. daß
es geſchehe nicht auff immer/ ſondern nur eine gewiſſe zeit/ um wiederum fol-
gendes zuſammen zu kommen. 2. Mit beyder bewilligung. 3. Zu ehrlicher
urſach/ wie daſelbs gedacht wird/ um zum faſten und beten muſſe zu haben.
Daher weil in gethanem vorſchlag die beyde erſte conditiones befindlich/
zweiffele ich nicht/ obſchon in dem dritten nicht eben jene urſach ſich befindet/
daß doch derſelben dieſe æquivalent ſeye/ die man hier ſuchet/ daß durch ei-
niger zeit verflieſſung/ wo die taͤgliche widrige præſenz, und daher taͤgliche
occaſion zu zancken und mehrerer verbitterung eine weile verhindert wuͤrde/
die ſache dahin gebracht werden moͤchte/ daß nach dem die affecten ſich etwas
geleget/ die gemuͤther beſaͤnfftiget wuͤrden/ daraus/ wo man folgends wie-
derum zu ſammen kaͤme/ ein friedlicher leben gehofft werden moͤchte. So iſt
es
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