Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. derselbigen nachgehenget/ und nicht eher nachgelassen/ biß er seine böse lüsteins werck gesetzet. Welche (und zwahr/ so viel ich sehe/ öffters wiederholte) schand-that/ nicht nur bloß dahin als eine gemeine hurerey/ die doch schon den menschen aus dem reich GOttes ausschliesset/ sondern für einen ehe- bruch zu halten/ von beyden theilen. Jn dem Silanus von sich selbs/ wie er Fulviae verknüpfft seye/ und hingegen auch der Liviae Condition, (die wir droben gesehen/ daß sie nicht habe heyrathen sollen) aus ihrer relation wohl gewust. Und dieses ist abermal eine sünde/ die nicht etwa aus einer mensch- lichen übereilung und einmaliger übernehmung des starcken affects herge- kommen/ sondern so vielmehr boßheit in sich fasset/ als länger sie continui- ret worden/ und also zeit genug war/ sich darüber zu besinnen: Ja auch weil alles solches vor den leuten unter dem falschen schein/ ob wären sie eheleute/ verdecket worden. Welche simulation auch nicht geringe sünde ist. Zu allem vorigen kommt noch 5. daß/ nach dem Silanus, innhalts der re- Li-
Das vierdte Capitel. derſelbigen nachgehenget/ und nicht eher nachgelaſſen/ biß er ſeine boͤſe luͤſteins werck geſetzet. Welche (und zwahr/ ſo viel ich ſehe/ oͤffters wiederholte) ſchand-that/ nicht nur bloß dahin als eine gemeine hurerey/ die doch ſchon den menſchen aus dem reich GOttes ausſchlieſſet/ ſondern fuͤr einen ehe- bruch zu halten/ von beyden theilen. Jn dem Silanus von ſich ſelbs/ wie er Fulviæ verknuͤpfft ſeye/ und hingegen auch der Liviæ Condition, (die wir droben geſehen/ daß ſie nicht habe heyrathen ſollen) aus ihrer relation wohl gewuſt. Und dieſes iſt abermal eine ſuͤnde/ die nicht etwa aus einer menſch- lichen uͤbereilung und einmaliger uͤbernehmung des ſtarcken affects herge- kommen/ ſondern ſo vielmehr boßheit in ſich faſſet/ als laͤnger ſie continui- ret worden/ und alſo zeit genug war/ ſich daruͤber zu beſinnen: Ja auch weil alles ſolches vor den leuten unter dem falſchen ſchein/ ob waͤren ſie eheleute/ verdecket worden. Welche ſimulation auch nicht geringe ſuͤnde iſt. Zu allem vorigen kom̃t noch 5. daß/ nach dem Silanus, innhalts der re- Li-
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Das vierdte Capitel.
derſelbigen nachgehenget/ und nicht eher nachgelaſſen/ biß er ſeine boͤſe luͤſte
ins werck geſetzet. Welche (und zwahr/ ſo viel ich ſehe/ oͤffters wiederholte)
ſchand-that/ nicht nur bloß dahin als eine gemeine hurerey/ die doch ſchon
den menſchen aus dem reich GOttes ausſchlieſſet/ ſondern fuͤr einen ehe-
bruch zu halten/ von beyden theilen. Jn dem Silanus von ſich ſelbs/ wie er
Fulviæ verknuͤpfft ſeye/ und hingegen auch der Liviæ Condition, (die wir
droben geſehen/ daß ſie nicht habe heyrathen ſollen) aus ihrer relation wohl
gewuſt. Und dieſes iſt abermal eine ſuͤnde/ die nicht etwa aus einer menſch-
lichen uͤbereilung und einmaliger uͤbernehmung des ſtarcken affects herge-
kommen/ ſondern ſo vielmehr boßheit in ſich faſſet/ als laͤnger ſie continui-
ret worden/ und alſo zeit genug war/ ſich daruͤber zu beſinnen: Ja auch weil
alles ſolches vor den leuten unter dem falſchen ſchein/ ob waͤren ſie eheleute/
verdecket worden. Welche ſimulation auch nicht geringe ſuͤnde iſt.
Zu allem vorigen kom̃t noch 5. daß/ nach dem Silanus, innhalts der re-
lation, von GOtt zur buſſe gebracht worden/ und alſo dieſe frucht auch drauf
folgen ſolte/ in allen dingen ſo viel ſorgfaͤltiger zu verfahren/ und immer das
gewiſſeſte und ſicherſte zu erwehlen/ um alle gelegenheit der ſuͤnden zu ver-
meiden/ ich gleichwol ſehe/ daß Silanus auch hierinnen ſolche frucht der buſſe
noch nicht alſo habe bey ſich ſpuͤhren und ſehen laſſen/ als die vorige ausge-
ſtandene gewiſſens-angſt/ und deſtomehr ſchuldige danckbarkeit/ erfordert
haͤtte. Jn dem/ da von einem Theologo ihm eine vorhergehende gerichtli-
che ſcheidung Liviæ von Verre; und deßwegen die Citation dieſes gerathen
worden/ ob wol derſelbe mit gewiſſer condition ſolche vor nicht nothwendig
erachtet (ſo ich an ſeinen ort geſtellt ſeyn laſſe/ weil ich die formalia nicht ge-
ſehen/ und alſo nicht weiß/ ob er das matrimonium ſo ohne jene ſcheidung
geſchehen war/ pro recto oder nur rato gehalten) jener rath/ als aufs we-
nigſte der ſicherſte/ zu ergreiffen geweſen waͤre. Jn dem die tranquillitaͤt
des gewiſſens ſonderlich von einem/ der mit ſolcher angſt ſo empfindlich ein-
mal bereits behafftet geweſen/ und ſich all ſein lebtag billig vor ſolcher be-
betruͤbnuͤß ſeiner ſeelen mit Hißkia Eſa. 38/ 15. haͤtte ſcheuen ſollen/ allen
andern/ auff der andern ſeiten ſonſten beſorgenden beſchwehrden waͤre vor-
zu ziehen geweſen. Wie ſich auch itzo zeiget/ daß wuͤrcklich das gewiſſen
nicht gnugſam hat befriediget werden koͤnnen/ ſo aber wuͤrde geſchehen ſeyn/
dafern jenem rath folge geleiſtet worden. Daher auch dieſes/ wie in glei-
chen/ daß er zugegeben/ mit einigem betrug des beichtvaters Liviæ die Co-
pulation zu erlangen/ nicht ohne ſuͤnde geſchehen koͤnte/ noch geſchehen iſt.
Dieſes ſind diejenige ſtuͤcke/ in denen Silanus vornehmlich ſeine ſuͤnde bußfer-
tig zu erkennen hat.
Li-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/620>, abgerufen am 30.06.2024. |