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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XVI.
eine Evangelische gemeinde und predigamit ist/ sich einige Chri-
sten/ so von dem predigamt nicht ausgeschlossen sind/ unterste-
hen wolten/ einer allein/ oder etzliche unter sich/ heimlich und
ohne wissen oder billigung der übrigen gemeinde und predig-
amts das abendmahl des HErrn zu halten?

ES ist in for mirung dieser frage bereits ein und anders ausgeschlossen/
wovon die frage nicht ist: als 1. Ob in einem eussersten nothfall nicht
möchte erlaubt seyn/ daß ein ander als Prediger einem mitbruder das
H. abendmahl reichte/ oder einer sich selbs dasselbige nehme. Dann ob wol
nicht gleicher nothfall bey diesem Sacrament sich or denlich findet/ wie bey
der H. tauff (da wir lieber die tauff auch durch einen andern als beruffenen
Prediger administriren lassen/ ehe wir ein kind/ welches das recht zu dem
göttlichen bund hat/ ohne das ordentliche mittel desselben/ das bey ihm durch
kein anderes wieder ersetzet werden kan/ hinsterben lassen wolten) indem die
erwachsene ihres glaubens stärckung/ so sie in dem H. abendmahl suchen/ auch
aus dem göttlichen wort und der geistlichen niessung herhaben können: so
wolte doch nicht so hart seyn/ allen nothfall auszuschliessen/ wie auch ohne
zweiffel aus solcher absicht der tapffre Theologus, N. Hunnius Epit. Cred. c.
25. §. 625.
nur also redet/ daß andern zum predigamt nicht verordneten das A-
bendmahl zuhandeln nicht leichtlichen zugestattet. Woraus abzunehmen/
daß er gleichwol einige fälle muß für erlaubt geachtet haben. Jch entsinne
mich dabey meines S. Praeceptoris, Herr D. Dannhauers/ wie derselbe ei-
nige mal auch davon redete/ und einen solchen fall setzete/ wo einige christli-
che freunde auff einer reise in Jtalien oder sonst an einigen ort/ da keine Ev-
angelische gemeinde vorhanden/ sich befänden/ und einer unter denselbigen
geriethe bey einer kranckheit oder sonsten/ in die anfechtung/ daß er ohne das
H. abendmahl sich göttlicher gnade nicht gnug versichern und selig werden
könte; da er bey solchem fall haben wolte/ daß man einen solchen menschen
zwahr so viel müglich/ an die geistliche niessung/ und sich damit zu vergnügen/
weisen solte; wo er aber sich damit in solcher anfechtung nicht befriedigen
könte/ liesse er zu/ daß ein ander gefährte ihm solches Sacrament wohl reichen
möchte; dabey er die ursach anführte/ es wäre die geistliche niessung als un-
sre tägliche speise/ die Sacramentliche aber/ für eine artzeney anzusehen/ wie
es dann in dem natürlichen bey einem menschen dahin kommen könte/ daß es
ihm nicht gnug wäre an der speise/ sondern auch die artzeney zu weilen erfor-
dert würde/ so könte eine seele auch in den stand gerathen/ daß sie nebs der
täglichen speise/ auch diese himmlische artzeney nöthig hätte. Jch finde auch
in den Consiliis D. Bidenbachii dec. 3. cons. 5. die antwort D. Tilem. Heshusii

da er
G 3
ARTIC. I. SECTIO XVI.
eine Evangeliſche gemeinde und predigamit iſt/ ſich einige Chri-
ſten/ ſo von dem predigamt nicht ausgeſchloſſen ſind/ unterſte-
hen wolten/ einer allein/ oder etzliche unter ſich/ heimlich und
ohne wiſſen oder billigung der uͤbrigen gemeinde und predig-
amts das abendmahl des HErrn zu halten?

ES iſt in for mirung dieſer frage bereits ein und anders ausgeſchloſſen/
wovon die frage nicht iſt: als 1. Ob in einem euſſerſten nothfall nicht
moͤchte erlaubt ſeyn/ daß ein ander als Prediger einem mitbruder das
H. abendmahl reichte/ oder einer ſich ſelbs daſſelbige nehme. Dann ob wol
nicht gleicher nothfall bey dieſem Sacrament ſich or denlich findet/ wie bey
der H. tauff (da wir lieber die tauff auch durch einen andern als beruffenen
Prediger adminiſtriren laſſen/ ehe wir ein kind/ welches das recht zu dem
goͤttlichen bund hat/ ohne das ordentliche mittel deſſelben/ das bey ihm durch
kein anderes wieder erſetzet werden kan/ hinſterben laſſen wolten) indem die
erwachſene ihres glaubens ſtaͤrckung/ ſo ſie in dem H. abendmahl ſuchen/ auch
aus dem goͤttlichen wort und der geiſtlichen nieſſung herhaben koͤnnen: ſo
wolte doch nicht ſo hart ſeyn/ allen nothfall auszuſchlieſſen/ wie auch ohne
zweiffel aus ſolcher abſicht der tapffre Theologus, N. Hunnius Epit. Cred. c.
25. §. 625.
nur alſo redet/ daß andern zum predigamt nicht verordneten das A-
bendmahl zuhandeln nicht leichtlichen zugeſtattet. Woraus abzunehmen/
daß er gleichwol einige faͤlle muß fuͤr erlaubt geachtet haben. Jch entſinne
mich dabey meines S. Præceptoris, Herr D. Dannhauers/ wie derſelbe ei-
nige mal auch davon redete/ und einen ſolchen fall ſetzete/ wo einige chriſtli-
che freunde auff einer reiſe in Jtalien oder ſonſt an einigen ort/ da keine Ev-
angeliſche gemeinde vorhanden/ ſich befaͤnden/ und einer unter denſelbigen
geriethe bey einer kranckheit oder ſonſten/ in die anfechtung/ daß er ohne das
H. abendmahl ſich goͤttlicher gnade nicht gnug verſichern und ſelig werden
koͤnte; da er bey ſolchem fall haben wolte/ daß man einen ſolchen menſchen
zwahr ſo viel muͤglich/ an die geiſtliche nieſſung/ und ſich damit zu vergnuͤgen/
weiſen ſolte; wo er aber ſich damit in ſolcher anfechtung nicht befriedigen
koͤnte/ lieſſe er zu/ daß ein ander gefaͤhrte ihm ſolches Sacrament wohl reichen
moͤchte; dabey er die urſach anfuͤhrte/ es waͤre die geiſtliche nieſſung als un-
ſre taͤgliche ſpeiſe/ die Sacramentliche aber/ fuͤr eine artzeney anzuſehen/ wie
es dann in dem natuͤrlichen bey einem menſchen dahin kommen koͤnte/ daß es
ihm nicht gnug waͤre an der ſpeiſe/ ſondern auch die artzeney zu weilen erfor-
dert wuͤrde/ ſo koͤnte eine ſeele auch in den ſtand gerathen/ daß ſie nebs der
taͤglichen ſpeiſe/ auch dieſe himmliſche artzeney noͤthig haͤtte. Jch finde auch
in den Conſiliis D. Bidenbachii dec. 3. conſ. 5. die antwort D. Tilem. Heshuſii

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[53/0061] ARTIC. I. SECTIO XVI. eine Evangeliſche gemeinde und predigamit iſt/ ſich einige Chri- ſten/ ſo von dem predigamt nicht ausgeſchloſſen ſind/ unterſte- hen wolten/ einer allein/ oder etzliche unter ſich/ heimlich und ohne wiſſen oder billigung der uͤbrigen gemeinde und predig- amts das abendmahl des HErrn zu halten? ES iſt in for mirung dieſer frage bereits ein und anders ausgeſchloſſen/ wovon die frage nicht iſt: als 1. Ob in einem euſſerſten nothfall nicht moͤchte erlaubt ſeyn/ daß ein ander als Prediger einem mitbruder das H. abendmahl reichte/ oder einer ſich ſelbs daſſelbige nehme. Dann ob wol nicht gleicher nothfall bey dieſem Sacrament ſich or denlich findet/ wie bey der H. tauff (da wir lieber die tauff auch durch einen andern als beruffenen Prediger adminiſtriren laſſen/ ehe wir ein kind/ welches das recht zu dem goͤttlichen bund hat/ ohne das ordentliche mittel deſſelben/ das bey ihm durch kein anderes wieder erſetzet werden kan/ hinſterben laſſen wolten) indem die erwachſene ihres glaubens ſtaͤrckung/ ſo ſie in dem H. abendmahl ſuchen/ auch aus dem goͤttlichen wort und der geiſtlichen nieſſung herhaben koͤnnen: ſo wolte doch nicht ſo hart ſeyn/ allen nothfall auszuſchlieſſen/ wie auch ohne zweiffel aus ſolcher abſicht der tapffre Theologus, N. Hunnius Epit. Cred. c. 25. §. 625. nur alſo redet/ daß andern zum predigamt nicht verordneten das A- bendmahl zuhandeln nicht leichtlichen zugeſtattet. Woraus abzunehmen/ daß er gleichwol einige faͤlle muß fuͤr erlaubt geachtet haben. Jch entſinne mich dabey meines S. Præceptoris, Herr D. Dannhauers/ wie derſelbe ei- nige mal auch davon redete/ und einen ſolchen fall ſetzete/ wo einige chriſtli- che freunde auff einer reiſe in Jtalien oder ſonſt an einigen ort/ da keine Ev- angeliſche gemeinde vorhanden/ ſich befaͤnden/ und einer unter denſelbigen geriethe bey einer kranckheit oder ſonſten/ in die anfechtung/ daß er ohne das H. abendmahl ſich goͤttlicher gnade nicht gnug verſichern und ſelig werden koͤnte; da er bey ſolchem fall haben wolte/ daß man einen ſolchen menſchen zwahr ſo viel muͤglich/ an die geiſtliche nieſſung/ und ſich damit zu vergnuͤgen/ weiſen ſolte; wo er aber ſich damit in ſolcher anfechtung nicht befriedigen koͤnte/ lieſſe er zu/ daß ein ander gefaͤhrte ihm ſolches Sacrament wohl reichen moͤchte; dabey er die urſach anfuͤhrte/ es waͤre die geiſtliche nieſſung als un- ſre taͤgliche ſpeiſe/ die Sacramentliche aber/ fuͤr eine artzeney anzuſehen/ wie es dann in dem natuͤrlichen bey einem menſchen dahin kommen koͤnte/ daß es ihm nicht gnug waͤre an der ſpeiſe/ ſondern auch die artzeney zu weilen erfor- dert wuͤrde/ ſo koͤnte eine ſeele auch in den ſtand gerathen/ daß ſie nebs der taͤglichen ſpeiſe/ auch dieſe himmliſche artzeney noͤthig haͤtte. Jch finde auch in den Conſiliis D. Bidenbachii dec. 3. conſ. 5. die antwort D. Tilem. Heshuſii da er G 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/61>, abgerufen am 22.11.2024.