Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.SECTIO XI. (6) So sind auch die obangeführte rationes dubitandi nicht so bewandt/ 1) Was anbelanget Davids exempel/ lässet sich aus solchen angezoge- 2) Wäre zwahr zu wünschen/ daß die Obrigkeit mit rechtschaffenem 3) Die ursachen/ die dagegen geführet werden/ sind von nicht geringem 4) und 5) Den weltlichen rechten/ wie auch einigen alten Canonibus, so Also bleibt die affirmativa dieser frage genugsam gegründet und fest ste- SECTIO B b b b 3
SECTIO XI. (6) So ſind auch die obangefuͤhrte rationes dubitandi nicht ſo bewandt/ 1) Was anbelanget Davids exempel/ laͤſſet ſich aus ſolchen angezoge- 2) Waͤre zwahr zu wuͤnſchen/ daß die Obrigkeit mit rechtſchaffenem 3) Die urſachen/ die dagegen gefuͤhret werden/ ſind von nicht geringem 4) und 5) Den weltlichen rechten/ wie auch einigen alten Canonibus, ſo Alſo bleibt die affirmativa dieſer frage genugſam gegruͤndet und feſt ſte- SECTIO B b b b 3
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SECTIO XI.
(6) So ſind auch die obangefuͤhrte rationes dubitandi nicht ſo bewandt/
daß nicht wol darauf zu antworten waͤre.
1) Was anbelanget Davids exempel/ laͤſſet ſich aus ſolchen angezoge-
nen orten nichts anders auffs euſſerſte ſchlieſſen/ als daß deſſelben that die
Bathſebam zu heyrathen GOTT dem HErrn mißfallen habe/ welches aber
daher gekommen/ nicht als ob ſchlechterdinges dergleichen heyrathen unrecht
waͤren/ ſondern weil David eben darum den Uriam erſchlagen laſſen/ daß er
ſein weib nehmen moͤchte/ daß alſo Nathan der Prophet mit ſolchen worten
dem David ſeine vor menſchen verborgene boͤſe intention habe wollen vor-
ruͤcken/ oder worinnen er ſonſten abſonderlich in ſolcher ſich verſuͤndiget hat.
Dann daß der heyrath ſelbs nicht bloß dahin kan unrecht geweſen ſeyn/ ſehen
wir daraus/ weil ja der Koͤnig auch noch nach ſeiner buß ſie bey ſich behalten/
auch niemand dem Salomoni/ daß er nicht aus rechter ehe gebohren waͤre/
vorgeworffen/ noch ſelbſten ſein widerſacher und bruder Adonia deswegen/
ſondern weil er juͤnger als er waͤre/ das reich diſputiret hat. Solte aber die
ehe an ſich ſelbs unrecht geweſen ſeyn/ ſo wuͤrde David die uͤbrige gantze zeit
ſeines lebens in einer ſtaͤten ſchwehren ſuͤnde geſtanden ſeyn/ ſo wir von dem
theuren mann nicht ſagen ſollen.
2) Waͤre zwahr zu wuͤnſchen/ daß die Obrigkeit mit rechtſchaffenem
ernſt dieſe ſchwehre ſuͤnde ſtraffte/ die frag aber gehet eigenlich denjenigen fall
an/ wo ſie ihr amt nicht nach der ſchaͤrffe thut. Wo aber dieſe gegenwaͤrtige
hypotheſis erwogen wird/ ſo iſt auch zu beobachten/ daß der ehbruch des wei-
bes ſo ſchwehr nicht wie ſonſten zu achten ſey/ als die fuͤr ſich dieſes anziehen
kan/ daß die ſchuld ihres mannes/ ſo ſie verlaſſen/ dazu anlaß gegeben habe.
Womit auffs wenigſte etlicher maſſen die ſtraffe gemildert wird.
3) Die urſachen/ die dagegen gefuͤhret werden/ ſind von nicht geringem
gewicht: So gar daß auch deswegen Carpz. l. c. def. 15. ſelbs die ehe nicht zu-
geben will/ wo dem verſtorbenen ehegatten nach dem leben geſtanden worden.
Aber in dieſem fall iſt ſolches nicht geſchehen/ ſondern es iſt der mann ſelbs
von dem weib weggezogen/ und da er indeſſen geſtorben/ weder ihre noch ihres
adulteri ſchuld darbey geweſen.
4) und 5) Den weltlichen rechten/ wie auch einigen alten Canonibus, ſo
dann angezogener Theologorum autoritaͤt/ moͤgen wir die auch angefuͤhrte
und in affirmativam gehende autoritates und ſuffragia nicht unkraͤfftig ent-
gegen ſetzen.
Alſo bleibt die affirmativa dieſer frage genugſam gegruͤndet und feſt ſte-
hen/ und mag der richter/ wo er ſonſten in puncto deſertionis die ſache richtig
findet/ das weib zu ſcheiden/ deroſelben heyrath mit ihrem adultero auch
zugeben.
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