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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das vierdte Capitel.

Der HERR gebe darzu gnade und lasse kein gewissen zu unnöthigem
scrupel und in demselben in mehrer sünden gefahr verleitet werden. Amen!
1678.

SECTIO XI.
Ob einer verlassenen/ die zeit ihres mannes verlas-
sung in ehebruch verfallen/ nach dessen todt den ehebre-
cher zu heyrathen erlaubet.
Ob einer eine person/ mit welcher er vormals ehebruch getrieben/
nach absterben des ehegatten/ oder auch wenn solche person von
dem ehegatten wegen bößlicher verlassung richterlich geschieden/
heyrathen möge?

ERstlich finde einige wichtige rationes dubitandi, so fast das ansehen ha-
ben solten/ daß mit nein auff diese frage zu antworten wäre.

1. Stehet vor augen das exempel des Königs Davids/ der die
Bathsebam/ so er vorhin durch ehbruch erkant/ nach Uriä todt zur ehe genom-
men: darüber aber der Heil. Geist das urtheil gibt 2. Samuel. 11/ 27.
die that gefiel dem HErrn übel die David thät:
daher c. 12/ 9. der Pro-
phet dem König nicht nur vorrückt/ Uriam den Hethiter hast du erschlagen
mit dem schwerdt/
sondern auch noch als unrecht zusetzet: sein weib hast
du dir zum weibe genommen.
Da Procopius davon sagt: Significatur
Deum plus conjugio offensum fuisse quam adulterio: Adulterium enim cu-
piditate victus commisit, conjugium autem deliberationis assensum habet.

Wie auch Theodoretus es nennet matrimonium nefarium & contra leges
initum.
Wie auch der gelehrte D. Dannhauer/ mein werther Praeceptor in
Theol. Consc. Part. 2. spec. Dial. 3. q. 32. p. 825.
von solcher des Davids action
sagt/ non licite fecisse.

2. Wissen wir daß in göttlichem gesetz der ehebruch mit dem leben ge-
strafft wird 3. Mos. 22/ 10. 5. Mos. 22/ 22. Wie nun/ wann darinnen die
Obrigkeit ihr amt thut/ die frage von sich selbs fällt/ so solte man ferner sa-
gen/ daß es unbillich seye/ daß solche lasterhaffte personen/ die in leichtferti-
ger liebe zusammen gekommen/ eben durch ihre übelthat/ damit sie den todt
verwircket/ solten die erlaubnüß gewinnen sich zu heyrathen/ und dessen fer-
ner zu geniessen/ warum sie gesündiget haben.

3. So möchte auch in consideration kommen/ daß derogleichen nicht zu-
gestatten/ weil sonsten damit nicht nur insgemein der leichtfertigkeit und
boßheit eine thür geöffnet wird/ sondern zu sorgen stehet/ es möchte solches

ge-
Das vierdte Capitel.

Der HERR gebe darzu gnade und laſſe kein gewiſſen zu unnoͤthigem
ſcrupel und in demſelben in mehrer ſuͤnden gefahr verleitet werden. Amen!
1678.

SECTIO XI.
Ob einer verlaſſenen/ die zeit ihres mannes verlaſ-
ſung in ehebruch verfallen/ nach deſſen todt den ehebre-
cher zu heyrathen erlaubet.
Ob einer eine perſon/ mit welcher er vormals ehebruch getrieben/
nach abſterben des ehegatten/ oder auch wenn ſolche perſon von
dem ehegatten wegen boͤßlicher verlaſſung richterlich geſchieden/
heyrathen moͤge?

ERſtlich finde einige wichtige rationes dubitandi, ſo faſt das anſehen ha-
ben ſolten/ daß mit nein auff dieſe frage zu antworten waͤre.

1. Stehet vor augen das exempel des Koͤnigs Davids/ der die
Bathſebam/ ſo er vorhin durch ehbruch erkant/ nach Uriaͤ todt zur ehe genom-
men: daruͤber aber der Heil. Geiſt das urtheil gibt 2. Samuel. 11/ 27.
die that gefiel dem HErrn uͤbel die David thaͤt:
daher c. 12/ 9. der Pro-
phet dem Koͤnig nicht nur vorruͤckt/ Uriam den Hethiter haſt du erſchlagẽ
mit dem ſchwerdt/
ſondern auch noch als unrecht zuſetzet: ſein weib haſt
du dir zum weibe genommen.
Da Procopius davon ſagt: Significatur
Deum plus conjugio offenſum fuiſſe quàm adulterio: Adulterium enim cu-
piditate victus commiſit, conjugium autem deliberationis aſſenſum habet.

Wie auch Theodoretus es nennet matrimonium nefarium & contra leges
initum.
Wie auch der gelehrte D. Dannhauer/ mein werther Præceptor in
Theol. Conſc. Part. 2. ſpec. Dial. 3. q. 32. p. 825.
von ſolcher des Davids action
ſagt/ non licitè feciſſe.

2. Wiſſen wir daß in goͤttlichem geſetz der ehebruch mit dem leben ge-
ſtrafft wird 3. Moſ. 22/ 10. 5. Moſ. 22/ 22. Wie nun/ wann darinnen die
Obrigkeit ihr amt thut/ die frage von ſich ſelbs faͤllt/ ſo ſolte man ferner ſa-
gen/ daß es unbillich ſeye/ daß ſolche laſterhaffte perſonen/ die in leichtferti-
ger liebe zuſammen gekommen/ eben durch ihre uͤbelthat/ damit ſie den todt
verwircket/ ſolten die erlaubnuͤß gewinnen ſich zu heyrathen/ und deſſen fer-
ner zu genieſſen/ warum ſie geſuͤndiget haben.

3. So moͤchte auch in conſideration kommen/ daß derogleichen nicht zu-
geſtatten/ weil ſonſten damit nicht nur insgemein der leichtfertigkeit und
boßheit eine thuͤr geoͤffnet wird/ ſondern zu ſorgen ſtehet/ es moͤchte ſolches

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[562/0570] Das vierdte Capitel. Der HERR gebe darzu gnade und laſſe kein gewiſſen zu unnoͤthigem ſcrupel und in demſelben in mehrer ſuͤnden gefahr verleitet werden. Amen! 1678. SECTIO XI. Ob einer verlaſſenen/ die zeit ihres mannes verlaſ- ſung in ehebruch verfallen/ nach deſſen todt den ehebre- cher zu heyrathen erlaubet. Ob einer eine perſon/ mit welcher er vormals ehebruch getrieben/ nach abſterben des ehegatten/ oder auch wenn ſolche perſon von dem ehegatten wegen boͤßlicher verlaſſung richterlich geſchieden/ heyrathen moͤge? ERſtlich finde einige wichtige rationes dubitandi, ſo faſt das anſehen ha- ben ſolten/ daß mit nein auff dieſe frage zu antworten waͤre. 1. Stehet vor augen das exempel des Koͤnigs Davids/ der die Bathſebam/ ſo er vorhin durch ehbruch erkant/ nach Uriaͤ todt zur ehe genom- men: daruͤber aber der Heil. Geiſt das urtheil gibt 2. Samuel. 11/ 27. die that gefiel dem HErrn uͤbel die David thaͤt: daher c. 12/ 9. der Pro- phet dem Koͤnig nicht nur vorruͤckt/ Uriam den Hethiter haſt du erſchlagẽ mit dem ſchwerdt/ ſondern auch noch als unrecht zuſetzet: ſein weib haſt du dir zum weibe genommen. Da Procopius davon ſagt: Significatur Deum plus conjugio offenſum fuiſſe quàm adulterio: Adulterium enim cu- piditate victus commiſit, conjugium autem deliberationis aſſenſum habet. Wie auch Theodoretus es nennet matrimonium nefarium & contra leges initum. Wie auch der gelehrte D. Dannhauer/ mein werther Præceptor in Theol. Conſc. Part. 2. ſpec. Dial. 3. q. 32. p. 825. von ſolcher des Davids action ſagt/ non licitè feciſſe. 2. Wiſſen wir daß in goͤttlichem geſetz der ehebruch mit dem leben ge- ſtrafft wird 3. Moſ. 22/ 10. 5. Moſ. 22/ 22. Wie nun/ wann darinnen die Obrigkeit ihr amt thut/ die frage von ſich ſelbs faͤllt/ ſo ſolte man ferner ſa- gen/ daß es unbillich ſeye/ daß ſolche laſterhaffte perſonen/ die in leichtferti- ger liebe zuſammen gekommen/ eben durch ihre uͤbelthat/ damit ſie den todt verwircket/ ſolten die erlaubnuͤß gewinnen ſich zu heyrathen/ und deſſen fer- ner zu genieſſen/ warum ſie geſuͤndiget haben. 3. So moͤchte auch in conſideration kommen/ daß derogleichen nicht zu- geſtatten/ weil ſonſten damit nicht nur insgemein der leichtfertigkeit und boßheit eine thuͤr geoͤffnet wird/ ſondern zu ſorgen ſtehet/ es moͤchte ſolches ge-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/570>, abgerufen am 22.11.2024.