Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. und naturalem nicht pro iisdem, sondern jenes sich weiter erstreckend/ geach-tet habe/ und noch achte. Also ist Iex moralis die Iex catholica omnes homi- nes obstringens und perpetua regula honesti & turpis, dessen summa in den zehen geboten stehet/ und alles durch und durch zu demselben referiret werden muß. Diese Iex moralis aber ist entweder moralis naturalis oder moralis positiva (wie unter andern Hodosoph. Ph. VI. p. 464. 468. zu sehen ist) je- nes begreifft diejenige gebot/ (so zwahr die meiste sind) die es zu thun haben mit den dingen/ welche natura honesta und turpia, und auch grossen theils (jedoch nicht gar alle) noch jetzo in der obschon verderbten natur bekant seynd/ daß sie recht oder unrecht seyen: Aber moralis positiva ist/ welche diejenige dinge in sich fasset/ in welchen GOTT seinen willen sonsten geoffenbaret hat/ wie ers in diesem und jenem wolle von allen menschen gehalten haben/ wohin erwehnter Doctor austrücklich zehlet nechst dem praecepto de sabbatho die interdicta conjugii inter fratres & sorores, inter f[r]atrem & fratriam. Wo nun solche distinction beobachtet wird/ fället unterschiedliches dahin/ worin- nen sonsten die autores affirmativae die andere scheinen etwas hart zu halten. Jm übrigen finde ich nicht nöthig/ auf alle die angeführte exceptiones weit- läufftig zu antworten/ da in der einen grossen schrifft ohne das fast alles ange- zogen/ jedoch mit beobachtung des jetzt angeführten vieles so viel leichter wer- den wird: So dann weil nicht sehe/ was vor frucht dergleichen weitläufftige disceptationes endlich bringen würden: Zu dem auch mein zustand derglei- chen operosam tractationem nicht zugibet. Dahero allein zu bedeuten ha- be/ daß von einmal in der furcht des HErrn abgefassetem bedencken zu weichen nicht sehe oder vermöge/ im übrigen jeglicher anderer lehrer gewissen überlas- sende/ wie sie eine oder andere sache zu ihrer verantwortung fassen oder be- greiffen/ oder jemand es auf deroselben gutachten wagen möge. Was die angeführte der hohen gemüther bereits allzueng geschehene liebes-ver- bindung/ daher erfolgende gefahr der gesundheit oder des lebens/ und schweh- ren zustand des hohen hauses anbetrifft/ mögen auch solche als gantz eusserli- che und accidental-umstände/ in der sache nichts ändern/ oder thun/ zumal sie daraus allerdings nicht nothwendig fliessen. In perpetuo coelibatu zu bleiben/ ist weder nöthig noch zu rathen/ und fallen damit die schwehreste in- convenientia von selbsten. Wolte eingewendet werden/ daß sie sich etwa zu hart mit verspruch und betheurung mit einander verknüpffet hätten/ so obli- giret ein solcher verspruch nicht in re illicita, und obwol solche personen billich ihre sünde vor GOTT zu erkennen haben/ daß sie so zu reden ohne vorher-be- fragung seines mundes/ das ist/ ehe sie des göttlichen willens und rechts ver- sichert gewesen/ [e]ine so wichtige sache unternommen/ und ihnen selbs in das gewissen einen scrupel gemacht haben/ darüber sie etwa GOTT auch viele dessel-
Das vierdte Capitel. und naturalem nicht pro iisdem, ſondern jenes ſich weiter erſtreckend/ geach-tet habe/ und noch achte. Alſo iſt Iex moralis die Iex catholica omnes homi- nes obſtringens und perpetua regula honeſti & turpis, deſſen ſumma in den zehen geboten ſtehet/ und alles durch und durch zu demſelben referiret werden muß. Dieſe Iex moralis aber iſt entweder moralis naturalis oder moralis poſitiva (wie unter andern Hodoſoph. Ph. VI. p. 464. 468. zu ſehen iſt) je- nes begreifft diejenige gebot/ (ſo zwahr die meiſte ſind) die es zu thun haben mit den dingen/ welche naturâ honeſta und turpia, und auch groſſen theils (jedoch nicht gar alle) noch jetzo in der obſchon verderbten natur bekant ſeynd/ daß ſie recht oder unrecht ſeyen: Aber moralis poſitiva iſt/ welche diejenige dinge in ſich faſſet/ in welchen GOTT ſeinen willen ſonſten geoffenbaret hat/ wie ers in dieſem und jenem wolle von allen menſchen gehalten haben/ wohin erwehnter Doctor austruͤcklich zehlet nechſt dem præcepto de ſabbatho die interdicta conjugii inter fratres & ſorores, inter f[r]atrem & fratriam. Wo nun ſolche diſtinction beobachtet wird/ faͤllet unterſchiedliches dahin/ worin- nen ſonſten die autores affirmativæ die andere ſcheinen etwas hart zu halten. Jm uͤbrigen finde ich nicht noͤthig/ auf alle die angefuͤhrte exceptiones weit- laͤufftig zu antworten/ da in der einen groſſen ſchrifft ohne das faſt alles ange- zogen/ jedoch mit beobachtung des jetzt angefuͤhrten vieles ſo viel leichter wer- den wird: So dann weil nicht ſehe/ was vor frucht dergleichen weitlaͤufftige diſceptationes endlich bringen wuͤrden: Zu dem auch mein zuſtand derglei- chen operoſam tractationem nicht zugibet. Dahero allein zu bedeuten ha- be/ daß von einmal in der furcht des HErrn abgefaſſetem bedencken zu weichen nicht ſehe oder vermoͤge/ im uͤbrigen jeglicher anderer lehrer gewiſſen uͤberlaſ- ſende/ wie ſie eine oder andere ſache zu ihrer verantwortung faſſen oder be- greiffen/ oder jemand es auf deroſelben gutachten wagen moͤge. Was die angefuͤhrte der hohen gemuͤther bereits allzueng geſchehene liebes-ver- bindung/ daher erfolgende gefahr der geſundheit oder des lebens/ und ſchweh- ren zuſtand des hohen hauſes anbetrifft/ moͤgen auch ſolche als gantz euſſerli- che und accidental-umſtaͤnde/ in der ſache nichts aͤndern/ oder thun/ zumal ſie daraus allerdings nicht nothwendig flieſſen. In perpetuo cœlibatu zu bleiben/ iſt weder noͤthig noch zu rathen/ und fallen damit die ſchwehreſte in- convenientia von ſelbſten. Wolte eingewendet werden/ daß ſie ſich etwa zu hart mit verſpruch und betheurung mit einander verknuͤpffet haͤtten/ ſo obli- giret ein ſolcher verſpruch nicht in re illicita, und obwol ſolche perſonen billich ihre ſuͤnde vor GOTT zu erkennen haben/ daß ſie ſo zu reden ohne vorher-be- fragung ſeines mundes/ das iſt/ ehe ſie des goͤttlichen willens und rechts ver- ſichert geweſen/ [e]ine ſo wichtige ſache unternommen/ und ihnen ſelbs in das gewiſſen einen ſcrupel gemacht haben/ daruͤber ſie etwa GOTT auch viele deſſel-
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Das vierdte Capitel.
und naturalem nicht pro iisdem, ſondern jenes ſich weiter erſtreckend/ geach-
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nes obſtringens und perpetua regula honeſti & turpis, deſſen ſumma in den
zehen geboten ſtehet/ und alles durch und durch zu demſelben referiret werden
muß. Dieſe Iex moralis aber iſt entweder moralis naturalis oder moralis
poſitiva (wie unter andern Hodoſoph. Ph. VI. p. 464. 468. zu ſehen iſt) je-
nes begreifft diejenige gebot/ (ſo zwahr die meiſte ſind) die es zu thun haben
mit den dingen/ welche naturâ honeſta und turpia, und auch groſſen theils
(jedoch nicht gar alle) noch jetzo in der obſchon verderbten natur bekant ſeynd/
daß ſie recht oder unrecht ſeyen: Aber moralis poſitiva iſt/ welche diejenige
dinge in ſich faſſet/ in welchen GOTT ſeinen willen ſonſten geoffenbaret hat/
wie ers in dieſem und jenem wolle von allen menſchen gehalten haben/ wohin
erwehnter Doctor austruͤcklich zehlet nechſt dem præcepto de ſabbatho die
interdicta conjugii inter fratres & ſorores, inter fratrem & fratriam. Wo
nun ſolche diſtinction beobachtet wird/ faͤllet unterſchiedliches dahin/ worin-
nen ſonſten die autores affirmativæ die andere ſcheinen etwas hart zu halten.
Jm uͤbrigen finde ich nicht noͤthig/ auf alle die angefuͤhrte exceptiones weit-
laͤufftig zu antworten/ da in der einen groſſen ſchrifft ohne das faſt alles ange-
zogen/ jedoch mit beobachtung des jetzt angefuͤhrten vieles ſo viel leichter wer-
den wird: So dann weil nicht ſehe/ was vor frucht dergleichen weitlaͤufftige
diſceptationes endlich bringen wuͤrden: Zu dem auch mein zuſtand derglei-
chen operoſam tractationem nicht zugibet. Dahero allein zu bedeuten ha-
be/ daß von einmal in der furcht des HErrn abgefaſſetem bedencken zu weichen
nicht ſehe oder vermoͤge/ im uͤbrigen jeglicher anderer lehrer gewiſſen uͤberlaſ-
ſende/ wie ſie eine oder andere ſache zu ihrer verantwortung faſſen oder be-
greiffen/ oder jemand es auf deroſelben gutachten wagen moͤge. Was
die angefuͤhrte der hohen gemuͤther bereits allzueng geſchehene liebes-ver-
bindung/ daher erfolgende gefahr der geſundheit oder des lebens/ und ſchweh-
ren zuſtand des hohen hauſes anbetrifft/ moͤgen auch ſolche als gantz euſſerli-
che und accidental-umſtaͤnde/ in der ſache nichts aͤndern/ oder thun/ zumal ſie
daraus allerdings nicht nothwendig flieſſen. In perpetuo cœlibatu zu
bleiben/ iſt weder noͤthig noch zu rathen/ und fallen damit die ſchwehreſte in-
convenientia von ſelbſten. Wolte eingewendet werden/ daß ſie ſich etwa zu
hart mit verſpruch und betheurung mit einander verknuͤpffet haͤtten/ ſo obli-
giret ein ſolcher verſpruch nicht in re illicita, und obwol ſolche perſonen billich
ihre ſuͤnde vor GOTT zu erkennen haben/ daß ſie ſo zu reden ohne vorher-be-
fragung ſeines mundes/ das iſt/ ehe ſie des goͤttlichen willens und rechts ver-
ſichert geweſen/ eine ſo wichtige ſache unternommen/ und ihnen ſelbs in das
gewiſſen einen ſcrupel gemacht haben/ daruͤber ſie etwa GOTT auch viele
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