Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. untersuchung thut/ aus allen fundamenten/ welche vom gegentheil mögen ge-braucht werden/ weiter kommen möchte/ als in einigen zweiffel/ obs dann ge- wiß verboten seye/ wo er nemlich aus einer praeoccupation die krafft der ar- gumenten nicht völlig bey sich eintringen lässet: Nimmermehr aber so weit/ daß er in der seelen der gerechtigkeit der sache überzeuget wäre: Ohne welche versicherung aber das gewissen nicht zugibet/ daß man die sache unternehme/ wo der mensch auffs gelindeste von der sache zu reden/ förchten muß/ daß er wider GOttes willen thun möchte. Daher in solchem zustand freylich kein ander mittel ist/ als den sichersten theil zu wehlen/ und also diese zweiffelhaffte sache zu unterlassen/ dann darinnen ist er gewiß/ daß er nicht sündige/ obs auch schon sonsten keine verbotene sache wäre. Zu diesen beyden gründen mögen wir auch noch den dritten setzen. Wir nur
Das vierdte Capitel. unterſuchung thut/ aus allen fundamenten/ welche vom gegentheil moͤgen ge-braucht werden/ weiter kommen moͤchte/ als in einigen zweiffel/ obs dann ge- wiß verboten ſeye/ wo er nemlich aus einer præoccupation die krafft der ar- gumenten nicht voͤllig bey ſich eintringen laͤſſet: Nimmermehr aber ſo weit/ daß er in der ſeelen der gerechtigkeit der ſache uͤberzeuget waͤre: Ohne welche verſicherung aber das gewiſſen nicht zugibet/ daß man die ſache unternehme/ wo der menſch auffs gelindeſte von der ſache zu reden/ foͤrchten muß/ daß er wider GOttes willen thun moͤchte. Daher in ſolchem zuſtand freylich kein ander mittel iſt/ als den ſicherſten theil zu wehlen/ und alſo dieſe zweiffelhaffte ſache zu unterlaſſen/ dann darinnen iſt er gewiß/ daß er nicht ſuͤndige/ obs auch ſchon ſonſten keine verbotene ſache waͤre. Zu dieſen beyden gruͤnden moͤgen wir auch noch den dritten ſetzen. Wir nur
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Das vierdte Capitel.
unterſuchung thut/ aus allen fundamenten/ welche vom gegentheil moͤgen ge-
braucht werden/ weiter kommen moͤchte/ als in einigen zweiffel/ obs dann ge-
wiß verboten ſeye/ wo er nemlich aus einer præoccupation die krafft der ar-
gumenten nicht voͤllig bey ſich eintringen laͤſſet: Nimmermehr aber ſo weit/
daß er in der ſeelen der gerechtigkeit der ſache uͤberzeuget waͤre: Ohne welche
verſicherung aber das gewiſſen nicht zugibet/ daß man die ſache unternehme/
wo der menſch auffs gelindeſte von der ſache zu reden/ foͤrchten muß/ daß er
wider GOttes willen thun moͤchte. Daher in ſolchem zuſtand freylich kein
ander mittel iſt/ als den ſicherſten theil zu wehlen/ und alſo dieſe zweiffelhaffte
ſache zu unterlaſſen/ dann darinnen iſt er gewiß/ daß er nicht ſuͤndige/ obs
auch ſchon ſonſten keine verbotene ſache waͤre.
Zu dieſen beyden gruͤnden moͤgen wir auch noch den dritten ſetzen. Wir
wiſſen/ daß allen Chriſten durch und durch nicht nur das boͤſe/ ſondern auch
der ſchein des boͤſen verboten iſt/ daher ſie ſolchen zu meiden ſchuldig ſeynd.
1. Theſſal. 5/ 12. daher auch der Apoſtel ſagt 1. Cor. 10/ 28. Jch habe
zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles: Jch habe es alles
macht/ aber es beſſert nicht alles. Wie er auch daſelbſt und Rom. 14.
ſo dann 1. Cor. 8. mit mehrerem zeigt/ daß wo eine ſache auch ſonſten an
und vor ſich ſelbſt erlaubt ſeye/ dieſes anſehen/ daß ein ander ſich daran ſtoſ-
ſen und aͤrgern werde/ ſchon zu wege bringen ſolle/ daß ein Chriſt daſſelbe
unterlaſſe/ ſo gar/ daß er derjenigen ſuͤnde hart ſtraffet/ welche hingegen/
und alſo der liebe zuwider/ handelten. Wie er dann von ailen fordert:
Seyd nicht aͤrgerlich/ weder den Juden noch den Griechen noch der
gemeinde GOTTES. Welches er von ſeinem Heyland ſelbſt gelernet/
der ſeinen Juͤngern die ſuͤnde des aͤrgernuͤſſes kaum weiß ſchrecklich genug
vorzumahlen/ um ſie darvon abzuwenden Matth. 18. Alſo daß er bezeu-
get/ daß wer nur einen der geringſten ſeiner glaͤubigen aͤrgere/ ſich ſo ſchwehr-
lich veꝛgreiffe/ daß ihm beſſer waͤre mit an den halß gehengtem ſtein in
dem meer/ da es am tieffſten iſt/ erſaͤuffet zu werden. Vorausgeſetzt
dieſer gewiß gegruͤndeter lehr/ weil auch gewiß iſt/ daß eine ſolche heyrath
nicht nur ein und andre perſon/ ſondern alle/ die davon hoͤren/ auffs hefftig-
ſte aͤrgern wuͤrde/ ſo ſolte auch dieſes einige argument ſchon genug ſeyn/ ob
man ſonſt mit einigen ſubtilen rationen/ die die gemeinde nicht zu faſſen ver-
mag/ die ſach zu behaupten vermoͤchte/ daß etzliche gelehrte damit zu frieden
ſeyn ſollten (dergleichen buͤndige rationes gleichwohl noch nie geſehen ha-
be) daß dannoch/ daß uͤber einer ſolchen ungewohnten und insgemein bißher
verdam̃ten ſache ohnfehlbarlich entſtehende aͤrgernuͤß jeglichen von einer ſol-
chen heyrath abziehen ſolte/ welcher betrachtet/ daß wir in allen dingen nicht
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