Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. IV. SECTIO XXIX.
ret möchte werden/ so gewinne es nun ein ander ansehen. Der bereits etliche
mal angezogene Straßburgische Theologus D. Dannhauer Catech. Milch.
l. c. schreibet deutlich also: Sonderlich sind verboten insgemein alle tän-
tze/ wann offentliche land-straffen/ krieg/ pestilentz/ und hungers-noth
graßiren: wenn dem bräutigam aus seiner kammer/ der braut aus ih-
rem gemach zugehengeboten ist/ wenn die christliche kirche ihren Char-
freytag hält/ und das haupt Johannis des Täuffers im blut schwimmet.
Wenn Ninive den buß-sack anzihen/ und fasten begehen/ wenn man
um den schaden Josephs sich bekümmern solle/ und demnach ists ein-
mal unrecht/ wenn zu gegenwärtigen zeiten/ da Teutschland und die
Christenheit im blut badet/ täntz angestellet/ und erlaubet werden.
Was sonst ein mittel-ding ist/ das wird von dem umstand der zeit in
sünd und unrecht verwandelt. Tantzen hat seine zeit/ sagt Salomon.
Daraus folget/ daß das tantzen nicht allezeit erlaubet seye.
Darauf er
sich auf die schreckliche trau-wort bey dem Amos 6/ 3. bezeucht. Derglei-
chen lehrt auch der gleichfals berühmte Ulmische Doctor Dietrich über Eccl.
3. p. 428.
Da er sonsten das tantzen vertheidiget und erlaubet: Aber wenn
es nicht zu klag-zeiten geschihet/ zu solcher zeit/ wenn etwa gemeine stadt- und
land-betrübnüß vorgehe/ oder der eine oder der andere sein hauß-leid oder
klage hat in seinem hauß oder in seinem geschlecht/ unter seinen nechsten bluts-
freunden oder verwandten. Denn da soll der bräutigam aus seiner kammer
gehen/ und die braut aus ihrem gemach Joel 2/ 16. Denn weil ohne das
der tantz eine anzeigung ist/ nicht allein der frölichkeit/ sondern auch dieselbige
erwecket/ so ist es ja eine grosse schande/ und ein unchristlich wesen/ daß einer
alsdann/ wenn er klagen/ leide tragen und trauren soll/ tantzen und frölich
seyn wolle. Denn das klagen und weinen hat seine zeit/ und mit den
weinenden soll man weinen/ mit den traurigen soll man traurig seyn
Rom. 12/ 15.
Andere führen wir nicht weiter an. Wo wir aber die ge-
genwärtige zeit ansehen/ so bedarff es kaum halbes auffthun der augen/ zu er-
kennen/ daß wir wahrhafftig in einer schwehren trauer-zeit stehen. Sehen
wir das geistliche an/ so hat nicht nur allein (die innere bewandnüß unsers
kirchen-wesens betreffend) der feind in dem heiligthum so gar alles verderbet/
daß der mißbrauch und ärgernüß dermassen überhand genommen/ daß uns
kaum etwas anders zum ruhm überbleibet/ als die einige reinigkeit der lehre/
und wir/ ob wir schon die göttliche gerichte noch nicht vor augen sehen/ uns
versichern können/ es müssen dieselbe bald ausbrechen/ und sein heiligthum
(ach daß es nicht mit einer schwehren verstöhrung geschehe!) reinigen. Da-

her
Q q q 2

ARTIC. IV. SECTIO XXIX.
ret moͤchte werden/ ſo gewinne es nun ein ander anſehen. Der bereits etliche
mal angezogene Straßburgiſche Theologus D. Dannhauer Catech. Milch.
l. c. ſchreibet deutlich alſo: Sonderlich ſind verboten insgemein alle taͤn-
tze/ wann offentliche land-ſtraffen/ krieg/ peſtilentz/ und hungers-noth
graßiren: wenn dem braͤutigam aus ſeiner kammer/ der braut aus ih-
rem gemach zugehengeboten iſt/ wenn die chriſtliche kirche ihren Char-
freytag haͤlt/ und das haupt Johannis des Taͤuffers im blut ſchwim̃et.
Wenn Ninive den buß-ſack anzihen/ und faſten begehen/ wenn man
um den ſchaden Joſephs ſich bekuͤmmern ſolle/ und demnach iſts ein-
mal unrecht/ wenn zu gegenwaͤrtigen zeiten/ da Teutſchland und die
Chriſtenheit im blut badet/ taͤntz angeſtellet/ und erlaubet werden.
Was ſonſt ein mittel-ding iſt/ das wird von dem umſtand der zeit in
ſuͤnd und unrecht verwandelt. Tantzen hat ſeine zeit/ ſagt Salomon.
Daraus folget/ daß das tantzen nicht allezeit erlaubet ſeye.
Darauf er
ſich auf die ſchreckliche trau-wort bey dem Amos 6/ 3. bezeucht. Derglei-
chen lehrt auch der gleichfals beruͤhmte Ulmiſche Doctor Dietrich uͤber Eccl.
3. p. 428.
Da er ſonſten das tantzen vertheidiget und erlaubet: Aber wenn
es nicht zu klag-zeiten geſchihet/ zu ſolcher zeit/ wenn etwa gemeine ſtadt- und
land-betruͤbnuͤß vorgehe/ oder der eine oder der andere ſein hauß-leid oder
klage hat in ſeinem hauß oder in ſeinem geſchlecht/ unter ſeinen nechſten bluts-
freunden oder verwandten. Denn da ſoll der braͤutigam aus ſeiner kammer
gehen/ und die braut aus ihrem gemach Joel 2/ 16. Denn weil ohne das
der tantz eine anzeigung iſt/ nicht allein der froͤlichkeit/ ſondern auch dieſelbige
erwecket/ ſo iſt es ja eine groſſe ſchande/ und ein unchriſtlich weſen/ daß einer
alsdann/ wenn er klagen/ leide tragen und trauren ſoll/ tantzen und froͤlich
ſeyn wolle. Denn das klagen und weinen hat ſeine zeit/ und mit den
weinenden ſoll man weinen/ mit den traurigen ſoll man traurig ſeyn
Rom. 12/ 15.
Andere fuͤhren wir nicht weiter an. Wo wir aber die ge-
genwaͤrtige zeit anſehen/ ſo bedarff es kaum halbes auffthun der augen/ zu er-
kennen/ daß wir wahrhafftig in einer ſchwehren trauer-zeit ſtehen. Sehen
wir das geiſtliche an/ ſo hat nicht nur allein (die innere bewandnuͤß unſers
kirchen-weſens betreffend) der feind in dem heiligthum ſo gar alles verderbet/
daß der mißbrauch und aͤrgernuͤß dermaſſen uͤberhand genommen/ daß uns
kaum etwas anders zum ruhm uͤberbleibet/ als die einige reinigkeit der lehre/
und wir/ ob wir ſchon die goͤttliche gerichte noch nicht vor augen ſehen/ uns
verſichern koͤnnen/ es muͤſſen dieſelbe bald ausbrechen/ und ſein heiligthum
(ach daß es nicht mit einer ſchwehren verſtoͤhrung geſchehe!) reinigen. Da-

her
Q q q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0499" n="491"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. IV. SECTIO</hi> XXIX.</hi></hi></fw><lb/>
ret mo&#x0364;chte werden/ &#x017F;o gewinne es nun ein ander an&#x017F;ehen. Der bereits etliche<lb/>
mal angezogene Straßburgi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Theologus D.</hi> Dannhauer Catech. Milch.<lb/><hi rendition="#aq">l. c.</hi> &#x017F;chreibet deutlich al&#x017F;o: <hi rendition="#fr">Sonderlich &#x017F;ind verboten insgemein alle ta&#x0364;n-<lb/>
tze/ wann offentliche land-&#x017F;traffen/ krieg/ pe&#x017F;tilentz/ und hungers-noth<lb/>
graßiren: wenn dem bra&#x0364;utigam aus &#x017F;einer kammer/ der braut aus ih-<lb/>
rem gemach zugehengeboten i&#x017F;t/ wenn die chri&#x017F;tliche kirche ihren Char-<lb/>
freytag ha&#x0364;lt/ und das haupt Johannis des Ta&#x0364;uffers im blut &#x017F;chwim&#x0303;et.<lb/>
Wenn Ninive den buß-&#x017F;ack anzihen/ und fa&#x017F;ten begehen/ wenn man<lb/>
um den &#x017F;chaden Jo&#x017F;ephs &#x017F;ich beku&#x0364;mmern &#x017F;olle/ und demnach i&#x017F;ts ein-<lb/>
mal unrecht/ wenn zu gegenwa&#x0364;rtigen zeiten/ da Teut&#x017F;chland und die<lb/>
Chri&#x017F;tenheit im blut badet/ ta&#x0364;ntz ange&#x017F;tellet/ und erlaubet werden.<lb/>
Was &#x017F;on&#x017F;t ein mittel-ding i&#x017F;t/ das wird von dem um&#x017F;tand der zeit in<lb/>
&#x017F;u&#x0364;nd und unrecht verwandelt. Tantzen hat &#x017F;eine zeit/ &#x017F;agt Salomon.<lb/>
Daraus folget/ daß das tantzen nicht allezeit erlaubet &#x017F;eye.</hi> Darauf er<lb/>
&#x017F;ich auf die &#x017F;chreckliche trau-wort bey dem <hi rendition="#fr">Amos 6/ 3.</hi> bezeucht. Derglei-<lb/>
chen lehrt auch der gleichfals beru&#x0364;hmte Ulmi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Doctor</hi> Dietrich u&#x0364;ber <hi rendition="#aq">Eccl.<lb/>
3. p. 428.</hi> Da er &#x017F;on&#x017F;ten das tantzen vertheidiget und erlaubet: Aber wenn<lb/>
es nicht zu klag-zeiten ge&#x017F;chihet/ zu &#x017F;olcher zeit/ wenn etwa gemeine &#x017F;tadt- und<lb/>
land-betru&#x0364;bnu&#x0364;ß vorgehe/ oder der eine oder der andere &#x017F;ein hauß-leid oder<lb/>
klage hat in &#x017F;einem hauß oder in &#x017F;einem ge&#x017F;chlecht/ unter &#x017F;einen nech&#x017F;ten bluts-<lb/>
freunden oder verwandten. Denn da &#x017F;oll der bra&#x0364;utigam aus &#x017F;einer kammer<lb/>
gehen/ und die braut aus ihrem gemach <hi rendition="#fr">Joel 2/ 16.</hi> Denn weil ohne das<lb/>
der tantz eine anzeigung i&#x017F;t/ nicht allein der fro&#x0364;lichkeit/ &#x017F;ondern auch die&#x017F;elbige<lb/>
erwecket/ &#x017F;o i&#x017F;t es ja eine gro&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chande/ und ein unchri&#x017F;tlich we&#x017F;en/ daß einer<lb/>
alsdann/ wenn er klagen/ leide tragen und trauren &#x017F;oll/ tantzen und fro&#x0364;lich<lb/>
&#x017F;eyn wolle. Denn das <hi rendition="#fr">klagen und weinen hat &#x017F;eine zeit/</hi> und <hi rendition="#fr">mit den<lb/>
weinenden &#x017F;oll man weinen/ mit den traurigen &#x017F;oll man traurig &#x017F;eyn<lb/>
Rom. 12/ 15.</hi> Andere fu&#x0364;hren wir nicht weiter an. Wo wir aber die ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtige zeit an&#x017F;ehen/ &#x017F;o bedarff es kaum halbes auffthun der augen/ zu er-<lb/>
kennen/ daß wir wahrhafftig in einer &#x017F;chwehren trauer-zeit &#x017F;tehen. Sehen<lb/>
wir das gei&#x017F;tliche an/ &#x017F;o hat nicht nur allein (die innere bewandnu&#x0364;ß un&#x017F;ers<lb/>
kirchen-we&#x017F;ens betreffend) der feind in dem heiligthum &#x017F;o gar alles verderbet/<lb/>
daß der mißbrauch und a&#x0364;rgernu&#x0364;ß derma&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;berhand genommen/ daß uns<lb/>
kaum etwas anders zum ruhm u&#x0364;berbleibet/ als die einige reinigkeit der lehre/<lb/>
und wir/ ob wir &#x017F;chon die go&#x0364;ttliche gerichte noch nicht vor augen &#x017F;ehen/ uns<lb/>
ver&#x017F;ichern ko&#x0364;nnen/ es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elbe bald ausbrechen/ und &#x017F;ein heiligthum<lb/>
(ach daß es nicht mit einer &#x017F;chwehren ver&#x017F;to&#x0364;hrung ge&#x017F;chehe!) reinigen. Da-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">her</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0499] ARTIC. IV. SECTIO XXIX. ret moͤchte werden/ ſo gewinne es nun ein ander anſehen. Der bereits etliche mal angezogene Straßburgiſche Theologus D. Dannhauer Catech. Milch. l. c. ſchreibet deutlich alſo: Sonderlich ſind verboten insgemein alle taͤn- tze/ wann offentliche land-ſtraffen/ krieg/ peſtilentz/ und hungers-noth graßiren: wenn dem braͤutigam aus ſeiner kammer/ der braut aus ih- rem gemach zugehengeboten iſt/ wenn die chriſtliche kirche ihren Char- freytag haͤlt/ und das haupt Johannis des Taͤuffers im blut ſchwim̃et. Wenn Ninive den buß-ſack anzihen/ und faſten begehen/ wenn man um den ſchaden Joſephs ſich bekuͤmmern ſolle/ und demnach iſts ein- mal unrecht/ wenn zu gegenwaͤrtigen zeiten/ da Teutſchland und die Chriſtenheit im blut badet/ taͤntz angeſtellet/ und erlaubet werden. Was ſonſt ein mittel-ding iſt/ das wird von dem umſtand der zeit in ſuͤnd und unrecht verwandelt. Tantzen hat ſeine zeit/ ſagt Salomon. Daraus folget/ daß das tantzen nicht allezeit erlaubet ſeye. Darauf er ſich auf die ſchreckliche trau-wort bey dem Amos 6/ 3. bezeucht. Derglei- chen lehrt auch der gleichfals beruͤhmte Ulmiſche Doctor Dietrich uͤber Eccl. 3. p. 428. Da er ſonſten das tantzen vertheidiget und erlaubet: Aber wenn es nicht zu klag-zeiten geſchihet/ zu ſolcher zeit/ wenn etwa gemeine ſtadt- und land-betruͤbnuͤß vorgehe/ oder der eine oder der andere ſein hauß-leid oder klage hat in ſeinem hauß oder in ſeinem geſchlecht/ unter ſeinen nechſten bluts- freunden oder verwandten. Denn da ſoll der braͤutigam aus ſeiner kammer gehen/ und die braut aus ihrem gemach Joel 2/ 16. Denn weil ohne das der tantz eine anzeigung iſt/ nicht allein der froͤlichkeit/ ſondern auch dieſelbige erwecket/ ſo iſt es ja eine groſſe ſchande/ und ein unchriſtlich weſen/ daß einer alsdann/ wenn er klagen/ leide tragen und trauren ſoll/ tantzen und froͤlich ſeyn wolle. Denn das klagen und weinen hat ſeine zeit/ und mit den weinenden ſoll man weinen/ mit den traurigen ſoll man traurig ſeyn Rom. 12/ 15. Andere fuͤhren wir nicht weiter an. Wo wir aber die ge- genwaͤrtige zeit anſehen/ ſo bedarff es kaum halbes auffthun der augen/ zu er- kennen/ daß wir wahrhafftig in einer ſchwehren trauer-zeit ſtehen. Sehen wir das geiſtliche an/ ſo hat nicht nur allein (die innere bewandnuͤß unſers kirchen-weſens betreffend) der feind in dem heiligthum ſo gar alles verderbet/ daß der mißbrauch und aͤrgernuͤß dermaſſen uͤberhand genommen/ daß uns kaum etwas anders zum ruhm uͤberbleibet/ als die einige reinigkeit der lehre/ und wir/ ob wir ſchon die goͤttliche gerichte noch nicht vor augen ſehen/ uns verſichern koͤnnen/ es muͤſſen dieſelbe bald ausbrechen/ und ſein heiligthum (ach daß es nicht mit einer ſchwehren verſtoͤhrung geſchehe!) reinigen. Da- her Q q q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/499
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/499>, abgerufen am 22.11.2024.