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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. IV. SECTIO XXIX.
eperkhomenous ballizein e orkheisthai, alla semnos deipnein e aristan, os prepei
khristianois Welches von Isidoro Mercatore also gegeben wird: non opor-
tet Christianos ad nuptias euntes vel ballare vel saltare sed caste coenare.
vel prandere, sicuti competit Christianis.
Welche fast gantz gleiche worte
aus dem Concilio Ilerdensi angezogen werden; finden sich aber in den heuti-
gen Canonibus nicht mehr also. Wie hart die Patres gegen das tantzen schrei-
ben/ liget vor dem tag/ und sind die worte Arnolii, Ambrosii, Augustini, Chry-
sostomi
hin und wieder zu lesen. Wolte man aber sagen/ sie redeten von dem
mißbrauch/ oder dem damal üblichen heydnischen tantzen/ so sind gleichwol ih-
re reden dermassen abgefasset/ daß sie keines bessern gebrauchs darbey geden-
cken; und mögen wir also wol sagen/ wie wir jetzo von den täntzen reden/ nicht
wie sie etwa seyn könten/ sondern wie sie in praxi seyn/ also haben solche liebe
leute gegen solche greuel geeiffert/ und daher die gantze sache den leuten ver-
leiden wollen/ von dero so schwehrlich ein rechter gebrauch zu finden ist. Denn
daß sie allein von demjenigen tantzen/ da etwas der heydnischen abgötterey
dabey gewesen (wie auch solche unter den Heyden sich gefunden haben) gere-
det solten haben/ wird sich mit nichts erweisen lassen/ sondern wider die un-
eingeschrenckte generalität ihrer worte streiten. So war zu den zeiten Am-
brosii, Augustini,
und Chrysostomi der zustand schon also/ daß die eusserliche
macht des Christenthums die eusserliche abgöttereyen abgeschaffet/ und nicht
so wol von denselbigen als andern ärgernüssen/ die sonsten freylich auch aus
dem Heydenthum hergekommen sind/ in ihren klagen und straffen muß ge-
redet seyn. Nach solcher zeit auch unter den Christen haben sich allezeit leu-
te gefunden/ die gegen diese eitelkeit geeiffert. Was das verbot an die Geist-
liche anlanget/ so finden sich davon unterschiedliche constitutiones. Aber
auch haben mehrmal andere christliche männer insgesamt diejenige/ welche
GOTT recht dienen wolten/ von dem tantzen abgemahnet. Ludov. Vives,
ein mann/ der zu seiner zeit ein zimlich liecht vor andern gehabt/ hält sehr nütz-
lich libr. de instit. foemin. Christ. Ut virgo ad saltationes non assuefiat.
Unter den unsrigen schreibet Joh. Brent, in cap. 3. Luc. hom. 30. f. 215. Ubi
citius dediscitur atque amittitur verecundia, quam in publicis saltationibus
& inverecundis choreis? quare honestae puellae interest, ut inverecundas ac
promiscuas illas chorearum saltationes non aliter quam scholam invere-
cundiae & impudicitiae fugiat;
und wiederum: Cui enim arrident indeco-
rae, fractae ac molles chorearum saltationes, mirum sinon ei arrideat ipsa
mollities & turpitudo:
Wiederum: Quantum igitur peccant saltatrices suis
mollibus gestibus, tantum peccant spectatores approbando & concupi-
scendo.
Und obwol unsere mehrere Theologi, wo sie von der frage handeln
gegen Reformirte/ diejenige thesin behaupten/ daß das tantzen nicht an und

vor
Q q q

ARTIC. IV. SECTIO XXIX.
ἐπερχομένους βαλλίζειν ἢ ὀρχεῖσθαι, ἀλλὰ σεμνῶς δειπνεῖν ἢ ἀριστᾶν, ὡς πρέπει
χριστιανοῖς Welches von Iſidoro Mercatore alſo gegeben wird: non opor-
tet Chriſtianos ad nuptias euntes vel ballare vel ſaltare ſed caſte cœnare.
vel prandere, ſicuti competit Chriſtianis.
Welche faſt gantz gleiche worte
aus dem Concilio Ilerdenſi angezogen werden; finden ſich aber in den heuti-
gen Canonibus nicht mehr alſo. Wie hart die Patres gegen das tantzen ſchrei-
ben/ liget vor dem tag/ und ſind die worte Arnolii, Ambroſii, Auguſtini, Chry-
ſoſtomi
hin und wieder zu leſen. Wolte man aber ſagen/ ſie redeten von dem
mißbrauch/ oder dem damal uͤblichen heydniſchen tantzen/ ſo ſind gleichwol ih-
re reden dermaſſen abgefaſſet/ daß ſie keines beſſern gebrauchs darbey geden-
cken; und moͤgen wir alſo wol ſagen/ wie wir jetzo von den taͤntzen reden/ nicht
wie ſie etwa ſeyn koͤnten/ ſondern wie ſie in praxi ſeyn/ alſo haben ſolche liebe
leute gegen ſolche greuel geeiffert/ und daher die gantze ſache den leuten ver-
leiden wollen/ von dero ſo ſchwehrlich ein rechter gebrauch zu finden iſt. Denn
daß ſie allein von demjenigen tantzen/ da etwas der heydniſchen abgoͤtterey
dabey geweſen (wie auch ſolche unter den Heyden ſich gefunden haben) gere-
det ſolten haben/ wird ſich mit nichts erweiſen laſſen/ ſondern wider die un-
eingeſchrenckte generalitaͤt ihrer worte ſtreiten. So war zu den zeiten Am-
broſii, Auguſtini,
und Chryſoſtomi der zuſtand ſchon alſo/ daß die euſſerliche
macht des Chriſtenthums die euſſerliche abgoͤttereyen abgeſchaffet/ und nicht
ſo wol von denſelbigen als andern aͤrgernuͤſſen/ die ſonſten freylich auch aus
dem Heydenthum hergekommen ſind/ in ihren klagen und ſtraffen muß ge-
redet ſeyn. Nach ſolcher zeit auch unter den Chriſten haben ſich allezeit leu-
te gefunden/ die gegen dieſe eitelkeit geeiffert. Was das verbot an die Geiſt-
liche anlanget/ ſo finden ſich davon unterſchiedliche conſtitutiones. Aber
auch haben mehrmal andere chriſtliche maͤnner insgeſamt diejenige/ welche
GOTT recht dienen wolten/ von dem tantzen abgemahnet. Ludov. Vives,
ein mann/ der zu ſeiner zeit ein zimlich liecht vor andern gehabt/ haͤlt ſehr nuͤtz-
lich libr. de inſtit. fœmin. Chriſt. Ut virgo ad ſaltationes non aſſuefiat.
Unter den unſrigen ſchreibet Joh. Brent, in cap. 3. Luc. hom. 30. f. 215. Ubi
citius dediſcitur atque amittitur verecundia, quam in publicis ſaltationibus
& inverecundis choreis? quare honeſtæ puellæ intereſt, ut inverecundas ac
promiſcuas illas chorearum ſaltationes non aliter quam ſcholam invere-
cundiæ & impudicitiæ fugiat;
und wiederum: Cui enim arrident indeco-
ræ, fractæ ac molles chorearum ſaltationes, mirum ſinon ei arrideat ipſa
mollities & turpitudo:
Wiederum: Quantum igitur peccant ſaltatrices ſuis
mollibus geſtibus, tantum peccant ſpectatores approbando & concupi-
ſcendo.
Und obwol unſere mehrere Theologi, wo ſie von der frage handeln
gegen Reformirte/ diejenige theſin behaupten/ daß das tantzen nicht an und

vor
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[489/0497] ARTIC. IV. SECTIO XXIX. ἐπερχομένους βαλλίζειν ἢ ὀρχεῖσθαι, ἀλλὰ σεμνῶς δειπνεῖν ἢ ἀριστᾶν, ὡς πρέπει χριστιανοῖς Welches von Iſidoro Mercatore alſo gegeben wird: non opor- tet Chriſtianos ad nuptias euntes vel ballare vel ſaltare ſed caſte cœnare. vel prandere, ſicuti competit Chriſtianis. Welche faſt gantz gleiche worte aus dem Concilio Ilerdenſi angezogen werden; finden ſich aber in den heuti- gen Canonibus nicht mehr alſo. Wie hart die Patres gegen das tantzen ſchrei- ben/ liget vor dem tag/ und ſind die worte Arnolii, Ambroſii, Auguſtini, Chry- ſoſtomi hin und wieder zu leſen. Wolte man aber ſagen/ ſie redeten von dem mißbrauch/ oder dem damal uͤblichen heydniſchen tantzen/ ſo ſind gleichwol ih- re reden dermaſſen abgefaſſet/ daß ſie keines beſſern gebrauchs darbey geden- cken; und moͤgen wir alſo wol ſagen/ wie wir jetzo von den taͤntzen reden/ nicht wie ſie etwa ſeyn koͤnten/ ſondern wie ſie in praxi ſeyn/ alſo haben ſolche liebe leute gegen ſolche greuel geeiffert/ und daher die gantze ſache den leuten ver- leiden wollen/ von dero ſo ſchwehrlich ein rechter gebrauch zu finden iſt. Denn daß ſie allein von demjenigen tantzen/ da etwas der heydniſchen abgoͤtterey dabey geweſen (wie auch ſolche unter den Heyden ſich gefunden haben) gere- det ſolten haben/ wird ſich mit nichts erweiſen laſſen/ ſondern wider die un- eingeſchrenckte generalitaͤt ihrer worte ſtreiten. So war zu den zeiten Am- broſii, Auguſtini, und Chryſoſtomi der zuſtand ſchon alſo/ daß die euſſerliche macht des Chriſtenthums die euſſerliche abgoͤttereyen abgeſchaffet/ und nicht ſo wol von denſelbigen als andern aͤrgernuͤſſen/ die ſonſten freylich auch aus dem Heydenthum hergekommen ſind/ in ihren klagen und ſtraffen muß ge- redet ſeyn. Nach ſolcher zeit auch unter den Chriſten haben ſich allezeit leu- te gefunden/ die gegen dieſe eitelkeit geeiffert. Was das verbot an die Geiſt- liche anlanget/ ſo finden ſich davon unterſchiedliche conſtitutiones. Aber auch haben mehrmal andere chriſtliche maͤnner insgeſamt diejenige/ welche GOTT recht dienen wolten/ von dem tantzen abgemahnet. Ludov. Vives, ein mann/ der zu ſeiner zeit ein zimlich liecht vor andern gehabt/ haͤlt ſehr nuͤtz- lich libr. de inſtit. fœmin. Chriſt. Ut virgo ad ſaltationes non aſſuefiat. Unter den unſrigen ſchreibet Joh. Brent, in cap. 3. Luc. hom. 30. f. 215. Ubi citius dediſcitur atque amittitur verecundia, quam in publicis ſaltationibus & inverecundis choreis? quare honeſtæ puellæ intereſt, ut inverecundas ac promiſcuas illas chorearum ſaltationes non aliter quam ſcholam invere- cundiæ & impudicitiæ fugiat; und wiederum: Cui enim arrident indeco- ræ, fractæ ac molles chorearum ſaltationes, mirum ſinon ei arrideat ipſa mollities & turpitudo: Wiederum: Quantum igitur peccant ſaltatrices ſuis mollibus geſtibus, tantum peccant ſpectatores approbando & concupi- ſcendo. Und obwol unſere mehrere Theologi, wo ſie von der frage handeln gegen Reformirte/ diejenige theſin behaupten/ daß das tantzen nicht an und vor Q q q

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/497>, abgerufen am 22.11.2024.