Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. IV. SECTIO XXV. oder da einem glied etwas wiederführe/ dadurch dessen gebrauch etlicher mas-sen gehindert würde/ solchem durch artzney zu begegnen/ und wieder nach der natürlichen ordnung zu trachten/ so wenig ists auch unrecht/ dasjenige zu ver- treiben/ was ob es der glieder gebrauch nicht hindert/ gleichwol einen mißstand in der gestalt gibet/ gegen dem als diese sonst von GOTT gebildet war. 2. Ob man etwas/ das man zwahr mit auf die welt bracht/ doch aber nicht zu der natürlichen gestalt des menschen gehöret/ sondern mehr verstellet/ als mutter-mahl und dergleichen/ mit gutem gewissen vertreiben könne? Auch diese frage beantwortet sich gleich der vorigen mit ja aus gleichen 3. Ob ein Christ/ dem GOTT eine gute gestalt gegeben/ zu selbiger mit gutem gewissen etwas brauchen könne/ das ohne anstrei- chen und schmincke ist/ sondern nur die haut glatt und sauber erhält? Was das schmincken anlangt/ hat es in der schrifft einen bösen nah- das O o o 2
ARTIC. IV. SECTIO XXV. oder da einem glied etwas wiederfuͤhre/ dadurch deſſen gebrauch etlicher maſ-ſen gehindert wuͤrde/ ſolchem durch artzney zu begegnen/ und wieder nach der natuͤrlichen ordnung zu trachten/ ſo wenig iſts auch unrecht/ dasjenige zu ver- treiben/ was ob es der glieder gebrauch nicht hindert/ gleichwol einen mißſtand in der geſtalt gibet/ gegen dem als dieſe ſonſt von GOTT gebildet war. 2. Ob man etwas/ das man zwahr mit auf die welt bracht/ doch aber nicht zu der natuͤrlichen geſtalt des menſchen gehoͤret/ ſondern mehr verſtellet/ als mutter-mahl und dergleichen/ mit gutem gewiſſen vertreiben koͤnne? Auch dieſe frage beantwortet ſich gleich der vorigen mit ja aus gleichen 3. Ob ein Chriſt/ dem GOTT eine gute geſtalt gegeben/ zu ſelbiger mit gutem gewiſſen etwas brauchen koͤnne/ das ohne anſtrei- chen und ſchmincke iſt/ ſondern nur die haut glatt und ſauber erhaͤlt? Was das ſchmincken anlangt/ hat es in der ſchrifft einen boͤſen nah- das O o o 2
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ARTIC. IV. SECTIO XXV.
oder da einem glied etwas wiederfuͤhre/ dadurch deſſen gebrauch etlicher maſ-
ſen gehindert wuͤrde/ ſolchem durch artzney zu begegnen/ und wieder nach der
natuͤrlichen ordnung zu trachten/ ſo wenig iſts auch unrecht/ dasjenige zu ver-
treiben/ was ob es der glieder gebrauch nicht hindert/ gleichwol einen mißſtand
in der geſtalt gibet/ gegen dem als dieſe ſonſt von GOTT gebildet war.
2.
Ob man etwas/ das man zwahr mit auf die welt bracht/ doch aber
nicht zu der natuͤrlichen geſtalt des menſchen gehoͤret/ ſondern
mehr verſtellet/ als mutter-mahl und dergleichen/ mit gutem
gewiſſen vertreiben koͤnne?
Auch dieſe frage beantwortet ſich gleich der vorigen mit ja aus gleichen
gruͤnden. Denn was den einwurff anlangt/ den man machen koͤnte/ und auf
den wol vielleicht geſehen werden mag: Weil GOTT in der natur einem
menſchen ſolche zeichen habe laſſen eingetrucket werden/ ſo muͤſte ſein wille
ſeyn/ daß er dieſelbe auch ſtets an ſich behielte: Jſt ſolches falſch/ oder folget
nicht. Wie ja hoffentlich niemand leugnen wird/ wo ein kind eine kranckheit
mit auf die welt braͤchte/ oder auch ein ſolches gewaͤchs/ ſo ihm an dem leben
koͤnte ſchaͤdlich ſeyn/ oder ſeiner glieder natuͤrlichen gebrauch hemmete/ daß
man durch menſchliche haͤnde/ rath und huͤlffe ſolchem gebrechen wol helffen
duͤrffe/ und damit nicht wider GOttes willen thue. So iſt denn gleiches
von andern gebrechen zu ſagen/ welche ob wol nicht der glieder wercke hindern/
dannoch eine mißſtellung/ der natuͤrlichen ordnung entgegen/ verurſachen.
So ſind alle ſchwehrere oder geringere gebrechen und abweichungen von der
natuͤrlichen ordnung nicht als eigene wercke goͤttlicher ſchoͤpffung/ ſondern als
folgen der in dem menſchlichen geſchlecht eingefuͤhrten ſuͤnden/ dadurch alles
in unordnung gerathen iſt/ und einigen fluch leiden muß/ anzuſehen: Darvon
wir uns aber durch GOTT nicht widrige mittel nach muͤglichkeit zu befreyen
wol befugt ſind.
3.
Ob ein Chriſt/ dem GOTT eine gute geſtalt gegeben/ zu ſelbiger
mit gutem gewiſſen etwas brauchen koͤnne/ das ohne anſtrei-
chen und ſchmincke iſt/ ſondern nur die haut glatt und ſauber
erhaͤlt?
Was das ſchmincken anlangt/ hat es in der ſchrifft einen boͤſen nah-
men/ und wird huͤriſchen gemuͤthern allein zugeſchrieben/ als Ezech. 23/ 40.
Jerem. 4/ 30. 2. Koͤn. 9/ 30. wiewol es in dem leiblichen und in der natur
ſo bald ſeine ſtraffe hat/ daß es die haut mehr verderbet/ und endlich an ſtatt
der ſchoͤnheit nur ſo viel garſtiger anſehen verurſachet. Es beſtchet aber
das
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/483>, abgerufen am 16.07.2024. |