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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
gewarten: Ob dann nun uns noch schwehre trübsaalen zu erst vorstehen/ die
wir uns nicht schrecken lassen sollen/ so wissen wir doch/ der HErr wird uns
beystehen/ und seine hülffe ist uns villeicht näher/ als wir ietzt noch geden-
cken/ daß sein reich mit macht durchbreche/ so uns trosts gnug ist. etc.

SECTIO XXIV.
Von dem fasten.

DAs fasten betreffend/ halte ich es bey den meisten naturen vor eine
sehr nützliche übung/ bey einigen mag es zu weilen gar nöthig seyn: Je-
doch nicht als ein Gottesdienst an sich selbst/ dann GOtt dem HErrn
weder an essen noch fasten liget/ daher in diesem keine besondere heiligkeit
stecket/ sondern als ein beförderungs-mittel der betrachtung/ gebets/ zäh-
mung seines eigenen fleisches und dessen begierden. Deßwegen auch jegli-
cher seine natur hierinnen am fleißigsten zu prüfen hat/ wie fern ihm diese ü-
bung zu vorgesetztem zweck/ mehr oder weniger dienlich und nöthig seye/ dar-
aus zu schließen/ wie fern er sich derselben zu gebrauchen habe oder nicht. Es
werden sich einige naturen finden/ welchen das fasten nicht nur in dem leib-
lichen schädlich/ (wie mich ein gelehrter Medicus, so meine natur fleißig er-
forschet/ überreden wollen/ daß ich fast mein gantzes temperament damit in
unordnung gebracht/ und mich beschädigt hätte/ als einmal in meinen stu-
dir jahren ein jahr durch wochentlich einen tag mit übergehung der mittags-
mahlzeit gefastet/ dadurch aber der magen aus mangel dessen/ was er con-
sumi
rte/ alle natürliche feuchtigkeit der innern viscerum an sich gezogen/ und
diese ausgetrocknet hätte) sondern auch in dem geistlichen nicht vorträglich
ist: Maßen sie durch das fasten zu gebet und andacht nicht geschickter/ son-
dern wegen der aus nüchterem magen aufsteigender dünste und übelkeit un-
tüchtiger und in den gedancken mehr zerstreuet werden. Jedoch insgemein/
ists freylich eine nützliche sache/ und kan bey den meisten naturen dadurch gros-
se beforderung geschehen/ ja auch die gewohnheit eine natur offt mehr dazu
geschickt machen. Hat man also das fasten meines erachtens anzusehen:
Alß 1. eine nicht bloßer dings oder allezeit nöthige sache. Sihe Matth. 9/
15.
wie es auch nirgends austrücklich befohlen ist. 2. gehörets hingegen un-
ter die mittel-dinge/ welche einige eußerliche beförderungs-mittel seyn kön-
nen. 3. Bey diesen aber hat man zeit/ ort/ und die natürliche eines jegli-
chen bewandnüß/ wohl zuerwegen/ wann/ wo/ wem dieselbige dienlich seynd.
4. Wo man dero nothwendigkeit oder nutzen erkennet/ so sollen wir uns de-
roselben gern gebraucheu/ als die wir dazu verbunden sind/ in allen stücken

das

Das dritte Capitel.
gewarten: Ob dann nun uns noch ſchwehre truͤbſaalen zu erſt vorſtehen/ die
wir uns nicht ſchrecken laſſen ſollen/ ſo wiſſen wir doch/ der HErr wird uns
beyſtehen/ und ſeine huͤlffe iſt uns villeicht naͤher/ als wir ietzt noch geden-
cken/ daß ſein reich mit macht durchbreche/ ſo uns troſts gnug iſt. ꝛc.

SECTIO XXIV.
Von dem faſten.

DAs faſten betreffend/ halte ich es bey den meiſten naturen vor eine
ſehr nuͤtzliche uͤbung/ bey einigen mag es zu weilen gar noͤthig ſeyn: Je-
doch nicht als ein Gottesdienſt an ſich ſelbſt/ dann GOtt dem HErrn
weder an eſſen noch faſten liget/ daher in dieſem keine beſondere heiligkeit
ſtecket/ ſondern als ein befoͤrderungs-mittel der betrachtung/ gebets/ zaͤh-
mung ſeines eigenen fleiſches und deſſen begierden. Deßwegen auch jegli-
cher ſeine natur hierinnen am fleißigſten zu pruͤfen hat/ wie fern ihm dieſe uͤ-
bung zu vorgeſetztem zweck/ mehr oder weniger dienlich und noͤthig ſeye/ dar-
aus zu ſchließen/ wie fern er ſich derſelben zu gebrauchen habe oder nicht. Es
werden ſich einige naturen finden/ welchen das faſten nicht nur in dem leib-
lichen ſchaͤdlich/ (wie mich ein gelehrter Medicus, ſo meine natur fleißig er-
forſchet/ uͤberreden wollen/ daß ich faſt mein gantzes temperament damit in
unordnung gebracht/ und mich beſchaͤdigt haͤtte/ als einmal in meinen ſtu-
dir jahren ein jahr durch wochentlich einen tag mit uͤbergehung der mittags-
mahlzeit gefaſtet/ dadurch aber der magen aus mangel deſſen/ was er con-
ſumi
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dieſe ausgetrocknet haͤtte) ſondern auch in dem geiſtlichen nicht vortraͤglich
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dern wegen der aus nuͤchterem magen aufſteigender duͤnſte und uͤbelkeit un-
tuͤchtiger und in den gedancken mehr zerſtreuet werden. Jedoch insgemein/
iſts freylich eine nuͤtzliche ſache/ uñ kan bey den meiſten naturen daduꝛch groſ-
ſe beforderung geſchehen/ ja auch die gewohnheit eine natur offt mehr dazu
geſchickt machen. Hat man alſo das faſten meines erachtens anzuſehen:
Alß 1. eine nicht bloßer dings oder allezeit noͤthige ſache. Sihe Matth. 9/
15.
wie es auch nirgends austruͤcklich befohlen iſt. 2. gehoͤrets hingegen un-
ter die mittel-dinge/ welche einige eußerliche befoͤrderungs-mittel ſeyn koͤn-
nen. 3. Bey dieſen aber hat man zeit/ ort/ und die natuͤrliche eines jegli-
chen bewandnuͤß/ wohl zuerwegen/ wann/ wo/ wem dieſelbige dienlich ſeynd.
4. Wo man dero nothwendigkeit oder nutzen erkennet/ ſo ſollen wir uns de-
roſelben gern gebraucheu/ als die wir dazu verbunden ſind/ in allen ſtuͤcken

das
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[472/0480] Das dritte Capitel. gewarten: Ob dann nun uns noch ſchwehre truͤbſaalen zu erſt vorſtehen/ die wir uns nicht ſchrecken laſſen ſollen/ ſo wiſſen wir doch/ der HErr wird uns beyſtehen/ und ſeine huͤlffe iſt uns villeicht naͤher/ als wir ietzt noch geden- cken/ daß ſein reich mit macht durchbreche/ ſo uns troſts gnug iſt. ꝛc. SECTIO XXIV. Von dem faſten. DAs faſten betreffend/ halte ich es bey den meiſten naturen vor eine ſehr nuͤtzliche uͤbung/ bey einigen mag es zu weilen gar noͤthig ſeyn: Je- doch nicht als ein Gottesdienſt an ſich ſelbſt/ dann GOtt dem HErrn weder an eſſen noch faſten liget/ daher in dieſem keine beſondere heiligkeit ſtecket/ ſondern als ein befoͤrderungs-mittel der betrachtung/ gebets/ zaͤh- mung ſeines eigenen fleiſches und deſſen begierden. Deßwegen auch jegli- cher ſeine natur hierinnen am fleißigſten zu pruͤfen hat/ wie fern ihm dieſe uͤ- bung zu vorgeſetztem zweck/ mehr oder weniger dienlich und noͤthig ſeye/ dar- aus zu ſchließen/ wie fern er ſich derſelben zu gebrauchen habe oder nicht. Es werden ſich einige naturen finden/ welchen das faſten nicht nur in dem leib- lichen ſchaͤdlich/ (wie mich ein gelehrter Medicus, ſo meine natur fleißig er- forſchet/ uͤberreden wollen/ daß ich faſt mein gantzes temperament damit in unordnung gebracht/ und mich beſchaͤdigt haͤtte/ als einmal in meinen ſtu- dir jahren ein jahr durch wochentlich einen tag mit uͤbergehung der mittags- mahlzeit gefaſtet/ dadurch aber der magen aus mangel deſſen/ was er con- ſumirte/ alle natuͤrliche feuchtigkeit der innern viſcerum an ſich gezogen/ und dieſe ausgetrocknet haͤtte) ſondern auch in dem geiſtlichen nicht vortraͤglich iſt: Maßen ſie durch das faſten zu gebet und andacht nicht geſchickter/ ſon- dern wegen der aus nuͤchterem magen aufſteigender duͤnſte und uͤbelkeit un- tuͤchtiger und in den gedancken mehr zerſtreuet werden. Jedoch insgemein/ iſts freylich eine nuͤtzliche ſache/ uñ kan bey den meiſten naturen daduꝛch groſ- ſe beforderung geſchehen/ ja auch die gewohnheit eine natur offt mehr dazu geſchickt machen. Hat man alſo das faſten meines erachtens anzuſehen: Alß 1. eine nicht bloßer dings oder allezeit noͤthige ſache. Sihe Matth. 9/ 15. wie es auch nirgends austruͤcklich befohlen iſt. 2. gehoͤrets hingegen un- ter die mittel-dinge/ welche einige eußerliche befoͤrderungs-mittel ſeyn koͤn- nen. 3. Bey dieſen aber hat man zeit/ ort/ und die natuͤrliche eines jegli- chen bewandnuͤß/ wohl zuerwegen/ wann/ wo/ wem dieſelbige dienlich ſeynd. 4. Wo man dero nothwendigkeit oder nutzen erkennet/ ſo ſollen wir uns de- roſelben gern gebraucheu/ als die wir dazu verbunden ſind/ in allen ſtuͤcken das

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/480>, abgerufen am 21.11.2024.