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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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sondern ich melde dieses allein aus liebreicher fürsorge und erfahrung/ wie es
denen zu muth zu seyn pflege/ bey denen der HErr einen hertzlichen eiffer er-
wecket hat/ daß nemlich derselbige sich sehr schwehr halten lasse/ um die sache
in der furcht des HErrn desto fleißiger zu überlegen/ was zu thun seyn möch-
te/ je nachdem von NN. etwas kommen solte/ auch nach demselben das bißhe-
rige zu überdencken. Er aber der die weißheit selbsten ist/ gebe die weißheit/
die vor ihm ist/ in allem solchen stäts seinen willen an uns/ und die uns anver-
traute also einzusehen/ daß wir weder zur rechten noch zur lincken davon ab-
gehen. Nechst dem treibet mich auch eben solches brüderliche vertrauen da-
hin/ daß wegen des sogenanten H. Christs meine meinung zu ferner gottse-
liger prüfung vorstelle. So bin nun mit demselben allerdings einig/ daß
es unzimlich und dem Christenthum so schimpfflich als schädlich seye/ was
mit den vermumten Christkindlein vor spiel getrieben/ und dadurch den kin-
dern (zugeschweigen der abgötterey/ da die arme kinder einen solchen götzen
und offt liederlichen gesellen den sie aber vor Christum halten sollen/ anbeten/
und mißbrauchs göttlichen worts) gantz ungleiche und auff viele zeit schädli-
che gedancken von Christo gemacht werden: daher ich so hier als in Franck-
furt fast jährlich dawider geprediget habe/ daß auch unterschiedliche solches
unterlassen: wo aber G. B. alle die den kindern um solche zeit gebende leibli-
che gaben bloß dahin verwerffen wolte/ könte ich nicht beypflichten: indem
nicht allein in solcher sache an sich nichts böses ist/ sondern junge kinder ver-
mittels der leiblichen freude auch zu der geistlichen freude zu leiten/ dessen el-
tern auch nicht vergessen sollen/ vielmehr der art GOttes/ wie er mit uns
handelt/ gemäß/ als zuwider zu seyn erkant werden wird/ wann wir sonder-
lich bedencken/ wie derselbe mit den Juden in dem A. T. die er als noch weni-
ger verständige kinder hielte/ umgegangen ist/ und sie immer durch leibliche
gaben zu was höhers geführet hat. Auffs wenigste würde/ wo man ja eini-
ges ungemach dabey finde/ die sache lieber mit solcher vorstellung zu mißra-
then/ als bloß dahin vor eine schwehre sünde zu verdammen seyn. Hingegen
wo einige sache/ dero sündlichkeit man nachmal nicht gnugsam zu überfüh-
rung der gewissen erweisen kan/ allzuhoch getrieben wird/ ist nicht zu sagen/
wie viel solches auch bey noch guten gemüthern verderbe und niederschlage.
Lasset uns aber in allem solchem unauffhörlich zu dem liebsten Vater seuff-
tzen/ daß er uns durch seinen Geist in allen stücken der lehre und des le-
bens regiere. Ach er thue es doch um seiner eh-
re willen. 1691.

SECTIO

ARTIC. IV. SECTIO XX.
ſondern ich melde dieſes allein aus liebreicher fuͤrſorge und erfahrung/ wie es
denen zu muth zu ſeyn pflege/ bey denen der HErr einen hertzlichen eiffer er-
wecket hat/ daß nemlich derſelbige ſich ſehr ſchwehr halten laſſe/ um die ſache
in der furcht des HErrn deſto fleißiger zu uͤberlegen/ was zu thun ſeyn moͤch-
te/ je nachdem von NN. etwas kommen ſolte/ auch nach demſelben das bißhe-
rige zu uͤberdencken. Er aber der die weißheit ſelbſten iſt/ gebe die weißheit/
die vor ihm iſt/ in allem ſolchen ſtaͤts ſeinen willen an uns/ und die uns anver-
traute alſo einzuſehen/ daß wir weder zur rechten noch zur lincken davon ab-
gehen. Nechſt dem treibet mich auch eben ſolches bruͤderliche vertrauen da-
hin/ daß wegen des ſogenanten H. Chriſts meine meinung zu ferner gottſe-
liger pruͤfung vorſtelle. So bin nun mit demſelben allerdings einig/ daß
es unzimlich und dem Chriſtenthum ſo ſchimpfflich als ſchaͤdlich ſeye/ was
mit den vermumten Chriſtkindlein vor ſpiel getrieben/ und dadurch den kin-
dern (zugeſchweigen der abgoͤtterey/ da die arme kinder einen ſolchen goͤtzen
und offt liederlichen geſellen den ſie aber vor Chriſtum halten ſollen/ anbeten/
und mißbrauchs goͤttlichen worts) gantz ungleiche und auff viele zeit ſchaͤdli-
che gedancken von Chriſto gemacht werden: daher ich ſo hier als in Franck-
furt faſt jaͤhrlich dawider geprediget habe/ daß auch unterſchiedliche ſolches
unterlaſſen: wo aber G. B. alle die den kindern um ſolche zeit gebende leibli-
che gaben bloß dahin verwerffen wolte/ koͤnte ich nicht beypflichten: indem
nicht allein in ſolcher ſache an ſich nichts boͤſes iſt/ ſondern junge kinder ver-
mittels der leiblichen freude auch zu der geiſtlichen freude zu leiten/ deſſen el-
tern auch nicht vergeſſen ſollen/ vielmehr der art GOttes/ wie er mit uns
handelt/ gemaͤß/ als zuwider zu ſeyn erkant werden wird/ wann wir ſonder-
lich bedencken/ wie derſelbe mit den Juden in dem A. T. die er als noch weni-
ger verſtaͤndige kinder hielte/ umgegangen iſt/ und ſie immer durch leibliche
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ges ungemach dabey finde/ die ſache lieber mit ſolcher vorſtellung zu mißra-
then/ als bloß dahin vor eine ſchwehre ſuͤnde zu verdammen ſeyn. Hingegen
wo einige ſache/ dero ſuͤndlichkeit man nachmal nicht gnugſam zu uͤberfuͤh-
rung der gewiſſen erweiſen kan/ allzuhoch getrieben wird/ iſt nicht zu ſagen/
wie viel ſolches auch bey noch guten gemuͤthern verderbe und niederſchlage.
Laſſet uns aber in allem ſolchem unauffhoͤrlich zu dem liebſten Vater ſeuff-
tzen/ daß er uns durch ſeinen Geiſt in allen ſtuͤcken der lehre und des le-
bens regiere. Ach er thue es doch um ſeiner eh-
re willen. 1691.

SECTIO
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[463/0471] ARTIC. IV. SECTIO XX. ſondern ich melde dieſes allein aus liebreicher fuͤrſorge und erfahrung/ wie es denen zu muth zu ſeyn pflege/ bey denen der HErr einen hertzlichen eiffer er- wecket hat/ daß nemlich derſelbige ſich ſehr ſchwehr halten laſſe/ um die ſache in der furcht des HErrn deſto fleißiger zu uͤberlegen/ was zu thun ſeyn moͤch- te/ je nachdem von NN. etwas kommen ſolte/ auch nach demſelben das bißhe- rige zu uͤberdencken. Er aber der die weißheit ſelbſten iſt/ gebe die weißheit/ die vor ihm iſt/ in allem ſolchen ſtaͤts ſeinen willen an uns/ und die uns anver- traute alſo einzuſehen/ daß wir weder zur rechten noch zur lincken davon ab- gehen. Nechſt dem treibet mich auch eben ſolches bruͤderliche vertrauen da- hin/ daß wegen des ſogenanten H. Chriſts meine meinung zu ferner gottſe- liger pruͤfung vorſtelle. So bin nun mit demſelben allerdings einig/ daß es unzimlich und dem Chriſtenthum ſo ſchimpfflich als ſchaͤdlich ſeye/ was mit den vermumten Chriſtkindlein vor ſpiel getrieben/ und dadurch den kin- dern (zugeſchweigen der abgoͤtterey/ da die arme kinder einen ſolchen goͤtzen und offt liederlichen geſellen den ſie aber vor Chriſtum halten ſollen/ anbeten/ und mißbrauchs goͤttlichen worts) gantz ungleiche und auff viele zeit ſchaͤdli- che gedancken von Chriſto gemacht werden: daher ich ſo hier als in Franck- furt faſt jaͤhrlich dawider geprediget habe/ daß auch unterſchiedliche ſolches unterlaſſen: wo aber G. B. alle die den kindern um ſolche zeit gebende leibli- che gaben bloß dahin verwerffen wolte/ koͤnte ich nicht beypflichten: indem nicht allein in ſolcher ſache an ſich nichts boͤſes iſt/ ſondern junge kinder ver- mittels der leiblichen freude auch zu der geiſtlichen freude zu leiten/ deſſen el- tern auch nicht vergeſſen ſollen/ vielmehr der art GOttes/ wie er mit uns handelt/ gemaͤß/ als zuwider zu ſeyn erkant werden wird/ wann wir ſonder- lich bedencken/ wie derſelbe mit den Juden in dem A. T. die er als noch weni- ger verſtaͤndige kinder hielte/ umgegangen iſt/ und ſie immer durch leibliche gaben zu was hoͤhers gefuͤhret hat. Auffs wenigſte wuͤrde/ wo man ja eini- ges ungemach dabey finde/ die ſache lieber mit ſolcher vorſtellung zu mißra- then/ als bloß dahin vor eine ſchwehre ſuͤnde zu verdammen ſeyn. Hingegen wo einige ſache/ dero ſuͤndlichkeit man nachmal nicht gnugſam zu uͤberfuͤh- rung der gewiſſen erweiſen kan/ allzuhoch getrieben wird/ iſt nicht zu ſagen/ wie viel ſolches auch bey noch guten gemuͤthern verderbe und niederſchlage. Laſſet uns aber in allem ſolchem unauffhoͤrlich zu dem liebſten Vater ſeuff- tzen/ daß er uns durch ſeinen Geiſt in allen ſtuͤcken der lehre und des le- bens regiere. Ach er thue es doch um ſeiner eh- re willen. 1691. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/471>, abgerufen am 14.08.2024.