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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
waaren verfälsche/ übersetze oder andere unzimliche vortheil gebrauche/ sol-
ches ihm viel eher vor andern einen zugang zuwege bringen solte/ als daß ihm
sein Christenthum darinnen hinderlich wäre. Denn die auch selbs nicht gern
wollen Christen zu seyn resolviren/ haben es doch gemeiniglich mit rechten
Christen am liebsten zu thun/ als von denen sie sich keines schadens besorgen
dörffen. Wo aber möchte eingewendet werden/ daß ein handelsmann/ so
seine eigene handlung führet/ wohl möchte mit gutem gewissen solches thun/
nachdem er alles selbs nach seinem gewissen einrichten kan. Aber ein handels-
diener seye übel dran/ und werde sein dienst zur sünde mißbraucht/ daher man
mit gutem gewissen darinnen nicht stehen könne. So achte ich aber auch die-
ses noch nicht gnugsam/ daß man deswegen die lebens-art ändern müste:
nicht allein weil es nicht wol müglich solte scheinen zu seyn/ daß ein gottseli-
ger kauff-diener unter den vielen handels-herren nicht solte endlich auch ei-
nen gottseligen/ oder auffs wenigste einen so fern moral frommen Herrn an-
treffen/ der das gewissen des dieners nicht beschwehrte. Fände sich derglei-
chen nicht unter den reichsten/ so wäre es etwa bey mittelmäßigen/ wäre es
nicht in den grössesten handels-städten/ so möchte es in den kleinern seyn. Da
aber einem christlichen diener gnug ist/ wo er nur so viel lernen und erfahren
möge als ihm nöthig ist/ biß ihm GOtt zu eigenem heerd die gelegenheit ge-
be. Wäre aber einer bey einem ungerechten Herren/ und könte nicht anders un-
terkommen/ so ists wohl ein betrübtes thun/ aber doch auch müglich dem ge-
wissen zu rathen/ wo man wahrnimmet/ daß nicht allezeit derjenige sündiget/
dessen dienst ein anderer zur sünde mißbraucht. Daher darff kein bedienter
auch auff ungerechter herrschafft befehl etwas/ das an sich selbs und offen-
bahr böses ist/ thun. Zum exempel/ er darff die waaren nicht verfälschen/
mit maaß und gewicht keinen betrug brauchen/ nicht lügen/ falsch schwehren
und dergleichen/ denn da ist allezeit das böse sein eigen werck/ und macht er
sich dessen theilhafftig. Hingegen kan er sich wohl in dingen seines dienstes
gebrauchen lassen/ in denen er selbs nicht sündiget/ wohl aber der/ welcher es
durch ihn thut. Er gibt etwa die waaren theurer als gerechtigkeit und billig-
keit erforderte/ wie ihm aber sein Herr solchen tax vorschreibet. Da geschi-
hets/ daß dieser sich mit solcher übersetzung versündiget/ als der weiß/ wie ers
geben könne/ und diesesmal nach der regel der gerechtigkeit und liebe solle/
und doch dagegen thut: der diener aber versündiget sich nicht/ ob er auch schon
den preiß des einkauffs und anders/ davon sonsten das maaß des preisses des
verkauffs dependiret/ weiß/ wann er alsdenn nach seines Herren befehl
alles verkauffet: Nachdem gleichwol müglich ist/ daß zuweilen ursachen seyn
können/ die einem handels-mann etwas über das sonsten billige höher an-
zuschlagen auch im gewissen erlaubt machen/ die der diener nicht weiß/ daher

sich

Das dritte Capitel.
waaren verfaͤlſche/ uͤberſetze oder andere unzimliche vortheil gebrauche/ ſol-
ches ihm viel eher vor andern einen zugang zuwege bringen ſolte/ als daß ihm
ſein Chriſtenthum darinnen hinderlich waͤre. Denn die auch ſelbs nicht gern
wollen Chriſten zu ſeyn reſolviren/ haben es doch gemeiniglich mit rechten
Chriſten am liebſten zu thun/ als von denen ſie ſich keines ſchadens beſorgen
doͤrffen. Wo aber moͤchte eingewendet werden/ daß ein handelsmann/ ſo
ſeine eigene handlung fuͤhret/ wohl moͤchte mit gutem gewiſſen ſolches thun/
nachdem er alles ſelbs nach ſeinem gewiſſen einrichten kan. Aber ein handels-
diener ſeye uͤbel dran/ und werde ſein dienſt zur ſuͤnde mißbraucht/ daher man
mit gutem gewiſſen darinnen nicht ſtehen koͤnne. So achte ich aber auch die-
ſes noch nicht gnugſam/ daß man deswegen die lebens-art aͤndern muͤſte:
nicht allein weil es nicht wol muͤglich ſolte ſcheinen zu ſeyn/ daß ein gottſeli-
ger kauff-diener unter den vielen handels-herren nicht ſolte endlich auch ei-
nen gottſeligen/ oder auffs wenigſte einen ſo fern moral frommen Herrn an-
treffen/ der das gewiſſen des dieners nicht beſchwehrte. Faͤnde ſich derglei-
chen nicht unter den reichſten/ ſo waͤre es etwa bey mittelmaͤßigen/ waͤre es
nicht in den groͤſſeſten handels-ſtaͤdten/ ſo moͤchte es in den kleinern ſeyn. Da
aber einem chriſtlichen diener gnug iſt/ wo er nur ſo viel lernen und erfahren
moͤge als ihm noͤthig iſt/ biß ihm GOtt zu eigenem heerd die gelegenheit ge-
be. Waͤre abeꝛ eineꝛ bey einem ungerechten Herꝛen/ und koͤnte nicht anders un-
terkommen/ ſo iſts wohl ein betruͤbtes thun/ aber doch auch muͤglich dem ge-
wiſſen zu rathen/ wo man wahrnimmet/ daß nicht allezeit derjenige ſuͤndiget/
deſſen dienſt ein anderer zur ſuͤnde mißbraucht. Daher darff kein bedienter
auch auff ungerechter herrſchafft befehl etwas/ das an ſich ſelbs und offen-
bahr boͤſes iſt/ thun. Zum exempel/ er darff die waaren nicht verfaͤlſchen/
mit maaß und gewicht keinen betrug brauchen/ nicht luͤgen/ falſch ſchwehren
und dergleichen/ denn da iſt allezeit das boͤſe ſein eigen werck/ und macht er
ſich deſſen theilhafftig. Hingegen kan er ſich wohl in dingen ſeines dienſtes
gebrauchen laſſen/ in denen er ſelbs nicht ſuͤndiget/ wohl aber der/ welcher es
durch ihn thut. Er gibt etwa die waaren theurer als gerechtigkeit und billig-
keit erforderte/ wie ihm aber ſein Herr ſolchen tax vorſchreibet. Da geſchi-
hets/ daß dieſer ſich mit ſolcher uͤberſetzung verſuͤndiget/ als der weiß/ wie ers
geben koͤnne/ und dieſesmal nach der regel der gerechtigkeit und liebe ſolle/
und doch dagegen thut: der diener aber verſuͤndiget ſich nicht/ ob er auch ſchon
den preiß des einkauffs und anders/ davon ſonſten das maaß des preiſſes des
verkauffs dependiret/ weiß/ wann er alsdenn nach ſeines Herren befehl
alles verkauffet: Nachdem gleichwol muͤglich iſt/ daß zuweilen urſachen ſeyn
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[436/0444] Das dritte Capitel. waaren verfaͤlſche/ uͤberſetze oder andere unzimliche vortheil gebrauche/ ſol- ches ihm viel eher vor andern einen zugang zuwege bringen ſolte/ als daß ihm ſein Chriſtenthum darinnen hinderlich waͤre. Denn die auch ſelbs nicht gern wollen Chriſten zu ſeyn reſolviren/ haben es doch gemeiniglich mit rechten Chriſten am liebſten zu thun/ als von denen ſie ſich keines ſchadens beſorgen doͤrffen. Wo aber moͤchte eingewendet werden/ daß ein handelsmann/ ſo ſeine eigene handlung fuͤhret/ wohl moͤchte mit gutem gewiſſen ſolches thun/ nachdem er alles ſelbs nach ſeinem gewiſſen einrichten kan. Aber ein handels- diener ſeye uͤbel dran/ und werde ſein dienſt zur ſuͤnde mißbraucht/ daher man mit gutem gewiſſen darinnen nicht ſtehen koͤnne. So achte ich aber auch die- ſes noch nicht gnugſam/ daß man deswegen die lebens-art aͤndern muͤſte: nicht allein weil es nicht wol muͤglich ſolte ſcheinen zu ſeyn/ daß ein gottſeli- ger kauff-diener unter den vielen handels-herren nicht ſolte endlich auch ei- nen gottſeligen/ oder auffs wenigſte einen ſo fern moral frommen Herrn an- treffen/ der das gewiſſen des dieners nicht beſchwehrte. Faͤnde ſich derglei- chen nicht unter den reichſten/ ſo waͤre es etwa bey mittelmaͤßigen/ waͤre es nicht in den groͤſſeſten handels-ſtaͤdten/ ſo moͤchte es in den kleinern ſeyn. Da aber einem chriſtlichen diener gnug iſt/ wo er nur ſo viel lernen und erfahren moͤge als ihm noͤthig iſt/ biß ihm GOtt zu eigenem heerd die gelegenheit ge- be. Waͤre abeꝛ eineꝛ bey einem ungerechten Herꝛen/ und koͤnte nicht anders un- terkommen/ ſo iſts wohl ein betruͤbtes thun/ aber doch auch muͤglich dem ge- wiſſen zu rathen/ wo man wahrnimmet/ daß nicht allezeit derjenige ſuͤndiget/ deſſen dienſt ein anderer zur ſuͤnde mißbraucht. Daher darff kein bedienter auch auff ungerechter herrſchafft befehl etwas/ das an ſich ſelbs und offen- bahr boͤſes iſt/ thun. Zum exempel/ er darff die waaren nicht verfaͤlſchen/ mit maaß und gewicht keinen betrug brauchen/ nicht luͤgen/ falſch ſchwehren und dergleichen/ denn da iſt allezeit das boͤſe ſein eigen werck/ und macht er ſich deſſen theilhafftig. Hingegen kan er ſich wohl in dingen ſeines dienſtes gebrauchen laſſen/ in denen er ſelbs nicht ſuͤndiget/ wohl aber der/ welcher es durch ihn thut. Er gibt etwa die waaren theurer als gerechtigkeit und billig- keit erforderte/ wie ihm aber ſein Herr ſolchen tax vorſchreibet. Da geſchi- hets/ daß dieſer ſich mit ſolcher uͤberſetzung verſuͤndiget/ als der weiß/ wie ers geben koͤnne/ und dieſesmal nach der regel der gerechtigkeit und liebe ſolle/ und doch dagegen thut: der diener aber verſuͤndiget ſich nicht/ ob er auch ſchon den preiß des einkauffs und anders/ davon ſonſten das maaß des preiſſes des verkauffs dependiret/ weiß/ wann er alsdenn nach ſeines Herren befehl alles verkauffet: Nachdem gleichwol muͤglich iſt/ daß zuweilen urſachen ſeyn koͤnnen/ die einem handels-mann etwas uͤber das ſonſten billige hoͤher an- zuſchlagen auch im gewiſſen erlaubt machen/ die der diener nicht weiß/ daher ſich

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/444>, abgerufen am 22.11.2024.