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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. IV. SECTIO XV.
es ist ihm so wol/ als andern Christen gesagt/ 1. Tim. 6/ 8. wenn wir nah-
rung und kleider haben/ so lasset uns begnügen.
Daher wird er allezeit
diejenige billigkeit in acht nehmen/ daß er diejenige/ mit welchen er umzuge-
hen hat/ nicht übersetze noch vervortheile 1. Thess. 4/ 6. hingegen allein mit
den seinigen nothdürfftig leben möge. Wirfft ihm denn GOtt durch sonder-
bahres glück mehreren segen zu/ wird er auch denselben zu GOttes ehren
und wercken der liebe gern reichlicher anwenden/ um auch an guten wercken
reich zu werden. Wann also bey einem kauffmann diese beyde stücke die furcht
GOttes und verleugnung der liebe des reichthums/ sich finden/ so wird ihm
seine handlung nicht zur sünde werden. Und gilt nicht sagen/ auff diese wei-
se könte kein kauffmann fortkommen/ noch sein stück brodt haben: dann ich
wolte das gegentheil nicht allein mit exempeln solcher handels-leute erwei-
sen können/ die sich darneben ihr Christenthum zu anderer gutem exempel ha-
ben lassen angelegen seyn/ sondern ich traue es also zu zeigen/ daß niemand
widersprechen könne. Die meiste sünden der handels-leute bestehen wohl in
ungerechtigkeit/ falschheit/ übersetzung des preises und unrechten vortheilen/
da ich nun nicht leugne/ wer sich dero befleisset/ wo ers heimlich thut/ da mans
nicht gewahr wird/ und da andere an ihn gebunden sind/ kan wol (es seye denn
daß Gottes fluch auch da entgegen stehet) zu so grossen mitteln bälder kommen/
als diejenige ordenlicher weise nicht hoffen können/ die sich aller solcher pra-
ctiquen
entschlagen. Es ist aber bereits von einem christlichen kauffmann
dieses erfordert worden/ daß er nicht solle begehren reich zu werden/ sondern
allein seine nothdurfft zu erwerben. Da gedencke ein jeder/ wenn in der
handlung unchristliche leute durch ungerechtigkeit so viel gewinnen/ da sie
doch manchmal unfleißig gnug sind/ daß sie grossen reichthum zusammen
bringen/ und köstlich sich dabey halten/ ob es begreiflich seye/ daß ein ander/
der die sache auch recht verstehet/ und in dem beruff fleißig ist/ so dann sich ge-
wehnet hat/ nicht stattlich sich auffzuführen/ sondern sparsam haußzuhal-
ten/ mit seiner handlung nicht solte so viel erwerben/ als er zur nothdurfft ha-
ben muß/ so vielmehr/ da es ja nach diesem weniger als jenem an göttlichem
segen mangeln kan. Also sehe man die handels-leute an/ so von religion Meni-
sten oder auch Quacker sind/ bey dero handlung sich alles in zimlichem grad
findet/ was das Christenthum von einem gewissenhafften kauffmann erfor-
dert/ ob ihnen dasjenige/ daß sie sich der ungerechtigkeit in der handlung nicht
wollen nach anderer exempel theilhafftig machen/ hinderlich daran seye/ daß
sie nicht davon leben könten/ da gleichwol manchen unter ihnen ein grosser se-
gen zufleußt. Man bedencke auch/ ob nicht/ wo von einem handelsmann
allgemach bekant wird/ daß er gewissenhafft in allem verfahre/ daß er keine

waa-
J i i 2

ARTIC. IV. SECTIO XV.
es iſt ihm ſo wol/ als andern Chriſten geſagt/ 1. Tim. 6/ 8. wenn wir nah-
rung und kleider haben/ ſo laſſet uns begnuͤgen.
Daher wird er allezeit
diejenige billigkeit in acht nehmen/ daß er diejenige/ mit welchen er umzuge-
hen hat/ nicht uͤberſetze noch vervortheile 1. Theſſ. 4/ 6. hingegen allein mit
den ſeinigen nothduͤrfftig leben moͤge. Wirfft ihm denn GOtt durch ſonder-
bahres gluͤck mehreren ſegen zu/ wird er auch denſelben zu GOttes ehren
und wercken der liebe gern reichlicher anwenden/ um auch an guten wercken
reich zu werden. Wann alſo bey einem kauffmann dieſe beyde ſtuͤcke die furcht
GOttes und verleugnung der liebe des reichthums/ ſich finden/ ſo wird ihm
ſeine handlung nicht zur ſuͤnde werden. Und gilt nicht ſagen/ auff dieſe wei-
ſe koͤnte kein kauffmann fortkommen/ noch ſein ſtuͤck brodt haben: dann ich
wolte das gegentheil nicht allein mit exempeln ſolcher handels-leute erwei-
ſen koͤnnen/ die ſich darneben ihr Chriſtenthum zu anderer gutem exempel ha-
ben laſſen angelegen ſeyn/ ſondern ich traue es alſo zu zeigen/ daß niemand
widerſprechen koͤnne. Die meiſte ſuͤnden der handels-leute beſtehen wohl in
ungerechtigkeit/ falſchheit/ uͤberſetzung des preiſes und unrechten vortheilen/
da ich nun nicht leugne/ wer ſich dero befleiſſet/ wo ers heimlich thut/ da mans
nicht gewahr wird/ und da andere an ihn gebunden ſind/ kan wol (es ſeye denn
daß Gottes fluch auch da entgegen ſtehet) zu ſo groſſen mitteln baͤlder kom̃en/
als diejenige ordenlicher weiſe nicht hoffen koͤnnen/ die ſich aller ſolcher pra-
ctiquen
entſchlagen. Es iſt aber bereits von einem chriſtlichen kauffmann
dieſes erfordert worden/ daß er nicht ſolle begehren reich zu werden/ ſondern
allein ſeine nothdurfft zu erwerben. Da gedencke ein jeder/ wenn in der
handlung unchriſtliche leute durch ungerechtigkeit ſo viel gewinnen/ da ſie
doch manchmal unfleißig gnug ſind/ daß ſie groſſen reichthum zuſammen
bringen/ und koͤſtlich ſich dabey halten/ ob es begreiflich ſeye/ daß ein ander/
der die ſache auch recht verſtehet/ und in dem beruff fleißig iſt/ ſo dann ſich ge-
wehnet hat/ nicht ſtattlich ſich auffzufuͤhren/ ſondern ſparſam haußzuhal-
ten/ mit ſeiner handlung nicht ſolte ſo viel erwerben/ als er zur nothdurfft ha-
ben muß/ ſo vielmehr/ da es ja nach dieſem weniger als jenem an goͤttlichem
ſegen mangeln kan. Alſo ſehe man die handels-leute an/ ſo von religion Meni-
ſten oder auch Quacker ſind/ bey dero handlung ſich alles in zimlichem grad
findet/ was das Chriſtenthum von einem gewiſſenhafften kauffmann erfor-
dert/ ob ihnen dasjenige/ daß ſie ſich der ungerechtigkeit in der handlung nicht
wollen nach anderer exempel theilhafftig machen/ hinderlich daran ſeye/ daß
ſie nicht davon leben koͤnten/ da gleichwol manchen unter ihnen ein groſſer ſe-
gen zufleußt. Man bedencke auch/ ob nicht/ wo von einem handelsmann
allgemach bekant wird/ daß er gewiſſenhafft in allem verfahre/ daß er keine

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J i i 2
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[435/0443] ARTIC. IV. SECTIO XV. es iſt ihm ſo wol/ als andern Chriſten geſagt/ 1. Tim. 6/ 8. wenn wir nah- rung und kleider haben/ ſo laſſet uns begnuͤgen. Daher wird er allezeit diejenige billigkeit in acht nehmen/ daß er diejenige/ mit welchen er umzuge- hen hat/ nicht uͤberſetze noch vervortheile 1. Theſſ. 4/ 6. hingegen allein mit den ſeinigen nothduͤrfftig leben moͤge. Wirfft ihm denn GOtt durch ſonder- bahres gluͤck mehreren ſegen zu/ wird er auch denſelben zu GOttes ehren und wercken der liebe gern reichlicher anwenden/ um auch an guten wercken reich zu werden. Wann alſo bey einem kauffmann dieſe beyde ſtuͤcke die furcht GOttes und verleugnung der liebe des reichthums/ ſich finden/ ſo wird ihm ſeine handlung nicht zur ſuͤnde werden. Und gilt nicht ſagen/ auff dieſe wei- ſe koͤnte kein kauffmann fortkommen/ noch ſein ſtuͤck brodt haben: dann ich wolte das gegentheil nicht allein mit exempeln ſolcher handels-leute erwei- ſen koͤnnen/ die ſich darneben ihr Chriſtenthum zu anderer gutem exempel ha- ben laſſen angelegen ſeyn/ ſondern ich traue es alſo zu zeigen/ daß niemand widerſprechen koͤnne. Die meiſte ſuͤnden der handels-leute beſtehen wohl in ungerechtigkeit/ falſchheit/ uͤberſetzung des preiſes und unrechten vortheilen/ da ich nun nicht leugne/ wer ſich dero befleiſſet/ wo ers heimlich thut/ da mans nicht gewahr wird/ und da andere an ihn gebunden ſind/ kan wol (es ſeye denn daß Gottes fluch auch da entgegen ſtehet) zu ſo groſſen mitteln baͤlder kom̃en/ als diejenige ordenlicher weiſe nicht hoffen koͤnnen/ die ſich aller ſolcher pra- ctiquen entſchlagen. Es iſt aber bereits von einem chriſtlichen kauffmann dieſes erfordert worden/ daß er nicht ſolle begehren reich zu werden/ ſondern allein ſeine nothdurfft zu erwerben. Da gedencke ein jeder/ wenn in der handlung unchriſtliche leute durch ungerechtigkeit ſo viel gewinnen/ da ſie doch manchmal unfleißig gnug ſind/ daß ſie groſſen reichthum zuſammen bringen/ und koͤſtlich ſich dabey halten/ ob es begreiflich ſeye/ daß ein ander/ der die ſache auch recht verſtehet/ und in dem beruff fleißig iſt/ ſo dann ſich ge- wehnet hat/ nicht ſtattlich ſich auffzufuͤhren/ ſondern ſparſam haußzuhal- ten/ mit ſeiner handlung nicht ſolte ſo viel erwerben/ als er zur nothdurfft ha- ben muß/ ſo vielmehr/ da es ja nach dieſem weniger als jenem an goͤttlichem ſegen mangeln kan. Alſo ſehe man die handels-leute an/ ſo von religion Meni- ſten oder auch Quacker ſind/ bey dero handlung ſich alles in zimlichem grad findet/ was das Chriſtenthum von einem gewiſſenhafften kauffmann erfor- dert/ ob ihnen dasjenige/ daß ſie ſich der ungerechtigkeit in der handlung nicht wollen nach anderer exempel theilhafftig machen/ hinderlich daran ſeye/ daß ſie nicht davon leben koͤnten/ da gleichwol manchen unter ihnen ein groſſer ſe- gen zufleußt. Man bedencke auch/ ob nicht/ wo von einem handelsmann allgemach bekant wird/ daß er gewiſſenhafft in allem verfahre/ daß er keine waa- J i i 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/443>, abgerufen am 25.11.2024.