Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. IV. SECTIO II.
S. D. Dannh. das wort auch gebraucht: Der insgesamt die sache sehr gründ-
lich ausführet/ Colleg. Decalog. Disp. 6. §. 4. p. 438. seq. daß mich lieber auf
ihn beziehen/ als selbs mit mehrerem davon handlen will.

Die dritte Frage.

QB dann ein Christ bey solcher unsimulirten prüffung des glau-
bens schuldig seye/ da es ihm in beruffung zum predig-amt zuge-
muthet wird/ mehr zu unternehmen/ als sein vermögen/ und die von
GOtt verliehene gaben (so von langen jahren genugsam
exploriret)
sich erstrecken: ja ob derselbige nicht vielmehr bey nicht erfolgetem un-
möglichen
succeß zur verzweifflung an GOttes güte und allmacht/
ja zu allem andern darauf erfolgten unrath/ und boßhafftiger zunö-
thigung der welt ursach gibet/ der aller
demonstration ungeachtet/
um fleischlicher absicht willen die sache dannoch in solche wege richtet/
daß es einem göttlichen und ordenlichen beruff ähnlich sehen muß.

Wozu dann heutiges tages man desto leichter kommen kan/ weilen unter den
gelehrten vom göttlichen beruff der Prediger/ wie von dem verlohrnen
Urim und Thummim des priesterlichen amts-schüldleins/ nach eines jeden
fühlen ehe zweiffelhafft disputiret/ von etlichen aber interna vocatio nicht
einmal berühret wird/ der praxeos jetzo nicht zu gedencken. Der gemeine
mann aber/ so nur auffs eusserliche des beruffs gaffet/ schleust flugs/ das müsse
gewiß was göttliches seyn/ wann einer um einen dienst/ dem gemeinen brauch
nach/ nicht lauffet/ kauffet/ freyet/ sondern fast genöthiget wird/ weiß aber
nicht alle mal warum?

Antwort.

ES werden wiederum in dieser frage unterschiedliche stücke zusammen ge-
zogen/ die aber füglicher in sonderbare fragen abzutheilen. Deren die 1.
seye. Ob ein Christ/ so nach angestellter prüffung seines vermögens
in beruffs-sachen sein unvermöglichkeit findet/ nichts desto weniger
gehalten wäre/ solchen beruff anzunehmen?
Hiebey achte ich. 1. Daß
die prüffung erstlich recht anzustellen seye/ daß man versichert seye/ sich nicht
eben selbsten zu betriegen. Wie dann gleichwie durch vermessenheit/ da man
seinen kräfften ein mehreres trauet/ leicht kan sünde begangen werden/ also ist
eben so wol müglich/ daß durch zagheit und forchtsamkeit/ dazu einige tempe-
ramenta
mehr geneigt seynd/ gesündiget und göttlichem rath widerstrebet
werde. 2. Damit nun solche prüffung recht angestellet werde/ gehöret nicht
nur dazu ein eiffriges gebet zu GOTT/ der uns seinen willen zu erkennen ge-
ben wolle/ sondern auch eine solche untersuchung unserer kräfften/ da wir im-

mer
D d d 3

ARTIC. IV. SECTIO II.
S. D. Dannh. das wort auch gebraucht: Der insgeſamt die ſache ſehr gruͤnd-
lich ausfuͤhret/ Colleg. Decalog. Diſp. 6. §. 4. p. 438. ſeq. daß mich lieber auf
ihn beziehen/ als ſelbs mit mehrerem davon handlen will.

Die dritte Frage.

QB dann ein Chriſt bey ſolcher unſimulirten pruͤffung des glau-
bens ſchuldig ſeye/ da es ihm in beruffung zum predig-amt zuge-
muthet wird/ mehr zu unternehmen/ als ſein vermoͤgen/ und die von
GOtt verliehene gaben (ſo von langen jahren genugſam
exploriret)
ſich erſtrecken: ja ob derſelbige nicht vielmehr bey nicht erfolgetem un-
moͤglichen
ſucceß zur verzweifflung an GOttes guͤte und allmacht/
ja zu allem andern darauf erfolgten unrath/ und boßhafftiger zunoͤ-
thigung der welt urſach gibet/ der aller
demonſtration ungeachtet/
um fleiſchlicher abſicht willen die ſache dannoch in ſolche wege richtet/
daß es einem goͤttlichen und ordenlichen beruff aͤhnlich ſehen muß.

Wozu dann heutiges tages man deſto leichter kommen kan/ weilen unter den
gelehrten vom goͤttlichen beruff der Prediger/ wie von dem verlohrnen
Urim und Thummim des prieſterlichen amts-ſchuͤldleins/ nach eines jeden
fuͤhlen ehe zweiffelhafft diſputiret/ von etlichen aber interna vocatio nicht
einmal beruͤhret wird/ der praxeos jetzo nicht zu gedencken. Der gemeine
mann aber/ ſo nur auffs euſſerliche des beruffs gaffet/ ſchleuſt flugs/ das muͤſſe
gewiß was goͤttliches ſeyn/ wann einer um einen dienſt/ dem gemeinen brauch
nach/ nicht lauffet/ kauffet/ freyet/ ſondern faſt genoͤthiget wird/ weiß aber
nicht alle mal warum?

Antwort.

ES werden wiederum in dieſer frage unterſchiedliche ſtuͤcke zuſammen ge-
zogen/ die aber fuͤglicher in ſonderbare fragen abzutheilen. Deren die 1.
ſeye. Ob ein Chriſt/ ſo nach angeſtellter pruͤffung ſeines vermoͤgens
in beruffs-ſachen ſein unvermoͤglichkeit findet/ nichts deſto weniger
gehalten waͤre/ ſolchen beruff anzunehmen?
Hiebey achte ich. 1. Daß
die pruͤffung erſtlich recht anzuſtellen ſeye/ daß man verſichert ſeye/ ſich nicht
eben ſelbſten zu betriegen. Wie dann gleichwie durch vermeſſenheit/ da man
ſeinen kraͤfften ein mehreres trauet/ leicht kan ſuͤnde begangen werden/ alſo iſt
eben ſo wol muͤglich/ daß durch zagheit und forchtſamkeit/ dazu einige tempe-
ramenta
mehr geneigt ſeynd/ geſuͤndiget und goͤttlichem rath widerſtrebet
werde. 2. Damit nun ſolche pruͤffung recht angeſtellet werde/ gehoͤret nicht
nur dazu ein eiffriges gebet zu GOTT/ der uns ſeinen willen zu erkennen ge-
ben wolle/ ſondern auch eine ſolche unterſuchung unſerer kraͤfften/ da wir im-

mer
D d d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0405" n="397"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. IV. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> II.</hi></hi></fw><lb/>
S. <hi rendition="#aq">D.</hi> Dannh. das wort auch gebraucht: Der insge&#x017F;amt die &#x017F;ache &#x017F;ehr gru&#x0364;nd-<lb/>
lich ausfu&#x0364;hret/ <hi rendition="#aq">Colleg. Decalog. Di&#x017F;p. 6. §. 4. p. 438. &#x017F;eq.</hi> daß mich lieber auf<lb/>
ihn beziehen/ als &#x017F;elbs mit mehrerem davon handlen will.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die dritte Frage.</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">Q</hi><hi rendition="#fr">B dann ein Chri&#x017F;t bey &#x017F;olcher un</hi><hi rendition="#aq">&#x017F;imuli</hi><hi rendition="#fr">rten pru&#x0364;ffung des glau-<lb/>
bens &#x017F;chuldig &#x017F;eye/ da es ihm in beruffung zum predig-amt zuge-<lb/>
muthet wird/ mehr zu unternehmen/ als &#x017F;ein vermo&#x0364;gen/ und die von<lb/>
GOtt verliehene gaben (&#x017F;o von langen jahren genug&#x017F;am</hi><hi rendition="#aq">explori</hi><hi rendition="#fr">ret)<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;trecken: ja ob der&#x017F;elbige nicht vielmehr bey nicht erfolgetem un-<lb/>
mo&#x0364;glichen</hi><hi rendition="#aq">&#x017F;ucceß</hi><hi rendition="#fr">zur verzweifflung an GOttes gu&#x0364;te und allmacht/<lb/>
ja zu allem andern darauf erfolgten unrath/ und boßhafftiger zuno&#x0364;-<lb/>
thigung der welt ur&#x017F;ach gibet/ der aller</hi><hi rendition="#aq">demon&#x017F;tration</hi><hi rendition="#fr">ungeachtet/<lb/>
um flei&#x017F;chlicher ab&#x017F;icht willen die &#x017F;ache dannoch in &#x017F;olche wege richtet/<lb/>
daß es einem go&#x0364;ttlichen und ordenlichen beruff a&#x0364;hnlich &#x017F;ehen muß.</hi><lb/>
Wozu dann heutiges tages man de&#x017F;to leichter kommen kan/ weilen unter den<lb/>
gelehrten vom go&#x0364;ttlichen beruff der Prediger/ wie von dem verlohrnen<lb/><hi rendition="#aq">Urim</hi> und <hi rendition="#aq">Thummim</hi> des prie&#x017F;terlichen amts-&#x017F;chu&#x0364;ldleins/ nach eines jeden<lb/>
fu&#x0364;hlen ehe zweiffelhafft <hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>ret/ von etlichen aber <hi rendition="#aq">interna vocatio</hi> nicht<lb/>
einmal beru&#x0364;hret wird/ der <hi rendition="#aq">praxeos</hi> jetzo nicht zu gedencken. Der gemeine<lb/>
mann aber/ &#x017F;o nur auffs eu&#x017F;&#x017F;erliche des beruffs gaffet/ &#x017F;chleu&#x017F;t flugs/ das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gewiß was go&#x0364;ttliches &#x017F;eyn/ wann einer um einen dien&#x017F;t/ dem gemeinen brauch<lb/>
nach/ nicht lauffet/ kauffet/ freyet/ &#x017F;ondern fa&#x017F;t geno&#x0364;thiget wird/ weiß aber<lb/>
nicht alle mal warum?</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Antwort.</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>S werden wiederum in die&#x017F;er frage unter&#x017F;chiedliche &#x017F;tu&#x0364;cke zu&#x017F;ammen ge-<lb/>
zogen/ die aber fu&#x0364;glicher in &#x017F;onderbare fragen abzutheilen. Deren die 1.<lb/>
&#x017F;eye. <hi rendition="#fr">Ob ein Chri&#x017F;t/ &#x017F;o nach ange&#x017F;tellter pru&#x0364;ffung &#x017F;eines vermo&#x0364;gens<lb/>
in beruffs-&#x017F;achen &#x017F;ein unvermo&#x0364;glichkeit findet/ nichts de&#x017F;to weniger<lb/>
gehalten wa&#x0364;re/ &#x017F;olchen beruff anzunehmen?</hi> Hiebey achte ich. 1. Daß<lb/>
die pru&#x0364;ffung er&#x017F;tlich recht anzu&#x017F;tellen &#x017F;eye/ daß man ver&#x017F;ichert &#x017F;eye/ &#x017F;ich nicht<lb/>
eben &#x017F;elb&#x017F;ten zu betriegen. Wie dann gleichwie durch verme&#x017F;&#x017F;enheit/ da man<lb/>
&#x017F;einen kra&#x0364;fften ein mehreres trauet/ leicht kan &#x017F;u&#x0364;nde begangen werden/ al&#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
eben &#x017F;o wol mu&#x0364;glich/ daß durch zagheit und forcht&#x017F;amkeit/ dazu einige <hi rendition="#aq">tempe-<lb/>
ramenta</hi> mehr geneigt &#x017F;eynd/ ge&#x017F;u&#x0364;ndiget und go&#x0364;ttlichem rath wider&#x017F;trebet<lb/>
werde. 2. Damit nun &#x017F;olche pru&#x0364;ffung recht ange&#x017F;tellet werde/ geho&#x0364;ret nicht<lb/>
nur dazu ein eiffriges gebet zu GOTT/ der uns &#x017F;einen willen zu erkennen ge-<lb/>
ben wolle/ &#x017F;ondern auch eine &#x017F;olche unter&#x017F;uchung un&#x017F;erer kra&#x0364;fften/ da wir im-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mer</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0405] ARTIC. IV. SECTIO II. S. D. Dannh. das wort auch gebraucht: Der insgeſamt die ſache ſehr gruͤnd- lich ausfuͤhret/ Colleg. Decalog. Diſp. 6. §. 4. p. 438. ſeq. daß mich lieber auf ihn beziehen/ als ſelbs mit mehrerem davon handlen will. Die dritte Frage. QB dann ein Chriſt bey ſolcher unſimulirten pruͤffung des glau- bens ſchuldig ſeye/ da es ihm in beruffung zum predig-amt zuge- muthet wird/ mehr zu unternehmen/ als ſein vermoͤgen/ und die von GOtt verliehene gaben (ſo von langen jahren genugſam exploriret) ſich erſtrecken: ja ob derſelbige nicht vielmehr bey nicht erfolgetem un- moͤglichen ſucceß zur verzweifflung an GOttes guͤte und allmacht/ ja zu allem andern darauf erfolgten unrath/ und boßhafftiger zunoͤ- thigung der welt urſach gibet/ der aller demonſtration ungeachtet/ um fleiſchlicher abſicht willen die ſache dannoch in ſolche wege richtet/ daß es einem goͤttlichen und ordenlichen beruff aͤhnlich ſehen muß. Wozu dann heutiges tages man deſto leichter kommen kan/ weilen unter den gelehrten vom goͤttlichen beruff der Prediger/ wie von dem verlohrnen Urim und Thummim des prieſterlichen amts-ſchuͤldleins/ nach eines jeden fuͤhlen ehe zweiffelhafft diſputiret/ von etlichen aber interna vocatio nicht einmal beruͤhret wird/ der praxeos jetzo nicht zu gedencken. Der gemeine mann aber/ ſo nur auffs euſſerliche des beruffs gaffet/ ſchleuſt flugs/ das muͤſſe gewiß was goͤttliches ſeyn/ wann einer um einen dienſt/ dem gemeinen brauch nach/ nicht lauffet/ kauffet/ freyet/ ſondern faſt genoͤthiget wird/ weiß aber nicht alle mal warum? Antwort. ES werden wiederum in dieſer frage unterſchiedliche ſtuͤcke zuſammen ge- zogen/ die aber fuͤglicher in ſonderbare fragen abzutheilen. Deren die 1. ſeye. Ob ein Chriſt/ ſo nach angeſtellter pruͤffung ſeines vermoͤgens in beruffs-ſachen ſein unvermoͤglichkeit findet/ nichts deſto weniger gehalten waͤre/ ſolchen beruff anzunehmen? Hiebey achte ich. 1. Daß die pruͤffung erſtlich recht anzuſtellen ſeye/ daß man verſichert ſeye/ ſich nicht eben ſelbſten zu betriegen. Wie dann gleichwie durch vermeſſenheit/ da man ſeinen kraͤfften ein mehreres trauet/ leicht kan ſuͤnde begangen werden/ alſo iſt eben ſo wol muͤglich/ daß durch zagheit und forchtſamkeit/ dazu einige tempe- ramenta mehr geneigt ſeynd/ geſuͤndiget und goͤttlichem rath widerſtrebet werde. 2. Damit nun ſolche pruͤffung recht angeſtellet werde/ gehoͤret nicht nur dazu ein eiffriges gebet zu GOTT/ der uns ſeinen willen zu erkennen ge- ben wolle/ ſondern auch eine ſolche unterſuchung unſerer kraͤfften/ da wir im- mer D d d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/405
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/405>, abgerufen am 25.11.2024.