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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO XVI.
den Käyserlichen rechten aus vernünfftigen und billigen ursachen ernstlich
verboten/ auch solches Sempronio bekant gewesen ist/ daher ihn billich abhal-
ten sollen/ zu dergleichen pacto sich nicht disponiren zu lassen: so vielmehr
weil dergleichen obrigkeitliche gesetze in solcherley dingen/ welche unter der
weltlichen gewalt stehen/ und diese also dieselbe/ wie sie es zu dem gemeinen
besten am vorträglichsten erkennet/ zu ordnen von GOtt macht hat/ auch die
gewissen selbs verbinden/ daher es heisset Rom. 13. daß wir aus noth un-
terthan seyn sollen/ nicht nur um der straffe/ sondern auch um des ge-
wissens willen.
Wo also dergleichen gesetze wissentlich übertreten werden/
so wird damit auch das göttliche gebot/ so uns derselben gehorsam anbefieh-
let/ nicht weniger überschritten/ und daher sünde begangen.

Dem mag nun mit bestand nicht entgegen gehalten werden 1. daß es
nicht ein pactum de quota litis, sondern de quota certae ejus partis gewesen.
Denn auch dieses ist de quota litis, und gleich wie unter der ratione legis, al-
so auch unter derselben selbs mit begriffen/ folglich verboten. 2. Daß der
andere theil solches nicht nur anerboten/ sondern Sempronium so viel als da-
zu genöthiget habe/ da derselbe sonsten lieber ein ander Salarium determinirt
zu werden verlangt hätte/ zu dem/ daß Lucius auch ihm selber damit besser
prospiciret/ und seines vortheils wegen auff solches pactum gedrungen/ da-
hero davon nichts wieder fordern könne. Dann (1. dergleichen pacta unter
privatis gelten nicht/ da lex publica dieselbe austrücklich verbeut/ sondern
dieses hat den privatis aus ansehung des Boni publici diese macht benommen/
daß ob wol sonsten einer mit dem seinigen nach belieben umzugehen macht
hat/ ihm in diesem fall die hände gebunden sind: wohin die gantze krafft des
gesetzes gehet/ hingegen keiner dasselbe auffheben oder begeben kan: dann ih-
rer zwey möchten sich wol etwas begeben/ das sonsten lege publica verordnet
wäre/ wo dasselbe das commodum privatorum selbs angienge/ da jeder theil
auff das commodum renunciiren mag/ so er sonsten davon zu erwarten ge-
habt hätte/ aber wo lex publica zum grund das allgemeine interesse der rei-
publicae
hat/ kan niemand sich dessen verbindlichkeit entziehen. (2. Sem-
pronius
hätte vielmehr auff seiner ersten verweigerung beharren/ und Luci-
um
zu einer andern Satisfaction disponiren/ als wider die gesetze zu einem
solchen pacto sich endlich verstehen sollen. (3. Ob wol wenn das pactum
wäre exequirt worden/ Lucius nichts wieder zu fordern macht gehabt ha-
ben möchte/ als der sich selbs dazu verstanden/ und Sempronium dazu ver-
mocht hat/ so bleibet dennoch das unrecht/ da an dem publico gesündiget
worden/ und hätte derselbe Satisfaction zu suchen gehabt. Ferner mag auch
nicht 3. die sache damit entschuldiget werden 1. weil die ratio legis est, ne oc-

casio
A a a

ARTIC. III. SECTIO XVI.
den Kaͤyſerlichen rechten aus vernuͤnfftigen und billigen urſachen ernſtlich
verboten/ auch ſolches Sempronio bekant geweſen iſt/ daher ihn billich abhal-
ten ſollen/ zu dergleichen pacto ſich nicht diſponiren zu laſſen: ſo vielmehr
weil dergleichen obrigkeitliche geſetze in ſolcherley dingen/ welche unter der
weltlichen gewalt ſtehen/ und dieſe alſo dieſelbe/ wie ſie es zu dem gemeinen
beſten am vortraͤglichſten erkennet/ zu ordnen von GOtt macht hat/ auch die
gewiſſen ſelbs verbinden/ daher es heiſſet Rom. 13. daß wir aus noth un-
terthan ſeyn ſollen/ nicht nur um der ſtraffe/ ſondern auch um des ge-
wiſſens willen.
Wo alſo dergleichen geſetze wiſſentlich uͤbertreten werden/
ſo wird damit auch das goͤttliche gebot/ ſo uns derſelben gehorſam anbefieh-
let/ nicht weniger uͤberſchritten/ und daher ſuͤnde begangen.

Dem mag nun mit beſtand nicht entgegen gehalten werden 1. daß es
nicht ein pactum de quota litis, ſondern de quota certæ ejus partis geweſen.
Denn auch dieſes iſt de quota litis, und gleich wie unter der ratione legis, al-
ſo auch unter derſelben ſelbs mit begriffen/ folglich verboten. 2. Daß der
andere theil ſolches nicht nur anerboten/ ſondern Sempronium ſo viel als da-
zu genoͤthiget habe/ da derſelbe ſonſten lieber ein ander Salarium determinirt
zu werden verlangt haͤtte/ zu dem/ daß Lucius auch ihm ſelber damit beſſer
proſpiciret/ und ſeines vortheils wegen auff ſolches pactum gedrungen/ da-
hero davon nichts wieder fordern koͤnne. Dann (1. dergleichen pacta unter
privatis gelten nicht/ da lex publica dieſelbe austruͤcklich verbeut/ ſondern
dieſes hat den privatis aus anſehung des Boni publici dieſe macht benommẽ/
daß ob wol ſonſten einer mit dem ſeinigen nach belieben umzugehen macht
hat/ ihm in dieſem fall die haͤnde gebunden ſind: wohin die gantze krafft des
geſetzes gehet/ hingegen keiner daſſelbe auffheben oder begeben kan: dann ih-
rer zwey moͤchten ſich wol etwas begeben/ das ſonſten lege publica verordnet
waͤre/ wo daſſelbe das commodum privatorum ſelbs angienge/ da jeder theil
auff das commodum renunciiren mag/ ſo er ſonſten davon zu erwarten ge-
habt haͤtte/ aber wo lex publica zum grund das allgemeine intereſſe der rei-
publicæ
hat/ kan niemand ſich deſſen verbindlichkeit entziehen. (2. Sem-
pronius
haͤtte vielmehr auff ſeiner erſten verweigerung beharren/ und Luci-
um
zu einer andern Satisfaction diſponiren/ als wider die geſetze zu einem
ſolchen pacto ſich endlich verſtehen ſollen. (3. Ob wol wenn das pactum
waͤre exequirt worden/ Lucius nichts wieder zu fordern macht gehabt ha-
ben moͤchte/ als der ſich ſelbs dazu verſtanden/ und Sempronium dazu ver-
mocht hat/ ſo bleibet dennoch das unrecht/ da an dem publico geſuͤndiget
worden/ und haͤtte derſelbe Satisfaction zu ſuchen gehabt. Ferner mag auch
nicht 3. die ſache damit entſchuldiget werden 1. weil die ratio legis eſt, ne oc-

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[369/0377] ARTIC. III. SECTIO XVI. den Kaͤyſerlichen rechten aus vernuͤnfftigen und billigen urſachen ernſtlich verboten/ auch ſolches Sempronio bekant geweſen iſt/ daher ihn billich abhal- ten ſollen/ zu dergleichen pacto ſich nicht diſponiren zu laſſen: ſo vielmehr weil dergleichen obrigkeitliche geſetze in ſolcherley dingen/ welche unter der weltlichen gewalt ſtehen/ und dieſe alſo dieſelbe/ wie ſie es zu dem gemeinen beſten am vortraͤglichſten erkennet/ zu ordnen von GOtt macht hat/ auch die gewiſſen ſelbs verbinden/ daher es heiſſet Rom. 13. daß wir aus noth un- terthan ſeyn ſollen/ nicht nur um der ſtraffe/ ſondern auch um des ge- wiſſens willen. Wo alſo dergleichen geſetze wiſſentlich uͤbertreten werden/ ſo wird damit auch das goͤttliche gebot/ ſo uns derſelben gehorſam anbefieh- let/ nicht weniger uͤberſchritten/ und daher ſuͤnde begangen. Dem mag nun mit beſtand nicht entgegen gehalten werden 1. daß es nicht ein pactum de quota litis, ſondern de quota certæ ejus partis geweſen. Denn auch dieſes iſt de quota litis, und gleich wie unter der ratione legis, al- ſo auch unter derſelben ſelbs mit begriffen/ folglich verboten. 2. Daß der andere theil ſolches nicht nur anerboten/ ſondern Sempronium ſo viel als da- zu genoͤthiget habe/ da derſelbe ſonſten lieber ein ander Salarium determinirt zu werden verlangt haͤtte/ zu dem/ daß Lucius auch ihm ſelber damit beſſer proſpiciret/ und ſeines vortheils wegen auff ſolches pactum gedrungen/ da- hero davon nichts wieder fordern koͤnne. Dann (1. dergleichen pacta unter privatis gelten nicht/ da lex publica dieſelbe austruͤcklich verbeut/ ſondern dieſes hat den privatis aus anſehung des Boni publici dieſe macht benommẽ/ daß ob wol ſonſten einer mit dem ſeinigen nach belieben umzugehen macht hat/ ihm in dieſem fall die haͤnde gebunden ſind: wohin die gantze krafft des geſetzes gehet/ hingegen keiner daſſelbe auffheben oder begeben kan: dann ih- rer zwey moͤchten ſich wol etwas begeben/ das ſonſten lege publica verordnet waͤre/ wo daſſelbe das commodum privatorum ſelbs angienge/ da jeder theil auff das commodum renunciiren mag/ ſo er ſonſten davon zu erwarten ge- habt haͤtte/ aber wo lex publica zum grund das allgemeine intereſſe der rei- publicæ hat/ kan niemand ſich deſſen verbindlichkeit entziehen. (2. Sem- pronius haͤtte vielmehr auff ſeiner erſten verweigerung beharren/ und Luci- um zu einer andern Satisfaction diſponiren/ als wider die geſetze zu einem ſolchen pacto ſich endlich verſtehen ſollen. (3. Ob wol wenn das pactum waͤre exequirt worden/ Lucius nichts wieder zu fordern macht gehabt ha- ben moͤchte/ als der ſich ſelbs dazu verſtanden/ und Sempronium dazu ver- mocht hat/ ſo bleibet dennoch das unrecht/ da an dem publico geſuͤndiget worden/ und haͤtte derſelbe Satisfaction zu ſuchen gehabt. Ferner mag auch nicht 3. die ſache damit entſchuldiget werden 1. weil die ratio legis eſt, ne oc- caſio A a a

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/377>, abgerufen am 22.11.2024.