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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
dern Spectaculo andern darstelle/ doch immer noch unter andern ihres glei-
chen/ als viel geschehen kan/ bleibe/ sonderlich aller nebens-zierathen/ die am
wenigsten nöthig/ sich enthaltend/ nachdem man mit beybehaltung desjeni-
gen/ was das vornehmste in der art der tracht ist/ gezeiget/ daß man sich nicht
in allem absondere/ und mit gewalt anderer zungen gegen sich reitzen wolle.
Es gehöret ferner dazu/ daß eine solche person gern bey gelegenheit klage über
die dienstbarkeit/ darinn die verderbnüß der zeiten uns gesetzt habe/ und auf
solche art/ daß man sehen könne/ wie es ein ernst seye/ bezeuge/ wie gern man/
wo es blosser dings bey uns stünde/ und man anderer schwachheit zu schohnen
nicht aus liebe der allgemeinen art und gewohnheit sich accommodiren mü-
ste/ sehr vieles noch von überflüßiger tracht ablegen wolte/ daher gern abbre-
che so viel man könne: Auf daß also andere welt-hertzen sich an ihrem exempel
nicht ärgern/ und sie bey etwas gleicher tracht auch gleiches sinnes achten/ da-
her dadurch in ihrer hoffart gestärcket/ so dann auch gottselige von dem wie sie
gesinnet seyen versichert/ und nicht auf der andern seite üblen verdacht auf
sie zu schöpffen veranlasset werden. Solte es auch seyn/ daß eine solche per-
son hoffen möchte/ daß durch ihr und anderer/ die sie dazu bewegte/ exempel zu
ablegung einiges überflusses etwas gutes oder doch guter anfang gemacht
werden könne/ wäre sie auch zu solchem vor sich verbunden/ und folget gewiß/
wo sie selbs an nichts dergleichen lust/ sondern vielmehr mißfallen hat/ daß
man sich jeglicher gelegenheit freuen wird/ auffs wenigste etwas seiner last
abzulegen. Also auch gehöret dahin/ wo dasjenige/ was die art eines prachts
hat/ wie insgemein geschihet/ in den kleidern bestehet/ die man ausser hause/
oder auch nur bey gewissen gelegenheiten träget/ daß man weder diese letztere
sonderlich suche/ vielmehr zeige sie deswegen eher zu meiden/ noch auch insge-
samt gern ohne noth solcher ursach halben ausgehe/ in dem hause aber/ wo
man mehr sein eigen und weniger anderer gleichstellung unterworffen ist/ so
viel schlechter sich auffführe als andere; zum zeugnüß was man auch in ande-
rem bey völliger freyheit am liebsten thäte. Jn summa/ es muß in allem ge-
suchet werden/ daß jederman sehe/ was man über dasjenige trägt/ was die
blosse nothdurfft ist/ werde getragen bloß anderer schwachheit zu schohnen/
damit man andern nicht ursach gebe/ sich mit ungleichem urtheil und nachre-
den zu versündigen. Dann gleichwie wir zwahr um übeln nachredens wil-
len dasjenige nicht unterlassen sollen/ was schlechterdings GOTT erfordert/
noch auch dasjenige thun dörffen/ was austrücklich sünde und von GOTT
verboten ist/ so sind wir doch schuldig/ in denjenigen dingen/ die allein aus ge-
wissen umständen und nach der bewandnüß des hertzens zur sünde werden
können/ sonsten aber an sich mittel-dinge sind/ worunter diese und jene art der
kleider gehöret/ uns also anzuschicken/ daß wir andern uns nicht zum anstoß

setzen/

Das dritte Capitel.
dern Spectaculo andern darſtelle/ doch immer noch unter andern ihres glei-
chen/ als viel geſchehen kan/ bleibe/ ſonderlich aller nebens-zierathen/ die am
wenigſten noͤthig/ ſich enthaltend/ nachdem man mit beybehaltung desjeni-
gen/ was das vornehmſte in der art der tracht iſt/ gezeiget/ daß man ſich nicht
in allem abſondere/ und mit gewalt anderer zungen gegen ſich reitzen wolle.
Es gehoͤret ferner dazu/ daß eine ſolche perſon gern bey gelegenheit klage uͤber
die dienſtbarkeit/ darinn die verderbnuͤß der zeiten uns geſetzt habe/ und auf
ſolche art/ daß man ſehen koͤnne/ wie es ein ernſt ſeye/ bezeuge/ wie gern man/
wo es bloſſer dings bey uns ſtuͤnde/ und man anderer ſchwachheit zu ſchohnen
nicht aus liebe der allgemeinen art und gewohnheit ſich accommodiren muͤ-
ſte/ ſehr vieles noch von uͤberfluͤßiger tracht ablegen wolte/ daher gern abbre-
che ſo viel man koͤnne: Auf daß alſo andere welt-hertzen ſich an ihrem exempel
nicht aͤrgern/ und ſie bey etwas gleicher tracht auch gleiches ſinnes achten/ da-
her dadurch in ihrer hoffart geſtaͤrcket/ ſo dann auch gottſelige von dem wie ſie
geſinnet ſeyen verſichert/ und nicht auf der andern ſeite uͤblen verdacht auf
ſie zu ſchoͤpffen veranlaſſet werden. Solte es auch ſeyn/ daß eine ſolche per-
ſon hoffen moͤchte/ daß durch ihr und anderer/ die ſie dazu bewegte/ exempel zu
ablegung einiges uͤberfluſſes etwas gutes oder doch guter anfang gemacht
werden koͤnne/ waͤre ſie auch zu ſolchem vor ſich verbunden/ und folget gewiß/
wo ſie ſelbs an nichts dergleichen luſt/ ſondern vielmehr mißfallen hat/ daß
man ſich jeglicher gelegenheit freuen wird/ auffs wenigſte etwas ſeiner laſt
abzulegen. Alſo auch gehoͤret dahin/ wo dasjenige/ was die art eines prachts
hat/ wie insgemein geſchihet/ in den kleidern beſtehet/ die man auſſer hauſe/
oder auch nur bey gewiſſen gelegenheiten traͤget/ daß man weder dieſe letztere
ſonderlich ſuche/ vielmehr zeige ſie deswegen eher zu meiden/ noch auch insge-
ſamt gern ohne noth ſolcher urſach halben ausgehe/ in dem hauſe aber/ wo
man mehr ſein eigen und weniger anderer gleichſtellung unterworffen iſt/ ſo
viel ſchlechter ſich aufffuͤhre als andere; zum zeugnuͤß was man auch in ande-
rem bey voͤlliger freyheit am liebſten thaͤte. Jn ſumma/ es muß in allem ge-
ſuchet werden/ daß jederman ſehe/ was man uͤber dasjenige traͤgt/ was die
bloſſe nothdurfft iſt/ werde getragen bloß anderer ſchwachheit zu ſchohnen/
damit man andern nicht urſach gebe/ ſich mit ungleichem urtheil und nachre-
den zu verſuͤndigen. Dann gleichwie wir zwahr um uͤbeln nachredens wil-
len dasjenige nicht unterlaſſen ſollen/ was ſchlechterdings GOTT erfordert/
noch auch dasjenige thun doͤrffen/ was austruͤcklich ſuͤnde und von GOTT
verboten iſt/ ſo ſind wir doch ſchuldig/ in denjenigen dingen/ die allein aus ge-
wiſſen umſtaͤnden und nach der bewandnuͤß des hertzens zur ſuͤnde werden
koͤnnen/ ſonſten aber an ſich mittel-dinge ſind/ worunter dieſe und jene art der
kleider gehoͤret/ uns alſo anzuſchicken/ daß wir andern uns nicht zum anſtoß

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[358/0366] Das dritte Capitel. dern Spectaculo andern darſtelle/ doch immer noch unter andern ihres glei- chen/ als viel geſchehen kan/ bleibe/ ſonderlich aller nebens-zierathen/ die am wenigſten noͤthig/ ſich enthaltend/ nachdem man mit beybehaltung desjeni- gen/ was das vornehmſte in der art der tracht iſt/ gezeiget/ daß man ſich nicht in allem abſondere/ und mit gewalt anderer zungen gegen ſich reitzen wolle. Es gehoͤret ferner dazu/ daß eine ſolche perſon gern bey gelegenheit klage uͤber die dienſtbarkeit/ darinn die verderbnuͤß der zeiten uns geſetzt habe/ und auf ſolche art/ daß man ſehen koͤnne/ wie es ein ernſt ſeye/ bezeuge/ wie gern man/ wo es bloſſer dings bey uns ſtuͤnde/ und man anderer ſchwachheit zu ſchohnen nicht aus liebe der allgemeinen art und gewohnheit ſich accommodiren muͤ- ſte/ ſehr vieles noch von uͤberfluͤßiger tracht ablegen wolte/ daher gern abbre- che ſo viel man koͤnne: Auf daß alſo andere welt-hertzen ſich an ihrem exempel nicht aͤrgern/ und ſie bey etwas gleicher tracht auch gleiches ſinnes achten/ da- her dadurch in ihrer hoffart geſtaͤrcket/ ſo dann auch gottſelige von dem wie ſie geſinnet ſeyen verſichert/ und nicht auf der andern ſeite uͤblen verdacht auf ſie zu ſchoͤpffen veranlaſſet werden. Solte es auch ſeyn/ daß eine ſolche per- ſon hoffen moͤchte/ daß durch ihr und anderer/ die ſie dazu bewegte/ exempel zu ablegung einiges uͤberfluſſes etwas gutes oder doch guter anfang gemacht werden koͤnne/ waͤre ſie auch zu ſolchem vor ſich verbunden/ und folget gewiß/ wo ſie ſelbs an nichts dergleichen luſt/ ſondern vielmehr mißfallen hat/ daß man ſich jeglicher gelegenheit freuen wird/ auffs wenigſte etwas ſeiner laſt abzulegen. Alſo auch gehoͤret dahin/ wo dasjenige/ was die art eines prachts hat/ wie insgemein geſchihet/ in den kleidern beſtehet/ die man auſſer hauſe/ oder auch nur bey gewiſſen gelegenheiten traͤget/ daß man weder dieſe letztere ſonderlich ſuche/ vielmehr zeige ſie deswegen eher zu meiden/ noch auch insge- ſamt gern ohne noth ſolcher urſach halben ausgehe/ in dem hauſe aber/ wo man mehr ſein eigen und weniger anderer gleichſtellung unterworffen iſt/ ſo viel ſchlechter ſich aufffuͤhre als andere; zum zeugnuͤß was man auch in ande- rem bey voͤlliger freyheit am liebſten thaͤte. Jn ſumma/ es muß in allem ge- ſuchet werden/ daß jederman ſehe/ was man uͤber dasjenige traͤgt/ was die bloſſe nothdurfft iſt/ werde getragen bloß anderer ſchwachheit zu ſchohnen/ damit man andern nicht urſach gebe/ ſich mit ungleichem urtheil und nachre- den zu verſuͤndigen. Dann gleichwie wir zwahr um uͤbeln nachredens wil- len dasjenige nicht unterlaſſen ſollen/ was ſchlechterdings GOTT erfordert/ noch auch dasjenige thun doͤrffen/ was austruͤcklich ſuͤnde und von GOTT verboten iſt/ ſo ſind wir doch ſchuldig/ in denjenigen dingen/ die allein aus ge- wiſſen umſtaͤnden und nach der bewandnuͤß des hertzens zur ſuͤnde werden koͤnnen/ ſonſten aber an ſich mittel-dinge ſind/ worunter dieſe und jene art der kleider gehoͤret/ uns alſo anzuſchicken/ daß wir andern uns nicht zum anſtoß ſetzen/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/366>, abgerufen am 22.11.2024.