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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO XI.
gen/ oder weil er der handlung nicht kündig gnug ist/ mit den geschäfften nichts
zu thun hat/ sondern allein sein capital mit einschiesset/ indessen davon einen
theil des gewinns mit geneust. Nun aber/ was jenes erste/ nemlich das ver-
leihen der häuser/ güter und dergleichen anlangt/ ists allerdings einerley
contract/ wie mit den zinsen von geld/ ich gebe dem andern etwas des
meinigen zu geniessen/ und ohne fernere meine arbeit nehme ich von dem-
selben eine vergeltung davor/ oder einen theil seines genusses/ der-
gleichen geschihet bey der interesse von gelehntem geld nicht weniger.
Und also/ wo mir einer dieses zugestehet/ daß ich um mein geld ein hauß/ gar-
ten oder anderes kauffen/ es meinem nechsten um gewisse miethe verleihen/
und diese davon empfangen darff/ kan er mit wenigem schein mir absprechen/
daß ich von eben dem geld etwas empfangen dörffe/ darum jener dergleichen
zu seiner nutzung/ und mir das meinige davon zu reichen/ zu kauffen oder zu be-
stehen vermag. Jndem es in der that auf eines hinaus laufft. Jn dem an-
dern fall ist zwahr mehr unterscheid von dem unsrigen/ aber sie kommen doch
beyde in dem hauptwerck überein/ daß ich von meinem geld und dessen ge-
brauch ohne fernere arbeit genuß empfange. Da dann diese andere/ und der-
gleichen/ contracte/ dem Christenthum und der liebe nicht zu wider/ sondern
dem menschlichen leben dienlich und nöthig zu seyn/ erkannt werden/ so dörffen
wir nicht anders auch von den zinsen von gelehntem geld urtheilen. Man
möchte zwahr einen unterscheid in deme suchen/ daß andre dinge/ die ich auslei-
he/ als gärten/ äcker/ weinberg und dergleichen etwas tragen/ das geld aber an
sich selbs seye etwas unfruchtbares/ und trage nichts. Es ist aber ein viel-
mehr subtiler unterscheid/ als daß er zu der sache etwas thäte/ dann ob das
geld an sich nichts träget/ ist es doch ein mittel/ dardurch menschlicher fleiß et-
was erwerben kan: Man möchte sonst dergleichen auch von dem hause sagen/
so an sich nichts träget/ und doch vor dessen gebrauch billich etwas gegeben
wird. Mit mehrerem scheinmag/ sonderlich dem andern angeführten/ ent-
gegen gehalten werden/ daß/ indem da einer sein geld zur gemeinschafft in die
handlung gibet/ er damit auch in die gemeinschafft des verlusts eintrete/ und
also von dem gewinn hinwieder nicht unbillich participire/ da hingegen bey
geliehenem geld dessen gefahr aufdenjenigen ankommt/ der es abgeliehen hat.
Und ist nicht ohn/ daß diese anmerckung zur sache viel thut/ aber es ist auch
oben n. 4. gezeiget worden/ daß in solchem fall die zinse unrecht werden kön-
nen/ wo der schuldner ohn seine schuld in schaden gekommen ist/ und so vielwe-
niger etwas hat gewinnen können: Wie freylich die liebe die meisterin in al-
len dingen bleiben muß.

4. Diesem allem setze ich noch bey/ daß diese gantze materie/ so die dispo-
sition
über irrdische güter angehet/ in der Obrigkeit gewalt und regirung ge-

höret;
T t 3

ARTIC. III. SECTIO XI.
gen/ oder weil er der handlung nicht kuͤndig gnug iſt/ mit den geſchaͤfften nichts
zu thun hat/ ſondern allein ſein capital mit einſchieſſet/ indeſſen davon einen
theil des gewinns mit geneuſt. Nun aber/ was jenes erſte/ nemlich das ver-
leihen der haͤuſer/ guͤter und dergleichen anlangt/ iſts allerdings einerley
contract/ wie mit den zinſen von geld/ ich gebe dem andern etwas des
meinigen zu genieſſen/ und ohne fernere meine arbeit nehme ich von dem-
ſelben eine vergeltung davor/ oder einen theil ſeines genuſſes/ der-
gleichen geſchihet bey der intereſſe von gelehntem geld nicht weniger.
Und alſo/ wo mir einer dieſes zugeſtehet/ daß ich um mein geld ein hauß/ gar-
ten oder anderes kauffen/ es meinem nechſten um gewiſſe miethe verleihen/
und dieſe davon empfangen darff/ kan er mit wenigem ſchein mir abſprechen/
daß ich von eben dem geld etwas empfangen doͤrffe/ darum jener dergleichen
zu ſeiner nutzung/ und mir das meinige davon zu reichen/ zu kauffen oder zu be-
ſtehen vermag. Jndem es in der that auf eines hinaus laufft. Jn dem an-
dern fall iſt zwahr mehr unterſcheid von dem unſrigen/ aber ſie kommen doch
beyde in dem hauptwerck uͤberein/ daß ich von meinem geld und deſſen ge-
brauch ohne fernere arbeit genuß empfange. Da dann dieſe andere/ und der-
gleichen/ contracte/ dem Chriſtenthum und der liebe nicht zu wider/ ſondern
dem menſchlichen leben dienlich und noͤthig zu ſeyn/ erkannt werden/ ſo doͤrffen
wir nicht anders auch von den zinſen von gelehntem geld urtheilen. Man
moͤchte zwahr einen unterſcheid in deme ſuchen/ daß andre dinge/ die ich auslei-
he/ als gaͤrten/ aͤcker/ weinberg und dergleichen etwas tragen/ das geld aber an
ſich ſelbs ſeye etwas unfruchtbares/ und trage nichts. Es iſt aber ein viel-
mehr ſubtiler unterſcheid/ als daß er zu der ſache etwas thaͤte/ dann ob das
geld an ſich nichts traͤget/ iſt es doch ein mittel/ dardurch menſchlicher fleiß et-
was erwerben kan: Man moͤchte ſonſt dergleichen auch von dem hauſe ſagen/
ſo an ſich nichts traͤget/ und doch vor deſſen gebrauch billich etwas gegeben
wird. Mit mehrerem ſcheinmag/ ſonderlich dem andern angefuͤhrten/ ent-
gegen gehalten werden/ daß/ indem da einer ſein geld zur gemeinſchafft in die
handlung gibet/ er damit auch in die gemeinſchafft des verluſts eintrete/ und
alſo von dem gewinn hinwieder nicht unbillich participire/ da hingegen bey
geliehenem geld deſſen gefahr aufdenjenigen ankommt/ der es abgeliehen hat.
Und iſt nicht ohn/ daß dieſe anmerckung zur ſache viel thut/ aber es iſt auch
oben n. 4. gezeiget worden/ daß in ſolchem fall die zinſe unrecht werden koͤn-
nen/ wo der ſchuldner ohn ſeine ſchuld in ſchaden gekommen iſt/ und ſo vielwe-
niger etwas hat gewinnen koͤnnen: Wie freylich die liebe die meiſterin in al-
len dingen bleiben muß.

4. Dieſem allem ſetze ich noch bey/ daß dieſe gantze materie/ ſo die diſpo-
ſition
uͤber irrdiſche guͤter angehet/ in der Obrigkeit gewalt und regirung ge-

hoͤret;
T t 3
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[333/0341] ARTIC. III. SECTIO XI. gen/ oder weil er der handlung nicht kuͤndig gnug iſt/ mit den geſchaͤfften nichts zu thun hat/ ſondern allein ſein capital mit einſchieſſet/ indeſſen davon einen theil des gewinns mit geneuſt. Nun aber/ was jenes erſte/ nemlich das ver- leihen der haͤuſer/ guͤter und dergleichen anlangt/ iſts allerdings einerley contract/ wie mit den zinſen von geld/ ich gebe dem andern etwas des meinigen zu genieſſen/ und ohne fernere meine arbeit nehme ich von dem- ſelben eine vergeltung davor/ oder einen theil ſeines genuſſes/ der- gleichen geſchihet bey der intereſſe von gelehntem geld nicht weniger. Und alſo/ wo mir einer dieſes zugeſtehet/ daß ich um mein geld ein hauß/ gar- ten oder anderes kauffen/ es meinem nechſten um gewiſſe miethe verleihen/ und dieſe davon empfangen darff/ kan er mit wenigem ſchein mir abſprechen/ daß ich von eben dem geld etwas empfangen doͤrffe/ darum jener dergleichen zu ſeiner nutzung/ und mir das meinige davon zu reichen/ zu kauffen oder zu be- ſtehen vermag. Jndem es in der that auf eines hinaus laufft. Jn dem an- dern fall iſt zwahr mehr unterſcheid von dem unſrigen/ aber ſie kommen doch beyde in dem hauptwerck uͤberein/ daß ich von meinem geld und deſſen ge- brauch ohne fernere arbeit genuß empfange. Da dann dieſe andere/ und der- gleichen/ contracte/ dem Chriſtenthum und der liebe nicht zu wider/ ſondern dem menſchlichen leben dienlich und noͤthig zu ſeyn/ erkannt werden/ ſo doͤrffen wir nicht anders auch von den zinſen von gelehntem geld urtheilen. Man moͤchte zwahr einen unterſcheid in deme ſuchen/ daß andre dinge/ die ich auslei- he/ als gaͤrten/ aͤcker/ weinberg und dergleichen etwas tragen/ das geld aber an ſich ſelbs ſeye etwas unfruchtbares/ und trage nichts. Es iſt aber ein viel- mehr ſubtiler unterſcheid/ als daß er zu der ſache etwas thaͤte/ dann ob das geld an ſich nichts traͤget/ iſt es doch ein mittel/ dardurch menſchlicher fleiß et- was erwerben kan: Man moͤchte ſonſt dergleichen auch von dem hauſe ſagen/ ſo an ſich nichts traͤget/ und doch vor deſſen gebrauch billich etwas gegeben wird. Mit mehrerem ſcheinmag/ ſonderlich dem andern angefuͤhrten/ ent- gegen gehalten werden/ daß/ indem da einer ſein geld zur gemeinſchafft in die handlung gibet/ er damit auch in die gemeinſchafft des verluſts eintrete/ und alſo von dem gewinn hinwieder nicht unbillich participire/ da hingegen bey geliehenem geld deſſen gefahr aufdenjenigen ankommt/ der es abgeliehen hat. Und iſt nicht ohn/ daß dieſe anmerckung zur ſache viel thut/ aber es iſt auch oben n. 4. gezeiget worden/ daß in ſolchem fall die zinſe unrecht werden koͤn- nen/ wo der ſchuldner ohn ſeine ſchuld in ſchaden gekommen iſt/ und ſo vielwe- niger etwas hat gewinnen koͤnnen: Wie freylich die liebe die meiſterin in al- len dingen bleiben muß. 4. Dieſem allem ſetze ich noch bey/ daß dieſe gantze materie/ ſo die diſpo- ſition uͤber irrdiſche guͤter angehet/ in der Obrigkeit gewalt und regirung ge- hoͤret; T t 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/341>, abgerufen am 22.11.2024.