Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. §. VI. Diesem zu folge/ so würde unter eheleuten in dem stand der un- §. VII. So bestehet dann nun die pflicht eines jeglichen ehegatten gegen ob
Das dritte Capitel. §. VI. Dieſem zu folge/ ſo wuͤrde unter eheleuten in dem ſtand der un- §. VII. So beſtehet dann nun die pflicht eines jeglichen ehegatten gegen ob
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Das dritte Capitel.
§. VI. Dieſem zu folge/ ſo wuͤrde unter eheleuten in dem ſtand der un-
ſchuld die bruͤnſtige und reineſte liebe gegen einander geweſen ſeyn/ da ſie oh-
ne einige unordnung jegliches an des andern ſeel und leib auff alle weiſe/ die
nach goͤttlicher ordnung muͤglich waͤre/ eine freude und wolluſt gehabt und
genoſſen haben wuͤrden/ aber alſo/ daß alle ſolche liebe/ freude und genuß deſ-
ſen/ daran ihnen wohl waͤre/ immer weiter auff GOtt den ſchencker ſolcher
ihrer gluͤckſeligkeit gegangen waͤre/ und ſie ſtets zu mehrer ſeiner liebe/ freud
an ihm und ſchmeckung ſeiner ſuͤßigkeit/ die ſie in der creatur genoͤſſen/ auff-
gemuntert haͤtte. Hingegen wuͤrden ſie in nichts von ſolcher ihrer ehe be-
ſchwehrde/ unluſt/ verunruhigung/ vielweniger aber eine abwendung von
Gott gefuͤhlet haben: weilen ſie in voͤlliger heiligkeit und reinigkeit von Gott
erſchaffen waren/ und alſo nichts an ſeel und leib zu finden war/ was nicht der
ordnung GOttes gemaͤß geweſen/ und ſie allemal in allen ſtuͤcken auff ihn ge-
wieſen haͤtte. Nach ſolcher vollkommenen reinigkeit haben zwahr eheleut
in dieſem leben bereits mit allem eiffer und fleiß ſich zu beſtreben/ wie nahe ſie
derſelben kommen koͤnnen/ aber ſie werden gleichwol befinden/ daß ſolches
der zweck ſeye/ nach welchem ſie lauffen/ aber damit zu frieden ſeyn muͤſſen/
ob ſie ihn ſchon hie nicht erreichen koͤnnen/ daß ſie dannoch demſelben auffs
nechſte kommen moͤgen: dabey/ da ſie Chriſten ſind/ ſich deſſen zu getroͤſten/
daß der HErr die anklebende ſchwachheiten um ſeines verdienſtes willen ih-
nen nicht zurechnen wolle/ da ſie im glauben und ſeiner furcht ſtaͤts beharren:
ja daß eben dieſes ſchon eine groſſe guͤte GOttes ſeye/ daß derſelbe ihren eh-
ſtand ihnen nunmehr zu einer artzney der ſuͤnden gemacht/ und alſo/ da ſie ihn
dazu gebrauchen/ ſolches ihm gefaͤllig ſeyn laſſen werde.
§. VII. So beſtehet dann nun die pflicht eines jeglichen ehegatten gegen
den andern/ was das innerliche anlangt/ darinnen/ daß jegliches das andere
inbruͤnſtig liebe/ welches die ſchrifft aller orten treibet/ als nicht nur insge-
mein ſeinen nechſten/ ſondern abſonderlich als ſeinen von GOtt gegebenen
gehuͤlffen/ und mittel eines zimlichen ſtuͤcks ſeiner gluͤckſeligkeit. Und zwahr
alſo/ daß es eine wahre liebe ſeye/ daß alſo jegliches nicht ſo viel des andern
zu genieſſen/ und ſeine freude daran zu haben/ als ſich demſelben zu genieſſen
zu geben/ und in ſich ihm freude zu machen/ ſich beſtrebe: dann in jenem be-
ſtehet mehr eigne liebe/ dieſes aber iſt die wahre liebe des anderen. Daher
bringet ſolche liebe mit ſich/ daß man dem andern ſo viel guts in geiſtlichem
und leiblichem als ſich ſelbſten goͤnne und wuͤnſche/ alles gutes thue/ und des-
wegen worinnen man demſelben/ ohne verletzung GOttes oder deſſen mehre-
rem beſten/ gefallen erzeigen/ und freude erwecken kan/ dazu willig/ ja deſſen
begierig ſeye: daher des Apoſtels wort/ der mann ſorge/ wie er dem
weib/ und das weib/ wie es dem mann gefalle/ nicht alſo anzuſehen ſind/
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