Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. 18. Von bösem gebrauch von dem schneider-handwerck/ da die gesellen als ein recht praetendiren/ von der zu verarbeiten gegebenen seyde vor sich einen theil zum verkauff zu behalten/ und die meister/ die solches nicht zulassen wollen/ deswegen verlassen. 19. Von den conversis aus dem Pabstthum. SECTIO I. Fragen von der liebe des nechsten/ und beruffs- arbeit. 1. Ob man seinen nechsten lieben solle mehr als sich selbs? HJerauf dienet zur antwort/ daß die summe der andern taffel des Jedoch wird damit nicht geleugnet/ daß zuweilen die liebe GOttes und schlech-
Das dritte Capitel. 18. Von boͤſem gebrauch von dem ſchneider-handwerck/ da die geſellen als ein recht prætendiren/ von der zu verarbeiten gegebenen ſeyde vor ſich einen theil zum verkauff zu behalten/ und die meiſter/ die ſolches nicht zulaſſen wollen/ deswegen verlaſſen. 19. Von den converſis aus dem Pabſtthum. SECTIO I. Fragen von der liebe des nechſten/ und beruffs- arbeit. 1. Ob man ſeinen nechſten lieben ſolle mehr als ſich ſelbs? HJerauf dienet zur antwort/ daß die ſumme der andern taffel des Jedoch wird damit nicht geleugnet/ daß zuweilen die liebe GOttes und ſchlech-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0278" n="270"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi> </fw><lb/> <list> <item>18. Von boͤſem gebrauch von dem ſchneider-handwerck/ da die geſellen als ein<lb/> recht <hi rendition="#aq">prætendi</hi>ren/ von der zu verarbeiten gegebenen ſeyde vor ſich einen<lb/> theil zum verkauff zu behalten/ und die meiſter/ die ſolches nicht zulaſſen<lb/> wollen/ deswegen verlaſſen.</item><lb/> <item>19. Von den <hi rendition="#aq">converſis</hi> aus dem Pabſtthum.</item> </list> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> I.</hi><lb/> Fragen von der liebe des nechſten/ und beruffs-<lb/> arbeit.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">1.<lb/> Ob man ſeinen nechſten lieben ſolle mehr als ſich ſelbs?</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">H</hi>Jerauf dienet zur antwort/ daß die ſumme der andern taffel des<lb/> unveraͤnderlichen goͤttlichen geſetzes von unſerm Heyland ſelbs<lb/> wiederholet werde <hi rendition="#fr">Matth. 22/ 39. Du ſelt deinen nechſten<lb/> lieben als dich ſelbs/</hi> welches unſre ordentliche und des nechſten<lb/> liebe gleich machet/ nicht aber dieſe jener an ſich ſelbs vorgezogen<lb/> haben will. Nun aber ſtehet uns ſo wenig frey/ dem goͤttlichen geſetz etwas<lb/> beyzuſetzen als davon zu thun. So iſt kein grad der liebe oder dero werck/<lb/> welches ich dem nechſten ſchuldig bin/ nemlich dahin zu ſtreben/ daß ſeine ſeel<lb/> und leib als gute geſchoͤpffe GOttes moͤgen zu ihrem wahren heil erhalten<lb/> und befoͤrdert werden/ (denn dahin gehet alle liebe) welches ich auch nicht mir<lb/> ſelbſten ſchuldig waͤre. Weilen auch GOTT und Chriſtus in den allgemei-<lb/> nen wolthaten alle menſchen unter einander gleich gemachet/ als die nicht al-<lb/> lein alle GOttes geſchoͤpffe ſind/ von Chriſto alle erloͤſet worden/ und ihnen<lb/> allen das recht an die ſeligkeit gegeben wird/ ſo bleibt auch die verbindung der<lb/> liebe gleich.</p><lb/> <p>Jedoch wird damit nicht geleugnet/ daß zuweilen die liebe GOttes und<lb/> des nechſten einige dinge vor dieſen erfordern/ daraus ſcheinen moͤchte/ daß ich<lb/> den nechſten mehr als mich ſelbs lieben muͤſte/ ſo aber eigenlich zu reden ſich<lb/> nicht alſo verhaͤlt/ ob ich wol in gewiſſen ſtuͤcken mich hindanſetzen und ſein<lb/> beſtes befoͤrdern muß. Alſo gibts faͤlle/ daß wir nach <hi rendition="#fr">1. Joh. 3/ 16. unſer<lb/> leben fuͤr die bruͤder/</hi> auch dem buchſtaben nach/ <hi rendition="#fr">laſſen</hi> muͤſſen/ und dannoch<lb/> lieben wir ſie deswegen nicht mehr/ ſondern da ich mich ſo hertzlich als meinen<lb/> bruder liebe/ kan ich finden/ daß dißmal meines bruders leben als das meinige<lb/> zu erhalten zu GOttes ehre noͤthiger ſeye/ oder was vor urſachen kommen<lb/> moͤgen/ die in der wahl den ausſchlag aufjenes geben: da liebe ich mich nicht<lb/> weniger als den nechſten/ weil aber die ordentliche liebe meiner ſelbs nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchlech-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0278]
Das dritte Capitel.
18. Von boͤſem gebrauch von dem ſchneider-handwerck/ da die geſellen als ein
recht prætendiren/ von der zu verarbeiten gegebenen ſeyde vor ſich einen
theil zum verkauff zu behalten/ und die meiſter/ die ſolches nicht zulaſſen
wollen/ deswegen verlaſſen.
19. Von den converſis aus dem Pabſtthum.
SECTIO I.
Fragen von der liebe des nechſten/ und beruffs-
arbeit.
1.
Ob man ſeinen nechſten lieben ſolle mehr als ſich ſelbs?
HJerauf dienet zur antwort/ daß die ſumme der andern taffel des
unveraͤnderlichen goͤttlichen geſetzes von unſerm Heyland ſelbs
wiederholet werde Matth. 22/ 39. Du ſelt deinen nechſten
lieben als dich ſelbs/ welches unſre ordentliche und des nechſten
liebe gleich machet/ nicht aber dieſe jener an ſich ſelbs vorgezogen
haben will. Nun aber ſtehet uns ſo wenig frey/ dem goͤttlichen geſetz etwas
beyzuſetzen als davon zu thun. So iſt kein grad der liebe oder dero werck/
welches ich dem nechſten ſchuldig bin/ nemlich dahin zu ſtreben/ daß ſeine ſeel
und leib als gute geſchoͤpffe GOttes moͤgen zu ihrem wahren heil erhalten
und befoͤrdert werden/ (denn dahin gehet alle liebe) welches ich auch nicht mir
ſelbſten ſchuldig waͤre. Weilen auch GOTT und Chriſtus in den allgemei-
nen wolthaten alle menſchen unter einander gleich gemachet/ als die nicht al-
lein alle GOttes geſchoͤpffe ſind/ von Chriſto alle erloͤſet worden/ und ihnen
allen das recht an die ſeligkeit gegeben wird/ ſo bleibt auch die verbindung der
liebe gleich.
Jedoch wird damit nicht geleugnet/ daß zuweilen die liebe GOttes und
des nechſten einige dinge vor dieſen erfordern/ daraus ſcheinen moͤchte/ daß ich
den nechſten mehr als mich ſelbs lieben muͤſte/ ſo aber eigenlich zu reden ſich
nicht alſo verhaͤlt/ ob ich wol in gewiſſen ſtuͤcken mich hindanſetzen und ſein
beſtes befoͤrdern muß. Alſo gibts faͤlle/ daß wir nach 1. Joh. 3/ 16. unſer
leben fuͤr die bruͤder/ auch dem buchſtaben nach/ laſſen muͤſſen/ und dannoch
lieben wir ſie deswegen nicht mehr/ ſondern da ich mich ſo hertzlich als meinen
bruder liebe/ kan ich finden/ daß dißmal meines bruders leben als das meinige
zu erhalten zu GOttes ehre noͤthiger ſeye/ oder was vor urſachen kommen
moͤgen/ die in der wahl den ausſchlag aufjenes geben: da liebe ich mich nicht
weniger als den nechſten/ weil aber die ordentliche liebe meiner ſelbs nicht
ſchlech-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/278 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/278>, abgerufen am 22.02.2025. |