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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
dem gemüth des referenten etwas zu tentiren/ daß es nicht mit gleicher un-
partheylichkeit beyderley argumenten und momenta causae ansehen können/
und also ein gerechtes urtheil sprechen.

Daß nun in diesen terminis geschenck zu nehmen unrecht seye/ meine ich/
werde unschwehr erwiesen. 1. Weil ein solcher der es thut/ mit willen zu
des andern sünde (dann daß jener daran sündiget/ wird zur gnüge erhärtet
seyn) mit cooperiret und hilft/ daher sich derselbigen theilhaftig machet/ folg-
lich auch in die gemeinschafft des göttlichen gerichts dagegen fället. 2. Nicht
allein sündiget ein solcher durch die participation an des andern sünde des
nehmens/ sondern da er hiedurch entweder solchen Gott mißfälligen gebrauch
der geschencke anfängt/ wo er noch nicht gewesen/ oder weiter stärckt/ und im-
mer durch jedesmal zu solchem verderben mehr hinzu thut/ daß desto schweh-
rer zu helffen/ und das ärgernüß wiederum abzuthun wird: daher jeglicher/
welcher in den oben angedeuteten terminis geschencke gibet/ in gewisser maaß
theil hat an andern corruptionen, die aus solcher bösen/ und doch auch mit
seinem exempel bestätigten/ gewohnheit her entstehen. 3. Kan wahrhafftig
durch ein solch geschenck der Richter oder referent (welche so fern hie in glei-
chem recht stehen mögen/ weil dieses relation zu jenes ausspruch das meiste
zu contribuiren pfleget/ oder doch daß solches geschehen werde/ vernünfftig
zu dencken ist) corrumpirt/ das ist/ zu einem dem gebenden (gesetzt/ er meine
auch er habe recht/ wie man sich gern selbs flattiret) favorablen aber in der that
unrechten urtheil verleitet werden: da zwahr in dem leibl. etwas gewonnen/
aber gewißlich an göttlicher gnade ein viel grösserer verlust gelidten wird. 4.
Hat auch solches unzuläßige mittel eine art eines unglaubens in sich. Das
gericht wird dem HErrn und nicht den menschengehalten/ daher auch nicht zu
zweiflen ist/ daß/ so lang noch seine ordnung nicht völlig über einen hauffen
geworffen/ er seine hand immer dabey habe/ und nachdem ja bekantlich alle
hertzen in seiner gewalt und regierung stehen/ sie also zu leiten wisse/ es auch
gegen diejenige/ so ihn fürchten/ also thun und solchen ausspruch folgen las-
sen werde/ welcher ihnen ersprießlich seye. Wer nun dessen nichts hoffen/
und weil er eine und andere ungerechtigkeit vorgehen sihet/ GOttes leitung
gar aus den augen setzen will/ gleich hätte sie nichts mehr bey der sache zu
thun/ der zeiget/ daß ihms auch an dem nöthigen glauben und vertrauen an
GOtt fehle. Hiezu mag 5. auch gesetzet werden das schwehre ärgernüß/ so
daher entstehet/ sonderlich wo es geschähe von solchem/ von dem man sonsten
die opinion der gerechtigkeit oder frömmigkeit gehabt hätte. Jndem so offt
rechtschaffene christliche hertzen dergleichen zu geschehen sehen/ sie darüber be-
trübt werden/ und über den greuel ihrer zeiten seuffzen (so allemal denen die
es verursachen schwehr wird) die geschenckliebende Richter oder referenten

wer-

Das dritte Capitel.
dem gemuͤth des referenten etwas zu tentiren/ daß es nicht mit gleicher un-
partheylichkeit beyderley argumenten und momenta cauſæ anſehen koͤnnen/
und alſo ein gerechtes urtheil ſprechen.

Daß nun in dieſen terminis geſchenck zu nehmen unrecht ſeye/ meine ich/
werde unſchwehr erwieſen. 1. Weil ein ſolcher der es thut/ mit willen zu
des andern ſuͤnde (dann daß jener daran ſuͤndiget/ wird zur gnuͤge erhaͤrtet
ſeyn) mit cooperiret und hilft/ daher ſich derſelbigen theilhaftig machet/ folg-
lich auch in die gemeinſchafft des goͤttlichen gerichts dagegen faͤllet. 2. Nicht
allein ſuͤndiget ein ſolcher durch die participation an des andern ſuͤnde des
nehmens/ ſondern da er hiedurch entweder ſolchen Gott mißfaͤlligen gebrauch
der geſchencke anfaͤngt/ wo er noch nicht geweſen/ oder weiter ſtaͤrckt/ und im-
mer durch jedesmal zu ſolchem verderben mehr hinzu thut/ daß deſto ſchweh-
rer zu helffen/ und das aͤrgernuͤß wiederum abzuthun wird: daher jeglicher/
welcher in den oben angedeuteten terminis geſchencke gibet/ in gewiſſer maaß
theil hat an andern corruptionen, die aus ſolcher boͤſen/ und doch auch mit
ſeinem exempel beſtaͤtigten/ gewohnheit her entſtehen. 3. Kan wahrhafftig
durch ein ſolch geſchenck der Richter oder referent (welche ſo fern hie in glei-
chem recht ſtehen moͤgen/ weil dieſes relation zu jenes ausſpruch das meiſte
zu contribuiren pfleget/ oder doch daß ſolches geſchehen werde/ vernuͤnfftig
zu dencken iſt) corrumpirt/ das iſt/ zu einem dem gebenden (geſetzt/ er meine
auch er habe recht/ wie man ſich gern ſelbs flattiret) favorablẽ aber in der that
unrechten urtheil verleitet werden: da zwahr in dem leibl. etwas gewonnen/
aber gewißlich an goͤttlicher gnade ein viel groͤſſerer verluſt gelidten wird. 4.
Hat auch ſolches unzulaͤßige mittel eine art eines unglaubens in ſich. Das
gericht wird dem HErrn und nicht den menſchengehalten/ daher auch nicht zu
zweiflen iſt/ daß/ ſo lang noch ſeine ordnung nicht voͤllig uͤber einen hauffen
geworffen/ er ſeine hand immer dabey habe/ und nachdem ja bekantlich alle
hertzen in ſeiner gewalt und regierung ſtehen/ ſie alſo zu leiten wiſſe/ es auch
gegen diejenige/ ſo ihn fuͤrchten/ alſo thun und ſolchen ausſpruch folgen laſ-
ſen werde/ welcher ihnen erſprießlich ſeye. Wer nun deſſen nichts hoffen/
und weil er eine und andere ungerechtigkeit vorgehen ſihet/ GOttes leitung
gar aus den augen ſetzen will/ gleich haͤtte ſie nichts mehr bey der ſache zu
thun/ der zeiget/ daß ihms auch an dem noͤthigen glauben und vertrauen an
GOtt fehle. Hiezu mag 5. auch geſetzet werden das ſchwehre aͤrgernuͤß/ ſo
daher entſtehet/ ſonderlich wo es geſchaͤhe von ſolchem/ von dem man ſonſten
die opinion der gerechtigkeit oder froͤmmigkeit gehabt haͤtte. Jndem ſo offt
rechtſchaffene chriſtliche hertzen dergleichen zu geſchehen ſehen/ ſie daruͤber be-
truͤbt werden/ und uͤber den greuel ihrer zeiten ſeuffzen (ſo allemal denen die
es verurſachen ſchwehr wird) die geſchenckliebende Richter oder referenten

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[248/0256] Das dritte Capitel. dem gemuͤth des referenten etwas zu tentiren/ daß es nicht mit gleicher un- partheylichkeit beyderley argumenten und momenta cauſæ anſehen koͤnnen/ und alſo ein gerechtes urtheil ſprechen. Daß nun in dieſen terminis geſchenck zu nehmen unrecht ſeye/ meine ich/ werde unſchwehr erwieſen. 1. Weil ein ſolcher der es thut/ mit willen zu des andern ſuͤnde (dann daß jener daran ſuͤndiget/ wird zur gnuͤge erhaͤrtet ſeyn) mit cooperiret und hilft/ daher ſich derſelbigen theilhaftig machet/ folg- lich auch in die gemeinſchafft des goͤttlichen gerichts dagegen faͤllet. 2. Nicht allein ſuͤndiget ein ſolcher durch die participation an des andern ſuͤnde des nehmens/ ſondern da er hiedurch entweder ſolchen Gott mißfaͤlligen gebrauch der geſchencke anfaͤngt/ wo er noch nicht geweſen/ oder weiter ſtaͤrckt/ und im- mer durch jedesmal zu ſolchem verderben mehr hinzu thut/ daß deſto ſchweh- rer zu helffen/ und das aͤrgernuͤß wiederum abzuthun wird: daher jeglicher/ welcher in den oben angedeuteten terminis geſchencke gibet/ in gewiſſer maaß theil hat an andern corruptionen, die aus ſolcher boͤſen/ und doch auch mit ſeinem exempel beſtaͤtigten/ gewohnheit her entſtehen. 3. Kan wahrhafftig durch ein ſolch geſchenck der Richter oder referent (welche ſo fern hie in glei- chem recht ſtehen moͤgen/ weil dieſes relation zu jenes ausſpruch das meiſte zu contribuiren pfleget/ oder doch daß ſolches geſchehen werde/ vernuͤnfftig zu dencken iſt) corrumpirt/ das iſt/ zu einem dem gebenden (geſetzt/ er meine auch er habe recht/ wie man ſich gern ſelbs flattiret) favorablẽ aber in der that unrechten urtheil verleitet werden: da zwahr in dem leibl. etwas gewonnen/ aber gewißlich an goͤttlicher gnade ein viel groͤſſerer verluſt gelidten wird. 4. Hat auch ſolches unzulaͤßige mittel eine art eines unglaubens in ſich. Das gericht wird dem HErrn und nicht den menſchengehalten/ daher auch nicht zu zweiflen iſt/ daß/ ſo lang noch ſeine ordnung nicht voͤllig uͤber einen hauffen geworffen/ er ſeine hand immer dabey habe/ und nachdem ja bekantlich alle hertzen in ſeiner gewalt und regierung ſtehen/ ſie alſo zu leiten wiſſe/ es auch gegen diejenige/ ſo ihn fuͤrchten/ alſo thun und ſolchen ausſpruch folgen laſ- ſen werde/ welcher ihnen erſprießlich ſeye. Wer nun deſſen nichts hoffen/ und weil er eine und andere ungerechtigkeit vorgehen ſihet/ GOttes leitung gar aus den augen ſetzen will/ gleich haͤtte ſie nichts mehr bey der ſache zu thun/ der zeiget/ daß ihms auch an dem noͤthigen glauben und vertrauen an GOtt fehle. Hiezu mag 5. auch geſetzet werden das ſchwehre aͤrgernuͤß/ ſo daher entſtehet/ ſonderlich wo es geſchaͤhe von ſolchem/ von dem man ſonſten die opinion der gerechtigkeit oder froͤmmigkeit gehabt haͤtte. Jndem ſo offt rechtſchaffene chriſtliche hertzen dergleichen zu geſchehen ſehen/ ſie daruͤber be- truͤbt werden/ und uͤber den greuel ihrer zeiten ſeuffzen (ſo allemal denen die es verurſachen ſchwehr wird) die geſchenckliebende Richter oder referenten wer-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/256>, abgerufen am 25.11.2024.