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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO IX.
sondern daß viele ursachen seyen/ darüber zu seuffzen/ und nach der verbesserung
vieles/ was in das verderben fast verfallen/ verlangen zu tragen. Jch bin auch
versichert von E. Hoch-Fürstl. Durchl. so wol gottseligkeit/ als Christ-Fürstl.
klugheit/ daß sie nach jener so wol die ihnen obliegende pflicht gegen den gros-
sen HErrn/ von welchem sie auch ihre regierung und hoheit tragen/ gern er-
kennen/ und deroselben nach allem vermögen nachzuleben begierig seyn/ als
nach dieser in das gemeine verderben mit erleuchteten augen viel tieffer einse-
hen/ als von den meisten geschiehet. Daher ich mir durch GOttes/ von dem
aller rath und segen kommet/ gnade von dero auffrichtigen intention, das be-
ste und die auffnahm der kirchen nachdrücklich zu befördern/ auch dem alsdenn
davon erwartenden gesegneten succeß, viele hoffnung mache. So bedarff E.
Hoch-Fürstl. Durchl. von meiner wenigkeit in solcher wichtigsten sache keines
beyrathens/ als die in so langer regierung nechst ohne das beywohnenden er-
leuchteten verstande eine vortreffliche erfahrung/ so die mutter der gewissesten
klugheit ist/ erlanget haben/ auch mit tapffern leuten/ welche noch mit fernern
diensten an die hand zu gehen vermögen/ und willig seyn werden/ ihres orts
selbs umgeben ist. Weil aber sie so gnädigst sich vor unterschiedlichen jahren
gegen mich bezeuget/ auch einen frembden geringen diener einige mal zu hö-
ren/ so gelebe auch der tröstlichen zuversicht/ daß E. Hoch-Fürstl. Durchl.
nicht ungnädig auffnehmen werden/ wo einiges dessen/ was mit obge-
dachtem geliebten freunde hier geredet/ auch in deroselben schooß mit dero
hohen erlaubnüß auszuschütten mich erkühne. Wie nemlich/ ob zwahr
solches mittel der gantzen kirchen völlig zu helffen/ und sie in erwünschten zu-
stand zu setzen/ noch nicht zulänglich ist/ gleich wol ein grosses zu deroselben
besserung würde ausgerichtet werden/ wo nur zum fördersten die niedrige
und hohe schulen
in den jenigen stand gebracht werden könten/ wie davon
billich zu wünschen und zu fordern wäre/ wenn sie in der wahrheit die werck-
stätte des Heil. Geistes seyn sollen. Denn weil in den schulen die meiste/ son-
derlich diejenige/ welche nachmal in allen ständen andern vorgesetzt werden/
und sie regieren sollen/ erzogen werden müssen; so lieget ein allzugrosses an
den schulen/ daß deswegen/ je nachdem es mit denselben bewandt ist/ tüchtige
oder untüchtige leute dem gemeinen wesen zugesendet werden: sonderlich
aber weil ich mit betrübnüß immer sehe/ daß in unserm/ dem so genannten
geistlichen stand ein grosses des gemeinen verderbnüß stecket/ oder aus dem-
selben geheget wird/ so hoffte auch bessere Theologos und Prediger/ wo sie
besser an den orten/ die dazu geheiliget sind/ zu dem rechtschaffenen wesen/ das
in Christo ist/ angeführet und bereitet würden. Hierzu achtete zwey haupt-
mittel am diensamsten zu seyn: Das erste ist/ die vorziehung des göttlichen
worts vor alle übrige studia, wo ich zwahr eigentlich in absicht auf das stu-

dium
C c 3

ARTIC. II. SECTIO IX.
ſondeꝛn daß viele urſachen ſeyen/ daruͤber zu ſeuffzen/ uñ nach der verbeſſerung
vieles/ was in das verderben faſt verfallen/ verlangen zu tragen. Jch bin auch
verſichert von E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. ſo wol gottſeligkeit/ als Chriſt-Fuͤrſtl.
klugheit/ daß ſie nach jener ſo wol die ihnen obliegende pflicht gegen den groſ-
ſen HErrn/ von welchem ſie auch ihre regierung und hoheit tragen/ gern er-
kennen/ und deroſelben nach allem vermoͤgen nachzuleben begierig ſeyn/ als
nach dieſer in das gemeine verderben mit erleuchteten augen viel tieffer einſe-
hen/ als von den meiſten geſchiehet. Daher ich mir durch GOttes/ von dem
aller rath und ſegen kommet/ gnade von dero auffrichtigen intention, das be-
ſte und die auffnahm der kirchen nachdruͤcklich zu befoͤrdern/ auch dem alsdenn
davon erwartenden geſegneten ſucceß, viele hoffnung mache. So bedarff E.
Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. von meiner wenigkeit in ſolcher wichtigſten ſache keines
beyrathens/ als die in ſo langer regierung nechſt ohne das beywohnenden er-
leuchtetẽ verſtande eine vortreffliche erfahrung/ ſo die mutter der gewiſſeſten
klugheit iſt/ erlanget haben/ auch mit tapffern leuten/ welche noch mit fernern
dienſten an die hand zu gehen vermoͤgen/ und willig ſeyn werden/ ihres orts
ſelbs umgeben iſt. Weil aber ſie ſo gnaͤdigſt ſich vor unterſchiedlichen jahren
gegen mich bezeuget/ auch einen frembden geringen diener einige mal zu hoͤ-
ren/ ſo gelebe auch der troͤſtlichen zuverſicht/ daß E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl.
nicht ungnaͤdig auffnehmen werden/ wo einiges deſſen/ was mit obge-
dachtem geliebten freunde hier geredet/ auch in deroſelben ſchooß mit dero
hohen erlaubnuͤß auszuſchuͤtten mich erkuͤhne. Wie nemlich/ ob zwahr
ſolches mittel der gantzen kirchen voͤllig zu helffen/ und ſie in erwuͤnſchten zu-
ſtand zu ſetzen/ noch nicht zulaͤnglich iſt/ gleich wol ein groſſes zu deroſelben
beſſerung wuͤrde ausgerichtet werden/ wo nur zum foͤrderſten die niedrige
und hohe ſchulen
in den jenigen ſtand gebracht werden koͤnten/ wie davon
billich zu wuͤnſchen und zu fordern waͤre/ wenn ſie in der wahrheit die werck-
ſtaͤtte des Heil. Geiſtes ſeyn ſollen. Denn weil in den ſchulen die meiſte/ ſon-
derlich diejenige/ welche nachmal in allen ſtaͤnden andern vorgeſetzt werden/
und ſie regieren ſollen/ erzogen werden muͤſſen; ſo lieget ein allzugroſſes an
den ſchulen/ daß deswegen/ je nachdem es mit denſelben bewandt iſt/ tuͤchtige
oder untuͤchtige leute dem gemeinen weſen zugeſendet werden: ſonderlich
aber weil ich mit betruͤbnuͤß immer ſehe/ daß in unſerm/ dem ſo genannten
geiſtlichen ſtand ein groſſes des gemeinen verderbnuͤß ſtecket/ oder aus dem-
ſelben geheget wird/ ſo hoffte auch beſſere Theologos und Prediger/ wo ſie
beſſer an den orten/ die dazu geheiliget ſind/ zu dem rechtſchaffenen weſen/ das
in Chriſto iſt/ angefuͤhret und bereitet wuͤrden. Hierzu achtete zwey haupt-
mittel am dienſamſten zu ſeyn: Das erſte iſt/ die vorziehung des goͤttlichen
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dium
C c 3
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[205/0213] ARTIC. II. SECTIO IX. ſondeꝛn daß viele urſachen ſeyen/ daruͤber zu ſeuffzen/ uñ nach der verbeſſerung vieles/ was in das verderben faſt verfallen/ verlangen zu tragen. Jch bin auch verſichert von E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. ſo wol gottſeligkeit/ als Chriſt-Fuͤrſtl. klugheit/ daß ſie nach jener ſo wol die ihnen obliegende pflicht gegen den groſ- ſen HErrn/ von welchem ſie auch ihre regierung und hoheit tragen/ gern er- kennen/ und deroſelben nach allem vermoͤgen nachzuleben begierig ſeyn/ als nach dieſer in das gemeine verderben mit erleuchteten augen viel tieffer einſe- hen/ als von den meiſten geſchiehet. Daher ich mir durch GOttes/ von dem aller rath und ſegen kommet/ gnade von dero auffrichtigen intention, das be- ſte und die auffnahm der kirchen nachdruͤcklich zu befoͤrdern/ auch dem alsdenn davon erwartenden geſegneten ſucceß, viele hoffnung mache. So bedarff E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. von meiner wenigkeit in ſolcher wichtigſten ſache keines beyrathens/ als die in ſo langer regierung nechſt ohne das beywohnenden er- leuchtetẽ verſtande eine vortreffliche erfahrung/ ſo die mutter der gewiſſeſten klugheit iſt/ erlanget haben/ auch mit tapffern leuten/ welche noch mit fernern dienſten an die hand zu gehen vermoͤgen/ und willig ſeyn werden/ ihres orts ſelbs umgeben iſt. Weil aber ſie ſo gnaͤdigſt ſich vor unterſchiedlichen jahren gegen mich bezeuget/ auch einen frembden geringen diener einige mal zu hoͤ- ren/ ſo gelebe auch der troͤſtlichen zuverſicht/ daß E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. nicht ungnaͤdig auffnehmen werden/ wo einiges deſſen/ was mit obge- dachtem geliebten freunde hier geredet/ auch in deroſelben ſchooß mit dero hohen erlaubnuͤß auszuſchuͤtten mich erkuͤhne. Wie nemlich/ ob zwahr ſolches mittel der gantzen kirchen voͤllig zu helffen/ und ſie in erwuͤnſchten zu- ſtand zu ſetzen/ noch nicht zulaͤnglich iſt/ gleich wol ein groſſes zu deroſelben beſſerung wuͤrde ausgerichtet werden/ wo nur zum foͤrderſten die niedrige und hohe ſchulen in den jenigen ſtand gebracht werden koͤnten/ wie davon billich zu wuͤnſchen und zu fordern waͤre/ wenn ſie in der wahrheit die werck- ſtaͤtte des Heil. Geiſtes ſeyn ſollen. Denn weil in den ſchulen die meiſte/ ſon- derlich diejenige/ welche nachmal in allen ſtaͤnden andern vorgeſetzt werden/ und ſie regieren ſollen/ erzogen werden muͤſſen; ſo lieget ein allzugroſſes an den ſchulen/ daß deswegen/ je nachdem es mit denſelben bewandt iſt/ tuͤchtige oder untuͤchtige leute dem gemeinen weſen zugeſendet werden: ſonderlich aber weil ich mit betruͤbnuͤß immer ſehe/ daß in unſerm/ dem ſo genannten geiſtlichen ſtand ein groſſes des gemeinen verderbnuͤß ſtecket/ oder aus dem- ſelben geheget wird/ ſo hoffte auch beſſere Theologos und Prediger/ wo ſie beſſer an den orten/ die dazu geheiliget ſind/ zu dem rechtſchaffenen weſen/ das in Chriſto iſt/ angefuͤhret und bereitet wuͤrden. Hierzu achtete zwey haupt- mittel am dienſamſten zu ſeyn: Das erſte iſt/ die vorziehung des goͤttlichen worts vor alle uͤbrige ſtudia, wo ich zwahr eigentlich in abſicht auf das ſtu- dium C c 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/213>, abgerufen am 22.11.2024.