Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. I. SECTIO XXVI. tzen zu stärcken gepfleget; um so wol gegen die täglich obschwebende verfol-gungen sich zu wapnen/ als auch so offt neue krafft zu dem göttlichen leben zu erlangen. Wie aber nach der zeit der eiffer zu dem geistlichen mächtig erkal- tet/ so wurde auch dieses göttliche mahl je länger je weniger mehr gebraucht/ daß es endlich eines gesetzes bedorffte/ so noch in dem Pabstthum behalten wird/ daß jeder Christ auffs wenigste einmal sich gegen die osterliche zeit da- bey einfinden muste. Wie aber der erkaltende eiffer der menschen in der nach- lassung solches heiligen wercks die ursach gewesen/ so erkenne ich es doch zu- gleich mit/ als ein stück der H. providenz GOttes/ die es also gefüget/ daß nachdem die meiste fast gantz irrdisch worden/ und also zu der würdigen nies- sung kaum jemal geschickt waren/ auch der gebrauch des Sacraments selte- ner worden/ damit auffs wenigste es eben daher weniger mißbrauchet wür- de. 4. Unser liebe Lutherus hat nach mals nicht durch ein gebot/ sondern rath veranlasset/ daß in unserer kirchen gemeiniglich das H. Abendmahl von den meisten des jahrs zu 3. oder 4. malen genossen wird/ (wie wäre aber zu wün- schen/ daß allemal mit bußfertiger würdigkeit!) und bekenne ich/ daß ich nicht wünschte/ daß die gewohnheit insgemein mehrere mal eingeführet hätte/ nachdem ich/ wie wir die leute befinden/ sorgen müste/ daß die offtere wieder- holung nicht so viel bey einigen zu ihrer geistlichen stärckung nutzen bringen/ als wegen der allermeisten stäter unwürdigkeit mehrern schaden schaffen möchte. 5. Jndessen ist weder verboten/ noch gantz ungebräuchlich in unse- rer kirche/ daß einige fromme Christen auch mehrmal sich dabey einfinden: wie mich noch erinnere von dem alten S. Herr D. Schmidten zu Straßburg/ der alle monat sich bey dem tisch des HErren einfand; dergleichen ich auch in Franckfurt einem kauffmann/ so mein beicht-kind/ hatte: da gab es zwahr auch allerley reden darüber/ sonderlich wegen der person/ jedoch suchte nie- mand die sache selbs zu hindern. 6. Jch zweifle auch nicht/ daß mehrere gute hertzen sich öffters bey dieser H. mahlzeit einfinden würden/ wo die anstalten der begehung derselben an den meisten orten besser zur andacht/ vorstellung und danckbarer verkündigung des todes JEsu Christi eingerichtet würden/ und also die seelen mehrere auffmunterung zu und von solchem H. werck füh- leten: dahingegen jetzt alles offt sehr kalt hergehet/ und jeder fast mühe hat/ sich nur selbs zur andacht auffzumuntern/ welches aber gleich wie den nutzen vermindert/ also auch das verlangen darnach sehr zurücke hält; wie mir ein und anderer christlicher seelen anligen und kummer in solcher sach bekant und offt in meinen schooß ausgeschüttet worden: da aber solchen gebrechen auch zu helffen in eines oder andern macht und anstalt nicht stehet. 7. Es ist kein zweiffel/ daß der offtmalige würdige gebrauch des H. Abendmahls freylich von stattlicher krafft ist/ und eine aus Christo wiedergebohrne seele ausdem leib S 2
ARTIC. I. SECTIO XXVI. tzen zu ſtaͤrcken gepfleget; um ſo wol gegen die taͤglich obſchwebende verfol-gungen ſich zu wapnen/ als auch ſo offt neue krafft zu dem goͤttlichen leben zu erlangen. Wie aber nach der zeit der eiffer zu dem geiſtlichen maͤchtig erkal- tet/ ſo wurde auch dieſes goͤttliche mahl je laͤnger je weniger mehr gebraucht/ daß es endlich eines geſetzes bedorffte/ ſo noch in dem Pabſtthum behalten wird/ daß jeder Chriſt auffs wenigſte einmal ſich gegen die oſterliche zeit da- bey einfinden muſte. Wie aber der erkaltende eiffer der menſchen in der nach- laſſung ſolches heiligen wercks die urſach geweſen/ ſo erkenne ich es doch zu- gleich mit/ als ein ſtuͤck der H. providenz GOttes/ die es alſo gefuͤget/ daß nachdem die meiſte faſt gantz irrdiſch worden/ und alſo zu der wuͤrdigen nieſ- ſung kaum jemal geſchickt waren/ auch der gebrauch des Sacraments ſelte- ner worden/ damit auffs wenigſte es eben daher weniger mißbrauchet wuͤr- de. 4. Unſer liebe Lutherus hat nach mals nicht durch ein gebot/ ſondern rath veranlaſſet/ daß in unſerer kirchen gemeiniglich das H. Abendmahl von den meiſten des jahrs zu 3. oder 4. malen genoſſen wird/ (wie waͤre aber zu wuͤn- ſchen/ daß allemal mit bußfertiger wuͤrdigkeit!) und bekenne ich/ daß ich nicht wuͤnſchte/ daß die gewohnheit insgemein mehrere mal eingefuͤhret haͤtte/ nachdem ich/ wie wir die leute befinden/ ſorgen muͤſte/ daß die offtere wieder- holung nicht ſo viel bey einigen zu ihrer geiſtlichen ſtaͤrckung nutzen bringen/ als wegen der allermeiſten ſtaͤter unwuͤrdigkeit mehrern ſchaden ſchaffen moͤchte. 5. Jndeſſen iſt weder verboten/ noch gantz ungebraͤuchlich in unſe- rer kirche/ daß einige fromme Chriſten auch mehrmal ſich dabey einfinden: wie mich noch erinnere von dem alten S. Herr D. Schmidten zu Straßburg/ der alle monat ſich bey dem tiſch des HErren einfand; dergleichen ich auch in Franckfurt einem kauffmann/ ſo mein beicht-kind/ hatte: da gab es zwahr auch allerley reden daruͤber/ ſonderlich wegen der perſon/ jedoch ſuchte nie- mand die ſache ſelbs zu hindern. 6. Jch zweifle auch nicht/ daß mehrere gute hertzen ſich oͤffters bey dieſer H. mahlzeit einfinden wuͤrden/ wo die anſtalten der begehung derſelben an den meiſten orten beſſer zur andacht/ vorſtellung und danckbarer verkuͤndigung des todes JEſu Chriſti eingerichtet wuͤrden/ und alſo die ſeelen mehrere auffmunterung zu und von ſolchem H. werck fuͤh- leten: dahingegen jetzt alles offt ſehr kalt hergehet/ und jeder faſt muͤhe hat/ ſich nur ſelbs zur andacht auffzumuntern/ welches aber gleich wie den nutzen vermindert/ alſo auch das verlangen darnach ſehr zuruͤcke haͤlt; wie mir ein und anderer chriſtlicher ſeelen anligen und kummer in ſolcher ſach bekant und offt in meinen ſchooß ausgeſchuͤttet worden: da aber ſolchen gebrechen auch zu helffen in eines oder andern macht und anſtalt nicht ſtehet. 7. Es iſt kein zweiffel/ daß der offtmalige wuͤrdige gebrauch des H. Abendmahls freylich von ſtattlicher krafft iſt/ und eine aus Chriſto wiedergebohrne ſeele ausdem leib S 2
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ARTIC. I. SECTIO XXVI.
tzen zu ſtaͤrcken gepfleget; um ſo wol gegen die taͤglich obſchwebende verfol-
gungen ſich zu wapnen/ als auch ſo offt neue krafft zu dem goͤttlichen leben zu
erlangen. Wie aber nach der zeit der eiffer zu dem geiſtlichen maͤchtig erkal-
tet/ ſo wurde auch dieſes goͤttliche mahl je laͤnger je weniger mehr gebraucht/
daß es endlich eines geſetzes bedorffte/ ſo noch in dem Pabſtthum behalten
wird/ daß jeder Chriſt auffs wenigſte einmal ſich gegen die oſterliche zeit da-
bey einfinden muſte. Wie aber der erkaltende eiffer der menſchen in der nach-
laſſung ſolches heiligen wercks die urſach geweſen/ ſo erkenne ich es doch zu-
gleich mit/ als ein ſtuͤck der H. providenz GOttes/ die es alſo gefuͤget/ daß
nachdem die meiſte faſt gantz irrdiſch worden/ und alſo zu der wuͤrdigen nieſ-
ſung kaum jemal geſchickt waren/ auch der gebrauch des Sacraments ſelte-
ner worden/ damit auffs wenigſte es eben daher weniger mißbrauchet wuͤr-
de. 4. Unſer liebe Lutherus hat nach mals nicht durch ein gebot/ ſondern rath
veranlaſſet/ daß in unſerer kirchen gemeiniglich das H. Abendmahl von den
meiſten des jahrs zu 3. oder 4. malen genoſſen wird/ (wie waͤre aber zu wuͤn-
ſchen/ daß allemal mit bußfertiger wuͤrdigkeit!) und bekenne ich/ daß ich nicht
wuͤnſchte/ daß die gewohnheit insgemein mehrere mal eingefuͤhret haͤtte/
nachdem ich/ wie wir die leute befinden/ ſorgen muͤſte/ daß die offtere wieder-
holung nicht ſo viel bey einigen zu ihrer geiſtlichen ſtaͤrckung nutzen bringen/
als wegen der allermeiſten ſtaͤter unwuͤrdigkeit mehrern ſchaden ſchaffen
moͤchte. 5. Jndeſſen iſt weder verboten/ noch gantz ungebraͤuchlich in unſe-
rer kirche/ daß einige fromme Chriſten auch mehrmal ſich dabey einfinden:
wie mich noch erinnere von dem alten S. Herr D. Schmidten zu Straßburg/
der alle monat ſich bey dem tiſch des HErren einfand; dergleichen ich auch in
Franckfurt einem kauffmann/ ſo mein beicht-kind/ hatte: da gab es zwahr
auch allerley reden daruͤber/ ſonderlich wegen der perſon/ jedoch ſuchte nie-
mand die ſache ſelbs zu hindern. 6. Jch zweifle auch nicht/ daß mehrere gute
hertzen ſich oͤffters bey dieſer H. mahlzeit einfinden wuͤrden/ wo die anſtalten
der begehung derſelben an den meiſten orten beſſer zur andacht/ vorſtellung
und danckbarer verkuͤndigung des todes JEſu Chriſti eingerichtet wuͤrden/
und alſo die ſeelen mehrere auffmunterung zu und von ſolchem H. werck fuͤh-
leten: dahingegen jetzt alles offt ſehr kalt hergehet/ und jeder faſt muͤhe hat/
ſich nur ſelbs zur andacht auffzumuntern/ welches aber gleich wie den nutzen
vermindert/ alſo auch das verlangen darnach ſehr zuruͤcke haͤlt; wie mir ein
und anderer chriſtlicher ſeelen anligen und kummer in ſolcher ſach bekant und
offt in meinen ſchooß ausgeſchuͤttet worden: da aber ſolchen gebrechen auch
zu helffen in eines oder andern macht und anſtalt nicht ſtehet. 7. Es iſt kein
zweiffel/ daß der offtmalige wuͤrdige gebrauch des H. Abendmahls freylich
von ſtattlicher krafft iſt/ und eine aus Chriſto wiedergebohrne ſeele ausdem
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/147>, abgerufen am 16.02.2025. |