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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XXII.
und gehorsam/ desto mehr zu stärcken: daher vor/ in und nach dem lesen stäts
den Heil. Geist um sein liecht und beystand anzuruffen/ so dann was solche
dinge sind/ so bald in die übung zu bringen. Diese art wird denen/ die nicht
studiret haben/ gnug seyn/ und das göttliche wort bey ihnen diejenige zwecke
wozu es gegeben/ ohnfehlbarlich erhalten/ nemlich die befestigung in der
wahrheit und würckung der früchten der gerechtigkeit. 5. Was denjeni-
gen so nicht studiret haben/ gesagt ist/ gehet eben so wol auff die gelehrte/ son-
derlich was die allgemeine requisita der lesung angehet mit diesem unter-
scheid. 1. Daß diese neben ihrem teutschen sich des grund-textes sonderlich
zu brauchen/ und ihre gewißheit hauptsächlich auff denselben zu gründen ha-
ben. 2. Weil ihnen GOTT mehr gegeben hat/ so haben sie auch weiter in
der erkäntnüß zu gehen/ oder darnach zu trachten: sonderlich/ welche sich da-
zu bereiten/ dermaleins andern das wort der wahrheit selbs für zu tragen;
daher ihnen nicht gnug seyn will/ daß sie allein/ was zu glauben seye/ verste-
hen/ sondern auch von allem aus dem wort gründliche rechenschafft/ als viel
nöthig seyn will/ zugeben vermögen. Da will es nun freylich auch noth seyn/
zuweilen commentarios zu besehen. Jch wüste aber nechst den obigen keinen ei-
nigen allgemeinen commentarium einem zu recommendiren/ sondern es wird
wol jeder sich fast mehr an die absonderliche commentatores jeder bücher/
welche sich einer mit mehr fleiß zu lesen vorgenommen haben möchte/ halten
müssen. Jedoch unter denen/ welche allgemeiner gehen in dem N. Testa-
ment/ recommendire ich gern glossam Flacii, darinnen gewiß viel stattliches
und nützliches sich findet; die harmoniam Chemnitio-Lysero-Gerhardianam;
Balduinum in Epistolas;
so dann auch in die Epistolas minores Eilh. Lubi-
num,
von dem zwahr schad/ daß man ihn schwehr bekommen kan. Die kleine
und kurtze paraphrasis oder erklärung D. Seb. Schmiedten über 13 episteln
und den Prediger Salomonis/ mag auch nicht ohne nutzen gebraucht wer-
den. Was aber die übrige absonderliche commentarios über jede bücher an-
langt/ werden dieselben ohne zweiffel ohne das gnug bekannt seyn. Der
HErr gebe allezeit/ so offt wir mit seinem wort umgehen/ die gnade seines
Heil. Geistes/ der was wir lesen/ auch mit lebendigen buchstaben in die hertzen
schreibe/ oder es da hineinpflantze/ wo es bleibe und viele lebendige früchten
trage. Den mir communicirten auffsatz von christlicher kinder-zucht habe ich
verlangter massen durchgesehen/ und mir derselbe wohlgefallen. Dann ob ich
wol meinen mangel gestehen muß/ daß ich von schul-arbeit und methodo nicht
genau urtheilen kan/ nachdem ich weder active noch passive in öffentlichen
schulen als ein lehrender oder lernender mich befunden/ und also keine erfah-
rung davon habe/ was jede arbeit leichter machen oder befördern kan/ son-
dern allein so viel davon weiß/ was ich naturali judicio assequire, so hatmir

doch
N

ARTIC. I. SECTIO XXII.
und gehorſam/ deſto mehr zu ſtaͤrcken: daher vor/ in und nach dem leſen ſtaͤts
den Heil. Geiſt um ſein liecht und beyſtand anzuruffen/ ſo dann was ſolche
dinge ſind/ ſo bald in die uͤbung zu bringen. Dieſe art wird denen/ die nicht
ſtudiret haben/ gnug ſeyn/ und das goͤttliche wort bey ihnen diejenige zwecke
wozu es gegeben/ ohnfehlbarlich erhalten/ nemlich die befeſtigung in der
wahrheit und wuͤrckung der fruͤchten der gerechtigkeit. 5. Was denjeni-
gen ſo nicht ſtudiret haben/ geſagt iſt/ gehet eben ſo wol auff die gelehrte/ ſon-
derlich was die allgemeine requiſita der leſung angehet mit dieſem unter-
ſcheid. 1. Daß dieſe neben ihrem teutſchen ſich des grund-textes ſonderlich
zu brauchen/ und ihre gewißheit hauptſaͤchlich auff denſelben zu gruͤnden ha-
ben. 2. Weil ihnen GOTT mehr gegeben hat/ ſo haben ſie auch weiter in
der erkaͤntnuͤß zu gehen/ oder darnach zu trachten: ſonderlich/ welche ſich da-
zu bereiten/ dermaleins andern das wort der wahrheit ſelbs fuͤr zu tragen;
daher ihnen nicht gnug ſeyn will/ daß ſie allein/ was zu glauben ſeye/ verſte-
hen/ ſondern auch von allem aus dem wort gruͤndliche rechenſchafft/ als viel
noͤthig ſeyn will/ zugeben vermoͤgen. Da will es nun freylich auch noth ſeyn/
zuweilẽ commentarios zu beſehen. Jch wuͤſte aber nechſt den obigen keinen ei-
nigen allgemeinen commentarium einem zu recommendiren/ ſondern es wird
wol jeder ſich faſt mehr an die abſonderliche commentatores jeder buͤcher/
welche ſich einer mit mehr fleiß zu leſen vorgenommen haben moͤchte/ halten
muͤſſen. Jedoch unter denen/ welche allgemeiner gehen in dem N. Teſta-
ment/ recommendire ich gern gloſſam Flacii, darinnen gewiß viel ſtattliches
und nuͤtzliches ſich findet; die harmoniam Chemnitio-Lyſero-Gerhardianam;
Balduinum in Epiſtolas;
ſo dann auch in die Epiſtolas minores Eilh. Lubi-
num,
von dem zwahr ſchad/ daß man ihn ſchwehr bekommen kan. Die kleine
und kurtze paraphraſis oder erklaͤrung D. Seb. Schmiedten uͤber 13 epiſteln
und den Prediger Salomonis/ mag auch nicht ohne nutzen gebraucht wer-
den. Was aber die uͤbrige abſonderliche commentarios uͤber jede buͤcher an-
langt/ werden dieſelben ohne zweiffel ohne das gnug bekannt ſeyn. Der
HErr gebe allezeit/ ſo offt wir mit ſeinem wort umgehen/ die gnade ſeines
Heil. Geiſtes/ der was wir leſen/ auch mit lebendigen buchſtaben in die hertzen
ſchreibe/ oder es da hineinpflantze/ wo es bleibe und viele lebendige fruͤchten
trage. Den mir communicirten auffſatz von chriſtlicher kinder-zucht habe ich
verlangter maſſen durchgeſehen/ und mir derſelbe wohlgefallen. Dann ob ich
wol meinen mangel geſtehen muß/ daß ich von ſchul-arbeit und methodo nicht
genau urtheilen kan/ nachdem ich weder active noch paſſive in oͤffentlichen
ſchulen als ein lehrender oder lernender mich befunden/ und alſo keine erfah-
rung davon habe/ was jede arbeit leichter machen oder befoͤrdern kan/ ſon-
dern allein ſo viel davon weiß/ was ich naturali judicio aſſequire, ſo hatmir

doch
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[97/0105] ARTIC. I. SECTIO XXII. und gehorſam/ deſto mehr zu ſtaͤrcken: daher vor/ in und nach dem leſen ſtaͤts den Heil. Geiſt um ſein liecht und beyſtand anzuruffen/ ſo dann was ſolche dinge ſind/ ſo bald in die uͤbung zu bringen. Dieſe art wird denen/ die nicht ſtudiret haben/ gnug ſeyn/ und das goͤttliche wort bey ihnen diejenige zwecke wozu es gegeben/ ohnfehlbarlich erhalten/ nemlich die befeſtigung in der wahrheit und wuͤrckung der fruͤchten der gerechtigkeit. 5. Was denjeni- gen ſo nicht ſtudiret haben/ geſagt iſt/ gehet eben ſo wol auff die gelehrte/ ſon- derlich was die allgemeine requiſita der leſung angehet mit dieſem unter- ſcheid. 1. Daß dieſe neben ihrem teutſchen ſich des grund-textes ſonderlich zu brauchen/ und ihre gewißheit hauptſaͤchlich auff denſelben zu gruͤnden ha- ben. 2. Weil ihnen GOTT mehr gegeben hat/ ſo haben ſie auch weiter in der erkaͤntnuͤß zu gehen/ oder darnach zu trachten: ſonderlich/ welche ſich da- zu bereiten/ dermaleins andern das wort der wahrheit ſelbs fuͤr zu tragen; daher ihnen nicht gnug ſeyn will/ daß ſie allein/ was zu glauben ſeye/ verſte- hen/ ſondern auch von allem aus dem wort gruͤndliche rechenſchafft/ als viel noͤthig ſeyn will/ zugeben vermoͤgen. Da will es nun freylich auch noth ſeyn/ zuweilẽ commentarios zu beſehen. Jch wuͤſte aber nechſt den obigen keinen ei- nigen allgemeinen commentarium einem zu recommendiren/ ſondern es wird wol jeder ſich faſt mehr an die abſonderliche commentatores jeder buͤcher/ welche ſich einer mit mehr fleiß zu leſen vorgenommen haben moͤchte/ halten muͤſſen. Jedoch unter denen/ welche allgemeiner gehen in dem N. Teſta- ment/ recommendire ich gern gloſſam Flacii, darinnen gewiß viel ſtattliches und nuͤtzliches ſich findet; die harmoniam Chemnitio-Lyſero-Gerhardianam; Balduinum in Epiſtolas; ſo dann auch in die Epiſtolas minores Eilh. Lubi- num, von dem zwahr ſchad/ daß man ihn ſchwehr bekommen kan. Die kleine und kurtze paraphraſis oder erklaͤrung D. Seb. Schmiedten uͤber 13 epiſteln und den Prediger Salomonis/ mag auch nicht ohne nutzen gebraucht wer- den. Was aber die uͤbrige abſonderliche commentarios uͤber jede buͤcher an- langt/ werden dieſelben ohne zweiffel ohne das gnug bekannt ſeyn. Der HErr gebe allezeit/ ſo offt wir mit ſeinem wort umgehen/ die gnade ſeines Heil. Geiſtes/ der was wir leſen/ auch mit lebendigen buchſtaben in die hertzen ſchreibe/ oder es da hineinpflantze/ wo es bleibe und viele lebendige fruͤchten trage. Den mir communicirten auffſatz von chriſtlicher kinder-zucht habe ich verlangter maſſen durchgeſehen/ und mir derſelbe wohlgefallen. Dann ob ich wol meinen mangel geſtehen muß/ daß ich von ſchul-arbeit und methodo nicht genau urtheilen kan/ nachdem ich weder active noch paſſive in oͤffentlichen ſchulen als ein lehrender oder lernender mich befunden/ und alſo keine erfah- rung davon habe/ was jede arbeit leichter machen oder befoͤrdern kan/ ſon- dern allein ſo viel davon weiß/ was ich naturali judicio aſſequire, ſo hatmir doch N

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/105>, abgerufen am 25.11.2024.