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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. V. SECT. IX.
sache an/ als eine gelegenheit zu allerhand ärgernüß/ es macht andern leicht
die gedancken/ und sind sie schwer auffzuschliessen/ es geschehe die sache allein
aus hochmuth/ und würden nur andre vorwände gesucht; wo insgemein viele
vornehmere dergleichen zu thun pflegen/ reisset das exempel leicht weiter ein/ und
werden sich meistens alle/ die etwas mehr seyn wollen/ auff diese weise von der
andern gemeine sondern/ und die öffentliche communion letzlich fast allein aus
den geringern des volcks bestehen/ welches ohne dero verachtung nicht abgehen
könte/ und ein unleidentlicher mißstand der gemeine werden würde: andern
schwachen können auch dadurch scrupel gemacht werden/ entweder ob sie denn
vor GOtt nicht so gut als jene geachtet wären/ oder ob jene auch noch vor brüder
zu erkennen seyn. Daher unterschiedlicher schein des bösen in der sache sich findet/
welchen wir nach aller möglichkeit/ sonderlich in heiliger sache/ zu vermeiden ha-
ben. Daher solche communion von einem der erbauung begierigen Prediger
dergleichen personen auffs treulichste zu mißrathen/ das ärgernüß/ so daraus zu
sorgen/ anzuzeigen/ und was vor nutzens sie sich durch sothane entziehung berau-
ben/ (dagegen die gesuchte mehrere devotion etwa die wage nicht halten kan/)
beweglich vorzustellen/ und also/ so viel von ihm geschehen kan/ daß alles bey
der völligen communion (wo nemlich eine solche sich ordinarie befindet/ und in
der öffentlichen gemeine gehalten wird/ indem gleiches sich nicht sagen liesse von
den gemeinden/ welche/ da sie schwach sind/ keine ordentliche öffentliche com-
muniones
insgesamt haben/ sondern jegliche nach ihrer gelegenheit in stärcker
oder schwächer anzahl des Heil. Sacraments sich in der kirchen/ ehe die gesamte
versammlung angehet/ gebrauchen/) bleiben möge/ zu trachten ist.

Was die 2. frage betrifft/ wann eine geraume zeit von jahren und vie-
len
antecessoren her/ dergleichen privata oder separata communio unter gros-
sen und nicht grossen üblich gewesen/ ob allda ein neu ankommender Pre-
diger selbige vor sich selbs abschaffen könte/ oder ob er
Consistorii opem
imploir
en müsse? so wehle ich unter diesen das letztere/ weil ich es als eine sache
ansehe/ die ad oeconomiam externam Ecclesiae gehöret/ darinnen wo nicht be-
reits die kirchen-ordnung/ in welchen die gesamte kirche ihren willen erkläret/ deut-
lich maß giebet/ ein Prediger wol seine scrupel und desideria haben/ auch jenen
zu helffen und diese zu bewerckstelligen sich befleissen mag/ aber eine gewohnheit/
welche an sich selbs nicht böse/ sondern nur ein grösseres gut hindert/ und anstoß
geben mag/ selbs abzustellen/ und diejenige/ so daraus bereits ein recht zu haben
meinen/ abzuweisen/ ihm nicht wol zukommen wird. Daher hat er die verord-
nung derjenigen zu suchen/ bey welchen die macht stehet/ und denen die obsicht/
daß alles ordentlich und auffs erbaulichste angestellet werde/ befohlen ist.

Was nun die 3 frage anlangt: Wo die consictoriales selbsten unter sol-
cher leute zahl wären/ oder der sache keine abhülffliche maaß geben wollen/

was
z 3

ARTIC. V. SECT. IX.
ſache an/ als eine gelegenheit zu allerhand aͤrgernuͤß/ es macht andern leicht
die gedancken/ und ſind ſie ſchwer auffzuſchlieſſen/ es geſchehe die ſache allein
aus hochmuth/ und wuͤrden nur andre vorwaͤnde geſucht; wo insgemein viele
vornehmere dergleichen zu thun pflegen/ reiſſet das exempel leicht weiter ein/ und
werden ſich meiſtens alle/ die etwas mehr ſeyn wollen/ auff dieſe weiſe von der
andern gemeine ſondern/ und die oͤffentliche communion letzlich faſt allein aus
den geringern des volcks beſtehen/ welches ohne dero verachtung nicht abgehen
koͤnte/ und ein unleidentlicher mißſtand der gemeine werden wuͤrde: andern
ſchwachen koͤnnen auch dadurch ſcrupel gemacht werden/ entweder ob ſie denn
vor GOtt nicht ſo gut als jene geachtet waͤren/ oder ob jene auch noch vor bruͤder
zu erkennen ſeyn. Daher unterſchiedlicher ſchein des boͤſen in der ſache ſich findet/
welchen wir nach aller moͤglichkeit/ ſonderlich in heiliger ſache/ zu vermeiden ha-
ben. Daher ſolche communion von einem der erbauung begierigen Prediger
dergleichen perſonen auffs treulichſte zu mißrathen/ das aͤrgernuͤß/ ſo daraus zu
ſorgen/ anzuzeigen/ und was vor nutzens ſie ſich durch ſothane entziehung berau-
ben/ (dagegen die geſuchte mehrere devotion etwa die wage nicht halten kan/)
beweglich vorzuſtellen/ und alſo/ ſo viel von ihm geſchehen kan/ daß alles bey
der voͤlligen communion (wo nemlich eine ſolche ſich ordinariè befindet/ und in
der oͤffentlichen gemeine gehalten wird/ indem gleiches ſich nicht ſagen lieſſe von
den gemeinden/ welche/ da ſie ſchwach ſind/ keine ordentliche oͤffentliche com-
muniones
insgeſamt haben/ ſondern jegliche nach ihrer gelegenheit in ſtaͤrcker
oder ſchwaͤcher anzahl des Heil. Sacraments ſich in der kirchen/ ehe die geſamte
verſammlung angehet/ gebrauchen/) bleiben moͤge/ zu trachten iſt.

Was die 2. frage betrifft/ wann eine geraume zeit von jahren und vie-
len
anteceſſoren her/ dergleichen privata oder ſeparata communio unter groſ-
ſen und nicht groſſen uͤblich geweſen/ ob allda ein neu ankommender Pre-
diger ſelbige vor ſich ſelbs abſchaffen koͤnte/ oder ob er
Conſiſtorii opem
imploir
en muͤſſe? ſo wehle ich unter dieſen das letztere/ weil ich es als eine ſache
anſehe/ die ad œconomiam externam Eccleſiæ gehoͤret/ darinnen wo nicht be-
reits die kirchen-ordnung/ in welchen die geſamte kirche ihren willen erklaͤret/ deut-
lich maß giebet/ ein Prediger wol ſeine ſcrupel und deſideria haben/ auch jenen
zu helffen und dieſe zu bewerckſtelligen ſich befleiſſen mag/ aber eine gewohnheit/
welche an ſich ſelbs nicht boͤſe/ ſondern nur ein groͤſſeres gut hindert/ und anſtoß
geben mag/ ſelbs abzuſtellen/ und diejenige/ ſo daraus bereits ein recht zu haben
meinen/ abzuweiſen/ ihm nicht wol zukommen wird. Daher hat er die verord-
nung derjenigen zu ſuchen/ bey welchen die macht ſtehet/ und denen die obſicht/
daß alles ordentlich und auffs erbaulichſte angeſtellet werde/ befohlen iſt.

Was nun die 3 frage anlangt: Wo die conſictoriales ſelbſten unter ſol-
cher leute zahl waͤren/ oder der ſache keine abhuͤlffliche maaß geben wollen/

was
z 3
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[181/0981] ARTIC. V. SECT. IX. ſache an/ als eine gelegenheit zu allerhand aͤrgernuͤß/ es macht andern leicht die gedancken/ und ſind ſie ſchwer auffzuſchlieſſen/ es geſchehe die ſache allein aus hochmuth/ und wuͤrden nur andre vorwaͤnde geſucht; wo insgemein viele vornehmere dergleichen zu thun pflegen/ reiſſet das exempel leicht weiter ein/ und werden ſich meiſtens alle/ die etwas mehr ſeyn wollen/ auff dieſe weiſe von der andern gemeine ſondern/ und die oͤffentliche communion letzlich faſt allein aus den geringern des volcks beſtehen/ welches ohne dero verachtung nicht abgehen koͤnte/ und ein unleidentlicher mißſtand der gemeine werden wuͤrde: andern ſchwachen koͤnnen auch dadurch ſcrupel gemacht werden/ entweder ob ſie denn vor GOtt nicht ſo gut als jene geachtet waͤren/ oder ob jene auch noch vor bruͤder zu erkennen ſeyn. Daher unterſchiedlicher ſchein des boͤſen in der ſache ſich findet/ welchen wir nach aller moͤglichkeit/ ſonderlich in heiliger ſache/ zu vermeiden ha- ben. Daher ſolche communion von einem der erbauung begierigen Prediger dergleichen perſonen auffs treulichſte zu mißrathen/ das aͤrgernuͤß/ ſo daraus zu ſorgen/ anzuzeigen/ und was vor nutzens ſie ſich durch ſothane entziehung berau- ben/ (dagegen die geſuchte mehrere devotion etwa die wage nicht halten kan/) beweglich vorzuſtellen/ und alſo/ ſo viel von ihm geſchehen kan/ daß alles bey der voͤlligen communion (wo nemlich eine ſolche ſich ordinariè befindet/ und in der oͤffentlichen gemeine gehalten wird/ indem gleiches ſich nicht ſagen lieſſe von den gemeinden/ welche/ da ſie ſchwach ſind/ keine ordentliche oͤffentliche com- muniones insgeſamt haben/ ſondern jegliche nach ihrer gelegenheit in ſtaͤrcker oder ſchwaͤcher anzahl des Heil. Sacraments ſich in der kirchen/ ehe die geſamte verſammlung angehet/ gebrauchen/) bleiben moͤge/ zu trachten iſt. Was die 2. frage betrifft/ wann eine geraume zeit von jahren und vie- len anteceſſoren her/ dergleichen privata oder ſeparata communio unter groſ- ſen und nicht groſſen uͤblich geweſen/ ob allda ein neu ankommender Pre- diger ſelbige vor ſich ſelbs abſchaffen koͤnte/ oder ob er Conſiſtorii opem imploiren muͤſſe? ſo wehle ich unter dieſen das letztere/ weil ich es als eine ſache anſehe/ die ad œconomiam externam Eccleſiæ gehoͤret/ darinnen wo nicht be- reits die kirchen-ordnung/ in welchen die geſamte kirche ihren willen erklaͤret/ deut- lich maß giebet/ ein Prediger wol ſeine ſcrupel und deſideria haben/ auch jenen zu helffen und dieſe zu bewerckſtelligen ſich befleiſſen mag/ aber eine gewohnheit/ welche an ſich ſelbs nicht boͤſe/ ſondern nur ein groͤſſeres gut hindert/ und anſtoß geben mag/ ſelbs abzuſtellen/ und diejenige/ ſo daraus bereits ein recht zu haben meinen/ abzuweiſen/ ihm nicht wol zukommen wird. Daher hat er die verord- nung derjenigen zu ſuchen/ bey welchen die macht ſtehet/ und denen die obſicht/ daß alles ordentlich und auffs erbaulichſte angeſtellet werde/ befohlen iſt. Was nun die 3 frage anlangt: Wo die conſictoriales ſelbſten unter ſol- cher leute zahl waͤren/ oder der ſache keine abhuͤlffliche maaß geben wollen/ was z 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/981>, abgerufen am 22.11.2024.