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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. V. SECT. VI.
ten; wormit unserer freyheit ja nichts abgehet. 7. Also ists allein zuthun um
die freyheit der gewissen/ daß nemlich die jenige/ welchen die harte formuln an-
zuhören zu schwehr wird/ nicht dörfften genötiget werden/ eine zu der tauff nicht
nöthige ceremonie bey den ihrigen zu admittiren, sondern die macht haben/ daß
H. Sacrament ohne dergleichen auffs wenigste überflüßigen zusatz zufordern.
So haben demnach die jenige/ welche am eiffrigsten den exorcismum behaupten
solche eltern/ die den exorcismum nicht gern haben wollen/ auffs wenigste als
schwache anzusehn. Wann wir dann zuweilen einigen schwachen auch in an-
dern stücken von selbsten fügen/ und solches vor ein stück der pflicht der liebe ach-
ten/ darzu wir ihnen verbunden sind/ und welcher die ordnung zuweilen weichen sol-
te/ warum solte es unrecht seyn/ daß diese ohne daß billiche condescendenz nach
ihrer schwachheit durch obrigkeitlichen befehl bestätiget/ und also diesen/ die der
Prediger und andre kirchen glieder/ weil sie sich in diese cerimonie nicht schi-
cken können/ vor schwer halten/ daß jenige selbs zufordern macht giebet/ worin-
nen jene auch aus liebe ohne daß/ so viel und so weit es in ihren händen wäre/
ihnen zu willfahren gehabt hätten? 8. Also ist dieses so gar nicht wieder die
freyheit der mitteldinge/ daß es vielmehr mit derselben stattlich überein kommet/
und in der that zeiget/ daß wir den exorcismum nicht vor etwas nötiges achten.
Jndem wir ihn zwahr nach der ordnung und insgemein wegen des einge-
führten gebrauchs behalten/ aber bey gewissen fällen/ nicht nur in der noth/ son-
dern auch aus andern billichen ursachen/ auslassen. Da hingegen wo man
auff dem gebrauch so fest stehet/ daß man ehe einigen gewissen einen anstoß
setzen wolte/ ehe man ihn ausliesse/ solches in der that nicht viel anders wä-
re/ als etwas so wir vor ein freyes mittelding ausgeben/ würcklich zu einem
nothwendigen werck wieder die bekantnüs zumachen. 9. Hiezu ist noch letzlich
zusetzen/ daß alles das jenige/ was eigentlich durch den exorcismum angedeutet
werden solte/ (denn wir ihnen nicht eine sonderbare wirckende krafft zuschrei-
ben werden/ daß etwas dadurch gegeben werde/ was die tauff selbs nicht gebe.)
ohne das in der tauff geschiehet und angedeutet wird. Soll der exorcismus
andeuten/ wie der mensch aus der gewalt des Satans befreyet/ und in das reich
Christi versetzet werde/ so deutet die tauffe nicht allein solches an/ sondern sie
thut es auch: Also wer da saget/ ich tauffe dich im nahmen Gottes des
Vaters/ des Sohns und des Heiligen Geistes/
der saget dem verstande nach/
ich tauffe dich in den todt des Herrn Jesu/ der mit seinem todt den teuffel die
gewalt genommen hat/ daß um dessen H. verdiensts willen/ der teuffel keine ge-
walt an dir haben solle/ sondern du hiemit der erlösung von denselben wircklich
theilhafftig werdest. So kan nichts anders in dem exorcismo gesucht werden/
was nicht schon in dem tauff actu selbs steckete/ und gemeiniglich in den gebeten/
welche dabey auch gebetet werden/ noch ausgedruckt zu werden pfleget. Daher

die
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ARTIC. V. SECT. VI.
ten; wormit unſerer freyheit ja nichts abgehet. 7. Alſo iſts allein zuthun um
die freyheit der gewiſſen/ daß nemlich die jenige/ welchen die harte formuln an-
zuhoͤren zu ſchwehr wird/ nicht doͤrfften genoͤtiget werden/ eine zu der tauff nicht
noͤthige ceremonie bey den ihrigen zu admittiren, ſondern die macht haben/ daß
H. Sacrament ohne dergleichen auffs wenigſte uͤberfluͤßigen zuſatz zufordern.
So haben demnach die jenige/ welche am eiffrigſten den exorciſmum behaupten
ſolche eltern/ die den exorciſmum nicht gern haben wollen/ auffs wenigſte als
ſchwache anzuſehn. Wann wir dann zuweilen einigen ſchwachen auch in an-
dern ſtuͤcken von ſelbſten fuͤgen/ und ſolches vor ein ſtuͤck der pflicht der liebe ach-
ten/ darzu wir ihnen verbunden ſind/ und welcher die ordnung zuweilen weichen ſol-
te/ warum ſolte es unrecht ſeyn/ daß dieſe ohne daß billiche condeſcendenz nach
ihrer ſchwachheit durch obrigkeitlichen befehl beſtaͤtiget/ und alſo dieſen/ die der
Prediger und andre kirchen glieder/ weil ſie ſich in dieſe cerimonie nicht ſchi-
cken koͤnnen/ vor ſchwer halten/ daß jenige ſelbs zufordern macht giebet/ worin-
nen jene auch aus liebe ohne daß/ ſo viel und ſo weit es in ihren haͤnden waͤre/
ihnen zu willfahren gehabt haͤtten? 8. Alſo iſt dieſes ſo gar nicht wieder die
freyheit der mitteldinge/ daß es vielmehr mit derſelben ſtattlich uͤberein kommet/
und in der that zeiget/ daß wir den exorciſmum nicht vor etwas noͤtiges achten.
Jndem wir ihn zwahr nach der ordnung und insgemein wegen des einge-
fuͤhrten gebrauchs behalten/ aber bey gewiſſen faͤllen/ nicht nur in der noth/ ſon-
dern auch aus andern billichen urſachen/ auslaſſen. Da hingegen wo man
auff dem gebrauch ſo feſt ſtehet/ daß man ehe einigen gewiſſen einen anſtoß
ſetzen wolte/ ehe man ihn auslieſſe/ ſolches in der that nicht viel anders waͤ-
re/ als etwas ſo wir vor ein freyes mittelding ausgeben/ wuͤrcklich zu einem
nothwendigen werck wieder die bekantnuͤs zumachen. 9. Hiezu iſt noch letzlich
zuſetzen/ daß alles das jenige/ was eigentlich durch den exorciſmum angedeutet
werden ſolte/ (denn wir ihnen nicht eine ſonderbare wirckende krafft zuſchrei-
ben werden/ daß etwas dadurch gegeben werde/ was die tauff ſelbs nicht gebe.)
ohne das in der tauff geſchiehet und angedeutet wird. Soll der exorciſmus
andeuten/ wie der menſch aus der gewalt des Satans befreyet/ und in das reich
Chriſti verſetzet werde/ ſo deutet die tauffe nicht allein ſolches an/ ſondern ſie
thut es auch: Alſo wer da ſaget/ ich tauffe dich im nahmen Gottes des
Vaters/ des Sohns und des Heiligen Geiſtes/
der ſaget dem verſtande nach/
ich tauffe dich in den todt des Herrn Jeſu/ der mit ſeinem todt den teuffel die
gewalt genommen hat/ daß um deſſen H. verdienſts willen/ der teuffel keine ge-
walt an dir haben ſolle/ ſondern du hiemit der erloͤſung von denſelben wircklich
theilhafftig werdeſt. So kan nichts anders in dem exorciſmo geſucht werden/
was nicht ſchon in dem tauff actu ſelbs ſteckete/ und gemeiniglich in den gebeten/
welche dabey auch gebetet werden/ noch ausgedruckt zu werden pfleget. Daher

die
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[165/0965] ARTIC. V. SECT. VI. ten; wormit unſerer freyheit ja nichts abgehet. 7. Alſo iſts allein zuthun um die freyheit der gewiſſen/ daß nemlich die jenige/ welchen die harte formuln an- zuhoͤren zu ſchwehr wird/ nicht doͤrfften genoͤtiget werden/ eine zu der tauff nicht noͤthige ceremonie bey den ihrigen zu admittiren, ſondern die macht haben/ daß H. Sacrament ohne dergleichen auffs wenigſte uͤberfluͤßigen zuſatz zufordern. So haben demnach die jenige/ welche am eiffrigſten den exorciſmum behaupten ſolche eltern/ die den exorciſmum nicht gern haben wollen/ auffs wenigſte als ſchwache anzuſehn. Wann wir dann zuweilen einigen ſchwachen auch in an- dern ſtuͤcken von ſelbſten fuͤgen/ und ſolches vor ein ſtuͤck der pflicht der liebe ach- ten/ darzu wir ihnen verbunden ſind/ und welcher die ordnung zuweilen weichen ſol- te/ warum ſolte es unrecht ſeyn/ daß dieſe ohne daß billiche condeſcendenz nach ihrer ſchwachheit durch obrigkeitlichen befehl beſtaͤtiget/ und alſo dieſen/ die der Prediger und andre kirchen glieder/ weil ſie ſich in dieſe cerimonie nicht ſchi- cken koͤnnen/ vor ſchwer halten/ daß jenige ſelbs zufordern macht giebet/ worin- nen jene auch aus liebe ohne daß/ ſo viel und ſo weit es in ihren haͤnden waͤre/ ihnen zu willfahren gehabt haͤtten? 8. Alſo iſt dieſes ſo gar nicht wieder die freyheit der mitteldinge/ daß es vielmehr mit derſelben ſtattlich uͤberein kommet/ und in der that zeiget/ daß wir den exorciſmum nicht vor etwas noͤtiges achten. Jndem wir ihn zwahr nach der ordnung und insgemein wegen des einge- fuͤhrten gebrauchs behalten/ aber bey gewiſſen faͤllen/ nicht nur in der noth/ ſon- dern auch aus andern billichen urſachen/ auslaſſen. Da hingegen wo man auff dem gebrauch ſo feſt ſtehet/ daß man ehe einigen gewiſſen einen anſtoß ſetzen wolte/ ehe man ihn auslieſſe/ ſolches in der that nicht viel anders waͤ- re/ als etwas ſo wir vor ein freyes mittelding ausgeben/ wuͤrcklich zu einem nothwendigen werck wieder die bekantnuͤs zumachen. 9. Hiezu iſt noch letzlich zuſetzen/ daß alles das jenige/ was eigentlich durch den exorciſmum angedeutet werden ſolte/ (denn wir ihnen nicht eine ſonderbare wirckende krafft zuſchrei- ben werden/ daß etwas dadurch gegeben werde/ was die tauff ſelbs nicht gebe.) ohne das in der tauff geſchiehet und angedeutet wird. Soll der exorciſmus andeuten/ wie der menſch aus der gewalt des Satans befreyet/ und in das reich Chriſti verſetzet werde/ ſo deutet die tauffe nicht allein ſolches an/ ſondern ſie thut es auch: Alſo wer da ſaget/ ich tauffe dich im nahmen Gottes des Vaters/ des Sohns und des Heiligen Geiſtes/ der ſaget dem verſtande nach/ ich tauffe dich in den todt des Herrn Jeſu/ der mit ſeinem todt den teuffel die gewalt genommen hat/ daß um deſſen H. verdienſts willen/ der teuffel keine ge- walt an dir haben ſolle/ ſondern du hiemit der erloͤſung von denſelben wircklich theilhafftig werdeſt. So kan nichts anders in dem exorciſmo geſucht werden/ was nicht ſchon in dem tauff actu ſelbs ſteckete/ und gemeiniglich in den gebeten/ welche dabey auch gebetet werden/ noch ausgedruckt zu werden pfleget. Daher die x 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/965>, abgerufen am 25.11.2024.