Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. ste ich nicht/ was ich böse nennen solte) könne von GOtt selbs geschaffen seyn/ wel-ches doch seyn müste/ dafern es ein theil des angeschaffenen temperaments wäre/ und also der gute GOtt mit willen etwas geschaffen haben müste/ daß doch seinem willen gantz entgegen stünde. Ja es folgt daraus/ wo es eigentlich böse ist/ könne in seiner formalitet (wo mans so nennen solle) nichts wirckliches oder positives seyn/ sondern muß nur bestehen in der verderbung einer göttlichen creatur oder dero anerschaffenen guten eigenschafft. Also würde man vielmehr also zureden haben/ alles was erschaffen seye/ seye also erschaffen/ daß es entweder (was vernünfftige creaturen anlangt) sich selbs durch mißbrauch seines freyen willens in abweichung von der göttlichen regel verderben/ oder von andern durch abtreibung aus dem stand seiner schöpffung verdorben werden könne. Da ist also die müglichkeit sei- ner freyheit sich zu mißbrauchen zwar eine unvollkommenheit der creatur/ dahin- gegen die vollkommenheit GOttes in den gegentheil bestehet/ sie ist aber an sich nichts böses/ ob sie wol auff etwas böses sich neigen kan. Da kan ich nun nicht sagen/ daß in der creatur das temperaments seye von gutem und bösem/ sondern alles ist an sich selbs gut/ aber so bewandt/ daß einiges von seiner güte abweichen kan: welche potentia an sich nichts böses/ sondern zur probe der creatur gehor- sams ihr anerschaffen ist. Die angeführte exempel sehe nicht/ daß sie die sache er- weisen. Die finsternüs an sich selbs halte ich vor kein wesen/ sondern sie ist allein eine abwesenheit des liechts/ und also wo es tag wird/ wird die finsterniß (die nichts ist) nicht verschlungen/ sondern wo vorhin nichts solcher art gewesen/ entste- het das liecht; wann hingegen der tag und liecht weicht/ bedarff es nicht/ daß die finsternüs an die statt trete/ sondern es weichet allein das liecht/ ohne das etwas an seine stelle komme. Was anlangt eine edle artzney/ die in einem gifftigen mine- rali steckt/ so ist das gifftige minerale nichts an sich selbs böses/ sondern nur der- jenigen natur schädlich/ die durch dessen schärffe/ oder worinnen es ihr sonst ent- gegen ist/ zerstöhret wird. Findet sich also auch darinnen kein temperament des bösen und guten. Daß das reich GOttes auch in den gottlosen seye (man rede dann von dem reich der natur/ so alle creaturen gleichermassen begreifft) bekenne/ daß ich nicht glauben kan: dann es ist solches gerechtigkeit/ friede und freude in dem heiligen Geist/ Rom. 14/ 17. Welche aber in den unwiedergebohr- nen allerdings nicht sind. So viel aber gebe gern zu/ daß die krafft der seelen/ worinnen das reich GOttes seinen sitz haben solle/ so einige den grund der seelen/ Lutherus den geist/ oder das allerheiligste T. 2. Alt. f. 758. b. nennet/ bey allen menschen seye: in welcher krafft ich deswegen nicht sagen kan/ daß das reich GOttes stecke/ sondern nur das sie ewig unerfüllt bleibe/ wo daß reich GOttes von seiner stelle ausgeschlossen bleibet. Der spruch Luc. 17/ 21. wo man den gan- tzen context ansiehet/ bringt dasjenige nicht mit sich/ was man darinnen sehen will. Denn entos heisset nicht in dem hertzen eines jeden/ sondern unter ihrem hauffen/ in
Das andere Capitel. ſte ich nicht/ was ich boͤſe nennen ſolte) koͤnne von GOtt ſelbs geſchaffen ſeyn/ wel-ches doch ſeyn muͤſte/ dafern es ein theil des angeſchaffenen temperaments waͤre/ und alſo der gute GOtt mit willen etwas geſchaffen haben muͤſte/ daß doch ſeinem willen gantz entgegen ſtuͤnde. Ja es folgt daraus/ wo es eigentlich boͤſe iſt/ koͤnne in ſeiner formalitet (wo mans ſo nennen ſolle) nichts wirckliches oder poſitives ſeyn/ ſondern muß nur beſtehen in der verderbung einer goͤttlichen creatur oder dero anerſchaffenen guten eigenſchafft. Alſo wuͤrde man vielmehr alſo zureden haben/ alles was erſchaffen ſeye/ ſeye alſo erſchaffen/ daß es entweder (was vernuͤnfftige creaturen anlangt) ſich ſelbs durch mißbrauch ſeines freyen willens in abweichung von der goͤttlichen regel verderben/ oder von andern durch abtreibung aus dem ſtand ſeiner ſchoͤpffung verdorben werden koͤnne. Da iſt alſo die muͤglichkeit ſei- ner freyheit ſich zu mißbrauchen zwar eine unvollkommenheit der creatur/ dahin- gegen die vollkommenheit GOttes in den gegentheil beſtehet/ ſie iſt aber an ſich nichts boͤſes/ ob ſie wol auff etwas boͤſes ſich neigen kan. Da kan ich nun nicht ſagen/ daß in der creatur das temperaments ſeye von gutem und boͤſem/ ſondern alles iſt an ſich ſelbs gut/ aber ſo bewandt/ daß einiges von ſeiner guͤte abweichen kan: welche potentia an ſich nichts boͤſes/ ſondern zur probe der creatur gehor- ſams ihr anerſchaffen iſt. Die angefuͤhrte exempel ſehe nicht/ daß ſie die ſache er- weiſen. Die finſternuͤs an ſich ſelbs halte ich vor kein weſen/ ſondern ſie iſt allein eine abweſenheit des liechts/ und alſo wo es tag wird/ wird die finſterniß (die nichts iſt) nicht verſchlungen/ ſondern wo vorhin nichts ſolcher art geweſen/ entſte- het das liecht; wann hingegen der tag und liecht weicht/ bedarff es nicht/ daß die finſternuͤs an die ſtatt trete/ ſondern es weichet allein das liecht/ ohne das etwas an ſeine ſtelle komme. Was anlangt eine edle artzney/ die in einem gifftigen mine- rali ſteckt/ ſo iſt das gifftige minerale nichts an ſich ſelbs boͤſes/ ſondern nur der- jenigen natur ſchaͤdlich/ die durch deſſen ſchaͤrffe/ oder worinnen es ihr ſonſt ent- gegen iſt/ zerſtoͤhret wird. Findet ſich alſo auch darinnen kein temperament des boͤſen und guten. Daß das reich GOttes auch in den gottloſen ſeye (man rede dann von dem reich der natur/ ſo alle creaturen gleichermaſſen begreifft) bekenne/ daß ich nicht glauben kan: dann es iſt ſolches gerechtigkeit/ friede und freude in dem heiligen Geiſt/ Rom. 14/ 17. Welche aber in den unwiedergebohr- nen allerdings nicht ſind. So viel aber gebe gern zu/ daß die krafft der ſeelen/ worinnen das reich GOttes ſeinen ſitz haben ſolle/ ſo einige den grund der ſeelen/ Lutherus den geiſt/ oder das allerheiligſte T. 2. Alt. f. 758. b. nennet/ bey allen menſchen ſeye: in welcher krafft ich deswegen nicht ſagen kan/ daß das reich GOttes ſtecke/ ſondern nur das ſie ewig unerfuͤllt bleibe/ wo daß reich GOttes von ſeiner ſtelle ausgeſchloſſen bleibet. Der ſpruch Luc. 17/ 21. wo man den gan- tzen context anſiehet/ bringt dasjenige nicht mit ſich/ was man dariñen ſehen will. Denn ἐντὸς heiſſet nicht in dem hertzen eines jeden/ ſondern unter ihrem hauffen/ in
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Das andere Capitel.
ſte ich nicht/ was ich boͤſe nennen ſolte) koͤnne von GOtt ſelbs geſchaffen ſeyn/ wel-
ches doch ſeyn muͤſte/ dafern es ein theil des angeſchaffenen temperaments waͤre/
und alſo der gute GOtt mit willen etwas geſchaffen haben muͤſte/ daß doch ſeinem
willen gantz entgegen ſtuͤnde. Ja es folgt daraus/ wo es eigentlich boͤſe iſt/ koͤnne
in ſeiner formalitet (wo mans ſo nennen ſolle) nichts wirckliches oder poſitives
ſeyn/ ſondern muß nur beſtehen in der verderbung einer goͤttlichen creatur oder dero
anerſchaffenen guten eigenſchafft. Alſo wuͤrde man vielmehr alſo zureden haben/
alles was erſchaffen ſeye/ ſeye alſo erſchaffen/ daß es entweder (was vernuͤnfftige
creaturen anlangt) ſich ſelbs durch mißbrauch ſeines freyen willens in abweichung
von der goͤttlichen regel verderben/ oder von andern durch abtreibung aus dem
ſtand ſeiner ſchoͤpffung verdorben werden koͤnne. Da iſt alſo die muͤglichkeit ſei-
ner freyheit ſich zu mißbrauchen zwar eine unvollkommenheit der creatur/ dahin-
gegen die vollkommenheit GOttes in den gegentheil beſtehet/ ſie iſt aber an ſich
nichts boͤſes/ ob ſie wol auff etwas boͤſes ſich neigen kan. Da kan ich nun nicht
ſagen/ daß in der creatur das temperaments ſeye von gutem und boͤſem/ ſondern
alles iſt an ſich ſelbs gut/ aber ſo bewandt/ daß einiges von ſeiner guͤte abweichen
kan: welche potentia an ſich nichts boͤſes/ ſondern zur probe der creatur gehor-
ſams ihr anerſchaffen iſt. Die angefuͤhrte exempel ſehe nicht/ daß ſie die ſache er-
weiſen. Die finſternuͤs an ſich ſelbs halte ich vor kein weſen/ ſondern ſie iſt allein
eine abweſenheit des liechts/ und alſo wo es tag wird/ wird die finſterniß (die
nichts iſt) nicht verſchlungen/ ſondern wo vorhin nichts ſolcher art geweſen/ entſte-
het das liecht; wann hingegen der tag und liecht weicht/ bedarff es nicht/ daß die
finſternuͤs an die ſtatt trete/ ſondern es weichet allein das liecht/ ohne das etwas an
ſeine ſtelle komme. Was anlangt eine edle artzney/ die in einem gifftigen mine-
rali ſteckt/ ſo iſt das gifftige minerale nichts an ſich ſelbs boͤſes/ ſondern nur der-
jenigen natur ſchaͤdlich/ die durch deſſen ſchaͤrffe/ oder worinnen es ihr ſonſt ent-
gegen iſt/ zerſtoͤhret wird. Findet ſich alſo auch darinnen kein temperament des
boͤſen und guten. Daß das reich GOttes auch in den gottloſen ſeye (man rede
dann von dem reich der natur/ ſo alle creaturen gleichermaſſen begreifft) bekenne/
daß ich nicht glauben kan: dann es iſt ſolches gerechtigkeit/ friede und freude
in dem heiligen Geiſt/ Rom. 14/ 17. Welche aber in den unwiedergebohr-
nen allerdings nicht ſind. So viel aber gebe gern zu/ daß die krafft der ſeelen/
worinnen das reich GOttes ſeinen ſitz haben ſolle/ ſo einige den grund der ſeelen/
Lutherus den geiſt/ oder das allerheiligſte T. 2. Alt. f. 758. b. nennet/ bey allen
menſchen ſeye: in welcher krafft ich deswegen nicht ſagen kan/ daß das reich
GOttes ſtecke/ ſondern nur das ſie ewig unerfuͤllt bleibe/ wo daß reich GOttes
von ſeiner ſtelle ausgeſchloſſen bleibet. Der ſpruch Luc. 17/ 21. wo man den gan-
tzen context anſiehet/ bringt dasjenige nicht mit ſich/ was man dariñen ſehen will.
Denn ἐντὸς heiſſet nicht in dem hertzen eines jeden/ ſondern unter ihrem hauffen/
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/950>, abgerufen am 16.02.2025. |