Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. V. SECTIO I.
damit die einsetzung Christi so viel geändert/ daß man lieber die verrichtung des-
selben einstellen/ als sich solcher gewohnheit beqvemen solte. Es gehöret so we-
nig die zeit als der ort zu dem wesen des Sacraments/ weil es äusserliche umstän-
de sind: und eine ausdrückliche verordnung des HErrn auch über den umstand
vorhanden seyn müßte/ wo man dessen nothwendigkeit behaupten wolte. Wolte
man aber genau auff alle umstände des ersten abendmahls dringen/ würden wir
auch auff solche kommen/ als herum liegen um einen tisch/ auff betten und der-
gleichen/ davon ich zweiff[l]e/ daß jemand so ungereimt seyn würde/ deroselben
nothwendigkeit vorzugeben: mit was recht man aber einige umstände hindanse-
tzen/ und sie frey seyn lassen kan/ mit eben denselben recht bleiben auch die übrige
zu dem wesen des Sacraments nicht gehörige äusserliche umstände frey/ so lang
nicht ein göttlicher befehl eine nothwendigkeit machet/ hingegen bleibet in der kir-
chen gewalt/ solche umstände allemal also einzurichten/ wie sie solche den zweck
darinnen am besten und füglichsten findet: da ich hingegen nicht zweiffle/ wo man
in der furcht des HErrn die sache überleget/ daß die haltung desselben seligen
mahls zu morgen/ zur andacht beqvemer seye/ als dero verlegung auff den abend/
da es winters zeit in der nacht fallende mehr so gelegenheit vieler mißbräuche als
lästerungen veranlassen würde.

6. Das brodbrechen und eckel an den hostien belangende/ hätte ich darvor
gehalten/ daß solche puncten/ nemlich 1. wie unsre hostien wahrhafftig brod seyen/
und was zu dem wesen des brods gehöret/ an sich haben/ hingegen eine gewisse
art des brods uns nicht vorgeschrieben seye. 2. Daß das eigentliche erst in der
handlung der communion geschehende brodbrechen zu dem Sacrament nicht
schlechterdings gehöre/ von unsern lehrern längst und so offt gegen diejenige/ wel-
che unter den Reformirten auff die blosse nothwendigkeit des gemeinen brodes/
und dessen brechung/ treiben/ dermassen erhärtet/ daß billigkeit liebende gemüther
keinen lermen weiter darüber zu machen hätten: viel weniger ist dieses eine gnug-
same ursach/ die gantze verwaltung des Sacraments darüber auffzuheben. Ach
lasset uns gedencken/ daß es ein unseliges brodbrechen billig würde zu achten seyn/
um dessen willen man die kirch/ den geistlichen leib Christi/ brechen/ und dessen
spaltungen und trennungen grösser machen würde?

Die V. Frage.
Ob sich alle rechtschaffene kinder GOttes von der äusserli-
chen gemeinschafft der kirchen/ die nun Babel seye/
zu trennen haben?

DJese gefährliche/ und das gute/ was noch übrig und zu erhalten ist/ vol-
lends über einen hauffen werffende meinung/ dero verhängnüß/ so viel
gute seelen darmit angesteckt zu werden/ ich eines der betrübtesten ge-

richte

ARTIC. V. SECTIO I.
damit die einſetzung Chriſti ſo viel geaͤndert/ daß man lieber die verrichtung deſ-
ſelben einſtellen/ als ſich ſolcher gewohnheit beqvemen ſolte. Es gehoͤret ſo we-
nig die zeit als der ort zu dem weſen des Sacraments/ weil es aͤuſſerliche umſtaͤn-
de ſind: und eine ausdruͤckliche verordnung des HErrn auch uͤber den umſtand
vorhanden ſeyn muͤßte/ wo man deſſen nothwendigkeit behaupten wolte. Wolte
man aber genau auff alle umſtaͤnde des erſten abendmahls dringen/ wuͤrden wir
auch auff ſolche kommen/ als herum liegen um einen tiſch/ auff betten und der-
gleichen/ davon ich zweiff[l]e/ daß jemand ſo ungereimt ſeyn wuͤrde/ deroſelben
nothwendigkeit vorzugeben: mit was recht man aber einige umſtaͤnde hindanſe-
tzen/ und ſie frey ſeyn laſſen kan/ mit eben denſelben recht bleiben auch die uͤbrige
zu dem weſen des Sacraments nicht gehoͤrige aͤuſſerliche umſtaͤnde frey/ ſo lang
nicht ein goͤttlicher befehl eine nothwendigkeit machet/ hingegen bleibet in der kir-
chen gewalt/ ſolche umſtaͤnde allemal alſo einzurichten/ wie ſie ſolche den zweck
darinnen am beſten und fuͤglichſten findet: da ich hingegen nicht zweiffle/ wo man
in der furcht des HErrn die ſache uͤberleget/ daß die haltung deſſelben ſeligen
mahls zu morgen/ zur andacht beqvemer ſeye/ als dero verlegung auff den abend/
da es winters zeit in der nacht fallende mehr ſo gelegenheit vieler mißbraͤuche als
laͤſterungen veranlaſſen wuͤrde.

6. Das brodbrechen und eckel an den hoſtien belangende/ haͤtte ich darvor
gehalten/ daß ſolche puncten/ nemlich 1. wie unſre hoſtien wahrhafftig brod ſeyen/
und was zu dem weſen des brods gehoͤret/ an ſich haben/ hingegen eine gewiſſe
art des brods uns nicht vorgeſchrieben ſeye. 2. Daß das eigentliche erſt in der
handlung der communion geſchehende brodbrechen zu dem Sacrament nicht
ſchlechterdings gehoͤre/ von unſern lehrern laͤngſt und ſo offt gegen diejenige/ wel-
che unter den Reformirten auff die bloſſe nothwendigkeit des gemeinen brodes/
und deſſen brechung/ treiben/ dermaſſen erhaͤrtet/ daß billigkeit liebende gemuͤther
keinen lermen weiter daruͤber zu machen haͤtten: viel weniger iſt dieſes eine gnug-
ſame urſach/ die gantze verwaltung des Sacraments daruͤber auffzuheben. Ach
laſſet uns gedencken/ daß es ein unſeliges brodbrechen billig wuͤrde zu achten ſeyn/
um deſſen willen man die kirch/ den geiſtlichen leib Chriſti/ brechen/ und deſſen
ſpaltungen und trennungen groͤſſer machen wuͤrde?

Die V. Frage.
Ob ſich alle rechtſchaffene kinder GOttes von der aͤuſſerli-
chen gemeinſchafft der kirchen/ die nun Babel ſeye/
zu trennen haben?

DJeſe gefaͤhrliche/ und das gute/ was noch uͤbrig und zu erhalten iſt/ vol-
lends uͤber einen hauffen werffende meinung/ dero verhaͤngnuͤß/ ſo viel
gute ſeelen darmit angeſteckt zu werden/ ich eines der betruͤbteſten ge-

richte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0935" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. V. SECTIO</hi> I.</hi></hi></fw><lb/>
damit die ein&#x017F;etzung Chri&#x017F;ti &#x017F;o viel gea&#x0364;ndert/ daß man lieber die verrichtung de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben ein&#x017F;tellen/ als &#x017F;ich &#x017F;olcher gewohnheit beqvemen &#x017F;olte. Es geho&#x0364;ret &#x017F;o we-<lb/>
nig die zeit als der ort zu dem we&#x017F;en des Sacraments/ weil es a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de &#x017F;ind: und eine ausdru&#x0364;ckliche verordnung des HErrn auch u&#x0364;ber den um&#x017F;tand<lb/>
vorhanden &#x017F;eyn mu&#x0364;ßte/ wo man de&#x017F;&#x017F;en nothwendigkeit behaupten wolte. Wolte<lb/>
man aber genau auff alle um&#x017F;ta&#x0364;nde des er&#x017F;ten abendmahls dringen/ wu&#x0364;rden wir<lb/>
auch auff &#x017F;olche kommen/ als herum liegen um einen ti&#x017F;ch/ auff betten und der-<lb/>
gleichen/ davon ich zweiff<supplied>l</supplied>e/ daß jemand &#x017F;o ungereimt &#x017F;eyn wu&#x0364;rde/ dero&#x017F;elben<lb/>
nothwendigkeit vorzugeben: mit was recht man aber einige um&#x017F;ta&#x0364;nde hindan&#x017F;e-<lb/>
tzen/ und &#x017F;ie frey &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en kan/ mit eben den&#x017F;elben recht bleiben auch die u&#x0364;brige<lb/>
zu dem we&#x017F;en des Sacraments nicht geho&#x0364;rige a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche um&#x017F;ta&#x0364;nde frey/ &#x017F;o lang<lb/>
nicht ein go&#x0364;ttlicher befehl eine nothwendigkeit machet/ hingegen bleibet in der kir-<lb/>
chen gewalt/ &#x017F;olche um&#x017F;ta&#x0364;nde allemal al&#x017F;o einzurichten/ wie &#x017F;ie &#x017F;olche den zweck<lb/>
darinnen am be&#x017F;ten und fu&#x0364;glich&#x017F;ten findet: da ich hingegen nicht zweiffle/ wo man<lb/>
in der furcht des HErrn die &#x017F;ache u&#x0364;berleget/ daß die haltung de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;eligen<lb/>
mahls zu morgen/ zur andacht beqvemer &#x017F;eye/ als dero verlegung auff den abend/<lb/>
da es winters zeit in der nacht fallende mehr &#x017F;o gelegenheit vieler mißbra&#x0364;uche als<lb/>
la&#x0364;&#x017F;terungen veranla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde.</p><lb/>
              <p>6. Das brodbrechen und eckel an den ho&#x017F;tien belangende/ ha&#x0364;tte ich darvor<lb/>
gehalten/ daß &#x017F;olche puncten/ nemlich 1. wie un&#x017F;re ho&#x017F;tien wahrhafftig brod &#x017F;eyen/<lb/>
und was zu dem we&#x017F;en des brods geho&#x0364;ret/ an &#x017F;ich haben/ hingegen eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
art des brods uns nicht vorge&#x017F;chrieben &#x017F;eye. 2. Daß das eigentliche er&#x017F;t in der<lb/>
handlung der <hi rendition="#aq">communion</hi> ge&#x017F;chehende brodbrechen zu dem Sacrament nicht<lb/>
&#x017F;chlechterdings geho&#x0364;re/ von un&#x017F;ern lehrern la&#x0364;ng&#x017F;t und &#x017F;o offt gegen diejenige/ wel-<lb/>
che unter den Reformirten auff die blo&#x017F;&#x017F;e nothwendigkeit des gemeinen brodes/<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en brechung/ treiben/ derma&#x017F;&#x017F;en erha&#x0364;rtet/ daß billigkeit liebende gemu&#x0364;ther<lb/>
keinen lermen weiter daru&#x0364;ber zu machen ha&#x0364;tten: viel weniger i&#x017F;t die&#x017F;es eine gnug-<lb/>
&#x017F;ame ur&#x017F;ach/ die gantze verwaltung des Sacraments daru&#x0364;ber auffzuheben. Ach<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et uns gedencken/ daß es ein un&#x017F;eliges brodbrechen billig wu&#x0364;rde zu achten &#x017F;eyn/<lb/>
um de&#x017F;&#x017F;en willen man die kirch/ den gei&#x017F;tlichen leib Chri&#x017F;ti/ brechen/ und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;paltungen und trennungen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er machen wu&#x0364;rde?</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">V.</hi> Frage.<lb/>
Ob &#x017F;ich alle recht&#x017F;chaffene kinder GOttes von der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
chen gemein&#x017F;chafft der kirchen/ die nun Babel &#x017F;eye/<lb/>
zu trennen haben?</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">D</hi>Je&#x017F;e gefa&#x0364;hrliche/ und das gute/ was noch u&#x0364;brig und zu erhalten i&#x017F;t/ vol-<lb/>
lends u&#x0364;ber einen hauffen werffende meinung/ dero verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß/ &#x017F;o viel<lb/>
gute &#x017F;eelen darmit ange&#x017F;teckt zu werden/ ich eines der betru&#x0364;bte&#x017F;ten ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">richte</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0935] ARTIC. V. SECTIO I. damit die einſetzung Chriſti ſo viel geaͤndert/ daß man lieber die verrichtung deſ- ſelben einſtellen/ als ſich ſolcher gewohnheit beqvemen ſolte. Es gehoͤret ſo we- nig die zeit als der ort zu dem weſen des Sacraments/ weil es aͤuſſerliche umſtaͤn- de ſind: und eine ausdruͤckliche verordnung des HErrn auch uͤber den umſtand vorhanden ſeyn muͤßte/ wo man deſſen nothwendigkeit behaupten wolte. Wolte man aber genau auff alle umſtaͤnde des erſten abendmahls dringen/ wuͤrden wir auch auff ſolche kommen/ als herum liegen um einen tiſch/ auff betten und der- gleichen/ davon ich zweiffle/ daß jemand ſo ungereimt ſeyn wuͤrde/ deroſelben nothwendigkeit vorzugeben: mit was recht man aber einige umſtaͤnde hindanſe- tzen/ und ſie frey ſeyn laſſen kan/ mit eben denſelben recht bleiben auch die uͤbrige zu dem weſen des Sacraments nicht gehoͤrige aͤuſſerliche umſtaͤnde frey/ ſo lang nicht ein goͤttlicher befehl eine nothwendigkeit machet/ hingegen bleibet in der kir- chen gewalt/ ſolche umſtaͤnde allemal alſo einzurichten/ wie ſie ſolche den zweck darinnen am beſten und fuͤglichſten findet: da ich hingegen nicht zweiffle/ wo man in der furcht des HErrn die ſache uͤberleget/ daß die haltung deſſelben ſeligen mahls zu morgen/ zur andacht beqvemer ſeye/ als dero verlegung auff den abend/ da es winters zeit in der nacht fallende mehr ſo gelegenheit vieler mißbraͤuche als laͤſterungen veranlaſſen wuͤrde. 6. Das brodbrechen und eckel an den hoſtien belangende/ haͤtte ich darvor gehalten/ daß ſolche puncten/ nemlich 1. wie unſre hoſtien wahrhafftig brod ſeyen/ und was zu dem weſen des brods gehoͤret/ an ſich haben/ hingegen eine gewiſſe art des brods uns nicht vorgeſchrieben ſeye. 2. Daß das eigentliche erſt in der handlung der communion geſchehende brodbrechen zu dem Sacrament nicht ſchlechterdings gehoͤre/ von unſern lehrern laͤngſt und ſo offt gegen diejenige/ wel- che unter den Reformirten auff die bloſſe nothwendigkeit des gemeinen brodes/ und deſſen brechung/ treiben/ dermaſſen erhaͤrtet/ daß billigkeit liebende gemuͤther keinen lermen weiter daruͤber zu machen haͤtten: viel weniger iſt dieſes eine gnug- ſame urſach/ die gantze verwaltung des Sacraments daruͤber auffzuheben. Ach laſſet uns gedencken/ daß es ein unſeliges brodbrechen billig wuͤrde zu achten ſeyn/ um deſſen willen man die kirch/ den geiſtlichen leib Chriſti/ brechen/ und deſſen ſpaltungen und trennungen groͤſſer machen wuͤrde? Die V. Frage. Ob ſich alle rechtſchaffene kinder GOttes von der aͤuſſerli- chen gemeinſchafft der kirchen/ die nun Babel ſeye/ zu trennen haben? DJeſe gefaͤhrliche/ und das gute/ was noch uͤbrig und zu erhalten iſt/ vol- lends uͤber einen hauffen werffende meinung/ dero verhaͤngnuͤß/ ſo viel gute ſeelen darmit angeſteckt zu werden/ ich eines der betruͤbteſten ge- richte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/935
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/935>, abgerufen am 24.11.2024.