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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
ligkeit ihnen erworben hat/ daher sie auch in sein reich haben will/ so gehet der be-
fehl den Aposteln gegeben/ zu lehren und zu tauffen die völcker/ auff alle diejenige
die zu den völckern gehören/ unter ein volck aber werden gerechnet nicht allein die er-
wachsene sondern auch junge; daher die Apostel auch wo sie hinkommen/ wo erstlich
haußväter und haußmütter bekehrt gewesen/ mit ihnen ihre gantze häuser getaufft.
Ap. Gesch. 16/ 15. 33. davon junge kinder nicht auszuschliessen sind. Zwar wenden
diejenige/ welche der kinderlauff entgegen sind/ gemeiniglich dieses ein/ daß der
spruch Matth. 28/ 19. mehr wider als vor die kindertauff streite/ weil es heisse leh-
ret alle völcker und tauffet sie/
müsse also das lehren in der ordnung vorange-
hen/ und habe demnach bey denjenigen keinen platz/ die natürlich der lehre nicht
fähig sind. Es wird aber damit die kindertauff noch nicht umgestossen. 1. Denn
man gestehet gern/ daß die aussendung der Apostel vornehmlich an die erwachse-
ne/ um dieselbe zum reich Christi zu bringen/ da sie sie anfangs von Christo unter-
richten müsten/ als die noch kein recht an den bund Christi hatten/ sondern ihn erst
durch den glauben erlangen musten; so bald aber diese gewonnen waren/ erlang-
ten auch die ihrige das recht des bundes. Also gibet man nicht allein gern zu/ son-
dern hat es auch also in der praxi, daß kein erwachsener getaufft wird ohne vorher-
gehende information, aber da diese ordnung aus natürlichen mangel bey den kin-
dern nicht gehalten werden kan/ darff ihnen doch dasjenige/ worzu sie recht haben/ um
solches mangels willen nicht versagt werden. 2. Die als nöthig vorgebende ordnung/
daß das lehren vor der tauff hergehen müsse/ ist in dem text nicht so gegründet/ wo
man in der grundsprach ansiehet/ als es das ansehen aus unsrer teutschen version
hat. Dann da unser teutsches also lautet: lehret alle völcker/ und tauffet sie/
heisset es griechisch matheteusate machet zu jüngern alle völcker/ wie auch die
worte also den kindern in dem Straßburgischen catechismo vorgesprochen werden/
ja auch Felwinger der Socinianer in seiner dolmetschung des Neuen Testaments
es also giebet/ machet zu lehrjüngern/ welche übersetzung so viel weniger ver-
dächtig seyn kan/ weil sonsten die Socinianer der kindertauff nicht gewogen sind.
Also ist eigentlich der befehl Christi/ sie sollen ihme die menschen zu jüngern
machen/ darauff folget die art/ wie es hergehen solle/ damit sie sie zu jüngern
machen/ nemlich baptizontes, eigentlich/ sie tauffende/ und darnach didarokontes,
sie lehrende halten/ was der HErr ihnen befohlen hatte: Sind also zwey mittel/
dardurch sie jünger werden sollen/ tauffen und lehren/ unter welchen das tauffen
austrücklich voran stehet. Da ich zwar aus dieser ordnung der worte nicht schlies-
sen will/ daß bey allen allezeit die tauff vor der lehr vorgehen müsse/ wol aber so
vieles/ daß sich aus der ordnung der worte kein gewisser schluß auff die folge der sa-
chen machen lasse: sondern wie das machen der jünger durch zwey stück geschie-
het/ nemlich durch tauffen und lehren/ so muß/ welches unter beyden vorangehen
solle/ aus der bewandnis der personen abgenommen werden. 2. Der schluß aus
dem befehl Christi wird noch mehr bestärcket durch die betrachtung des zustandes

der

Das andere Capitel.
ligkeit ihnen erworben hat/ daher ſie auch in ſein reich haben will/ ſo gehet der be-
fehl den Apoſteln gegeben/ zu lehren und zu tauffen die voͤlcker/ auff alle diejenige
die zu den voͤlckern gehoͤren/ unter ein volck aber werden gerechnet nicht allein die er-
wachſene ſondern auch junge; daher die Apoſtel auch wo ſie hinkom̃en/ wo erſtlich
haußvaͤter und haußmuͤtter bekehrt geweſen/ mit ihnen ihre gantze haͤuſer getaufft.
Ap. Geſch. 16/ 15. 33. davon junge kinder nicht auszuſchlieſſen ſind. Zwar wenden
diejenige/ welche der kinderlauff entgegen ſind/ gemeiniglich dieſes ein/ daß der
ſpruch Matth. 28/ 19. mehr wider als vor die kindertauff ſtreite/ weil es heiſſe leh-
ret alle voͤlcker und tauffet ſie/
muͤſſe alſo das lehren in der ordnung vorange-
hen/ und habe demnach bey denjenigen keinen platz/ die natuͤrlich der lehre nicht
faͤhig ſind. Es wird aber damit die kindertauff noch nicht umgeſtoſſen. 1. Denn
man geſtehet gern/ daß die ausſendung der Apoſtel vornehmlich an die erwachſe-
ne/ um dieſelbe zum reich Chriſti zu bringen/ da ſie ſie anfangs von Chriſto unter-
richten muͤſten/ als die noch kein recht an den bund Chriſti hatten/ ſondern ihn erſt
durch den glauben erlangen muſten; ſo bald aber dieſe gewonnen waren/ erlang-
ten auch die ihrige das recht des bundes. Alſo gibet man nicht allein gern zu/ ſon-
dern hat es auch alſo in der praxi, daß kein erwachſener getaufft wird ohne vorher-
gehende information, aber da dieſe ordnung aus natuͤrlichen mangel bey den kin-
dern nicht gehaltẽ werden kan/ darff ihnen doch dasjenige/ worzu ſie recht haben/ um
ſolches mangels willen nicht verſagt werden. 2. Die als noͤthig voꝛgebende ordnung/
daß das lehren vor der tauff hergehen muͤſſe/ iſt in dem text nicht ſo gegruͤndet/ wo
man in der grundſprach anſiehet/ als es das anſehen aus unſrer teutſchen verſion
hat. Dann da unſer teutſches alſo lautet: lehret alle voͤlcker/ und tauffet ſie/
heiſſet es griechiſch μαϑητέυσατε machet zu juͤngern alle voͤlcker/ wie auch die
worte alſo den kindern in dem Straßburgiſchen catechiſmo vorgeſprochen werden/
ja auch Felwinger der Socinianer in ſeiner dolmetſchung des Neuen Teſtaments
es alſo giebet/ machet zu lehrjuͤngern/ welche uͤberſetzung ſo viel weniger ver-
daͤchtig ſeyn kan/ weil ſonſten die Socinianer der kindertauff nicht gewogen ſind.
Alſo iſt eigentlich der befehl Chriſti/ ſie ſollen ihme die menſchen zu juͤngern
machen/ darauff folget die art/ wie es hergehen ſolle/ damit ſie ſie zu juͤngern
machen/ nemlich βαπτίζοντες, eigentlich/ ſie tauffende/ und darnach διδάροκοντες,
ſie lehrende halten/ was der HErr ihnen befohlen hatte: Sind alſo zwey mittel/
dardurch ſie juͤnger werden ſollen/ tauffen und lehren/ unter welchen das tauffen
austruͤcklich voran ſtehet. Da ich zwar aus dieſer ordnung der worte nicht ſchlieſ-
ſen will/ daß bey allen allezeit die tauff vor der lehr vorgehen muͤſſe/ wol aber ſo
vieles/ daß ſich aus der ordnung der worte kein gewiſſer ſchluß auff die folge der ſa-
chen machen laſſe: ſondern wie das machen der juͤnger durch zwey ſtuͤck geſchie-
het/ nemlich durch tauffen und lehren/ ſo muß/ welches unter beyden vorangehen
ſolle/ aus der bewandnis der perſonen abgenommen werden. 2. Der ſchluß aus
dem befehl Chriſti wird noch mehr beſtaͤrcket durch die betrachtung des zuſtandes

der
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[126/0926] Das andere Capitel. ligkeit ihnen erworben hat/ daher ſie auch in ſein reich haben will/ ſo gehet der be- fehl den Apoſteln gegeben/ zu lehren und zu tauffen die voͤlcker/ auff alle diejenige die zu den voͤlckern gehoͤren/ unter ein volck aber werden gerechnet nicht allein die er- wachſene ſondern auch junge; daher die Apoſtel auch wo ſie hinkom̃en/ wo erſtlich haußvaͤter und haußmuͤtter bekehrt geweſen/ mit ihnen ihre gantze haͤuſer getaufft. Ap. Geſch. 16/ 15. 33. davon junge kinder nicht auszuſchlieſſen ſind. Zwar wenden diejenige/ welche der kinderlauff entgegen ſind/ gemeiniglich dieſes ein/ daß der ſpruch Matth. 28/ 19. mehr wider als vor die kindertauff ſtreite/ weil es heiſſe leh- ret alle voͤlcker und tauffet ſie/ muͤſſe alſo das lehren in der ordnung vorange- hen/ und habe demnach bey denjenigen keinen platz/ die natuͤrlich der lehre nicht faͤhig ſind. Es wird aber damit die kindertauff noch nicht umgeſtoſſen. 1. Denn man geſtehet gern/ daß die ausſendung der Apoſtel vornehmlich an die erwachſe- ne/ um dieſelbe zum reich Chriſti zu bringen/ da ſie ſie anfangs von Chriſto unter- richten muͤſten/ als die noch kein recht an den bund Chriſti hatten/ ſondern ihn erſt durch den glauben erlangen muſten; ſo bald aber dieſe gewonnen waren/ erlang- ten auch die ihrige das recht des bundes. Alſo gibet man nicht allein gern zu/ ſon- dern hat es auch alſo in der praxi, daß kein erwachſener getaufft wird ohne vorher- gehende information, aber da dieſe ordnung aus natuͤrlichen mangel bey den kin- dern nicht gehaltẽ werden kan/ darff ihnen doch dasjenige/ worzu ſie recht haben/ um ſolches mangels willen nicht verſagt werden. 2. Die als noͤthig voꝛgebende ordnung/ daß das lehren vor der tauff hergehen muͤſſe/ iſt in dem text nicht ſo gegruͤndet/ wo man in der grundſprach anſiehet/ als es das anſehen aus unſrer teutſchen verſion hat. Dann da unſer teutſches alſo lautet: lehret alle voͤlcker/ und tauffet ſie/ heiſſet es griechiſch μαϑητέυσατε machet zu juͤngern alle voͤlcker/ wie auch die worte alſo den kindern in dem Straßburgiſchen catechiſmo vorgeſprochen werden/ ja auch Felwinger der Socinianer in ſeiner dolmetſchung des Neuen Teſtaments es alſo giebet/ machet zu lehrjuͤngern/ welche uͤberſetzung ſo viel weniger ver- daͤchtig ſeyn kan/ weil ſonſten die Socinianer der kindertauff nicht gewogen ſind. Alſo iſt eigentlich der befehl Chriſti/ ſie ſollen ihme die menſchen zu juͤngern machen/ darauff folget die art/ wie es hergehen ſolle/ damit ſie ſie zu juͤngern machen/ nemlich βαπτίζοντες, eigentlich/ ſie tauffende/ und darnach διδάροκοντες, ſie lehrende halten/ was der HErr ihnen befohlen hatte: Sind alſo zwey mittel/ dardurch ſie juͤnger werden ſollen/ tauffen und lehren/ unter welchen das tauffen austruͤcklich voran ſtehet. Da ich zwar aus dieſer ordnung der worte nicht ſchlieſ- ſen will/ daß bey allen allezeit die tauff vor der lehr vorgehen muͤſſe/ wol aber ſo vieles/ daß ſich aus der ordnung der worte kein gewiſſer ſchluß auff die folge der ſa- chen machen laſſe: ſondern wie das machen der juͤnger durch zwey ſtuͤck geſchie- het/ nemlich durch tauffen und lehren/ ſo muß/ welches unter beyden vorangehen ſolle/ aus der bewandnis der perſonen abgenommen werden. 2. Der ſchluß aus dem befehl Chriſti wird noch mehr beſtaͤrcket durch die betrachtung des zuſtandes der

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/926>, abgerufen am 25.11.2024.