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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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verbindet/ hingegen uns nicht verstattet/ ihm gleichsam vorzuschreiben/ auff was
art und weise er uns seine gnade zu ertheilen habe.

2. Absonderlich was das heilige Abendmahl anlangt/ kan mit nichts erwie-
sen werden/ daß der HErr bey dessen einsetzung einen unterscheid unter anfängern
und geübten jüngern gemacht/ und also das heilige mahl allein vor jene verordnet
hätte: vielmehr ladet er alle diejenige darzu ein/ vor die sein leib gegeben und sein
blut vergossen worden/ auch die dabey seine gedächtnis begehen sollen. Daher/
wir mögen es ansehen wie wir wollen/ nemlich als einen befehl oder als die aner-
bietung einer wohlthat/ so haben sich auch die geübteste Christen davon nicht aus-
zuschliessen: dann fordert der HErr in solchem Sacrament ein stück der ihm schul-
digen ehrerbietung und verkündigung seines todes/ so sollen sich diejenige dem-
selben am wenigsten entziehen/ die solches am kräfftigsten thun können. Se-
hen wir aber das Sacrament als eine wohlthat an/ so würde derjenige sich
vermessenlich zu viel schmeicheln/ der sich eine solche vollkommenheit einbildete/
die keiner weitern stärckung von dem leib und blut Christi bedörffe/ oder daraus
erlangen könte.

3. Daß geübte Christen sich auch ausser dem heiligen abendmahrl des todes
Christi erinnern/ und denselbigen verkündigen/ ist gewiß/ ja sie alle dazu gehal-
ten: also lassen sie ihnen auch gemeine malzeiten eine anleitung darzu seyn/ und
werden dieselbe ihnen eine gelegenheit der geistlichen niessung Christi. Damit
aber wird die nothwendigkeit des heiligen Abendmahls nicht auffgehoben/ als wel-
che nicht beruhet allein auff der gläubigen erinnerung des todes des HErrn/ (welche
nicht mehr/ als nur der eine zweck des sacraments ist) sondern auch auff dem/ daß
der HErr das sacrament darzu eingesetzet/ mit brodt und wein des wesens selbs
des leibes und blutes Christi/ ob wol nicht auff eine fleischliche doch sacramentliche
weise/ theilhafftig zu werden: welche art etwas mehrers und höheres seyn muß/
als wir in der geistlichen niessung erlangen/ oder wir müsten sagen/ daß der HErr
das sacrament vergeblich und unnützlich eingesetzt/ wann wir nemlich darinne
nichts mehr/ als ausser demselben zu empfangen hätten.

4. Wie sich der spruch Offenbahrung Johannis 3/ 20. hieher schicke/
begreiff ich nicht: vielmehr ists klar/ daß von einem bloß figürlichen Abend-
mahl/ wo Christus mit dem gläubigen/ und dieser mit ihme/ gleichsam esse
und sich erquicke/ daß ist/ der gläubige sich durch das brodt des lebens stär-
cke/ und Christus an ihm freude habe/ darinnen gehandelt werde; dadurch
aber wird das eusserliche sacrament nicht auffgehaben/ sondern vielmehr ist
es ein mittel/ desto öffters auch zu jener innern und geheimen taffel gelassen zu
werden. Jst auch die erklärung deren/ die die brieffe in der offenbahrung vor
weissagungen über gewisse periodos der kirchen Christi ansehen richtig/ so sället
dieser spruch in den letzten periodum, den wir noch nicht angetreten haben. Was

aber

Das andere Capitel.
verbindet/ hingegen uns nicht verſtattet/ ihm gleichſam vorzuſchreiben/ auff was
art und weiſe er uns ſeine gnade zu ertheilen habe.

2. Abſonderlich was das heilige Abendmahl anlangt/ kan mit nichts erwie-
ſen werden/ daß der HErr bey deſſen einſetzung einen unterſcheid unter anfaͤngern
und geuͤbten juͤngern gemacht/ und alſo das heilige mahl allein vor jene verordnet
haͤtte: vielmehr ladet er alle diejenige darzu ein/ vor die ſein leib gegeben und ſein
blut vergoſſen worden/ auch die dabey ſeine gedaͤchtnis begehen ſollen. Daher/
wir moͤgen es anſehen wie wir wollen/ nemlich als einen befehl oder als die aner-
bietung einer wohlthat/ ſo haben ſich auch die geuͤbteſte Chriſten davon nicht aus-
zuſchlieſſen: dann fordert der HErr in ſolchem Sacrament ein ſtuͤck der ihm ſchul-
digen ehrerbietung und verkuͤndigung ſeines todes/ ſo ſollen ſich diejenige dem-
ſelben am wenigſten entziehen/ die ſolches am kraͤfftigſten thun koͤnnen. Se-
hen wir aber das Sacrament als eine wohlthat an/ ſo wuͤrde derjenige ſich
vermeſſenlich zu viel ſchmeicheln/ der ſich eine ſolche vollkommenheit einbildete/
die keiner weitern ſtaͤrckung von dem leib und blut Chriſti bedoͤrffe/ oder daraus
erlangen koͤnte.

3. Daß geuͤbte Chriſten ſich auch auſſer dem heiligen abendmahrl des todes
Chriſti erinnern/ und denſelbigen verkuͤndigen/ iſt gewiß/ ja ſie alle dazu gehal-
ten: alſo laſſen ſie ihnen auch gemeine malzeiten eine anleitung darzu ſeyn/ und
werden dieſelbe ihnen eine gelegenheit der geiſtlichen nieſſung Chriſti. Damit
aber wird die nothwendigkeit des heiligen Abendmahls nicht auffgehoben/ als wel-
che nicht beruhet allein auff der glaͤubigen erinnerung des todes des HErrn/ (welche
nicht mehr/ als nur der eine zweck des ſacraments iſt) ſondern auch auff dem/ daß
der HErr das ſacrament darzu eingeſetzet/ mit brodt und wein des weſens ſelbs
des leibes und blutes Chriſti/ ob wol nicht auff eine fleiſchliche doch ſacramentliche
weiſe/ theilhafftig zu werden: welche art etwas mehrers und hoͤheres ſeyn muß/
als wir in der geiſtlichen nieſſung erlangen/ oder wir muͤſten ſagen/ daß der HErr
das ſacrament vergeblich und unnuͤtzlich eingeſetzt/ wann wir nemlich darinne
nichts mehr/ als auſſer demſelben zu empfangen haͤtten.

4. Wie ſich der ſpruch Offenbahrung Johannis 3/ 20. hieher ſchicke/
begreiff ich nicht: vielmehr iſts klar/ daß von einem bloß figuͤrlichen Abend-
mahl/ wo Chriſtus mit dem glaͤubigen/ und dieſer mit ihme/ gleichſam eſſe
und ſich erquicke/ daß iſt/ der glaͤubige ſich durch das brodt des lebens ſtaͤr-
cke/ und Chriſtus an ihm freude habe/ darinnen gehandelt werde; dadurch
aber wird das euſſerliche ſacrament nicht auffgehaben/ ſondern vielmehr iſt
es ein mittel/ deſto oͤffters auch zu jener innern und geheimen taffel gelaſſen zu
werden. Jſt auch die erklaͤrung deren/ die die brieffe in der offenbahrung vor
weiſſagungen uͤber gewiſſe periodos der kirchen Chriſti anſehen richtig/ ſo ſaͤllet
dieſer ſpruch in den letzten periodum, den wir noch nicht angetreten haben. Was

aber
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[124/0924] Das andere Capitel. verbindet/ hingegen uns nicht verſtattet/ ihm gleichſam vorzuſchreiben/ auff was art und weiſe er uns ſeine gnade zu ertheilen habe. 2. Abſonderlich was das heilige Abendmahl anlangt/ kan mit nichts erwie- ſen werden/ daß der HErr bey deſſen einſetzung einen unterſcheid unter anfaͤngern und geuͤbten juͤngern gemacht/ und alſo das heilige mahl allein vor jene verordnet haͤtte: vielmehr ladet er alle diejenige darzu ein/ vor die ſein leib gegeben und ſein blut vergoſſen worden/ auch die dabey ſeine gedaͤchtnis begehen ſollen. Daher/ wir moͤgen es anſehen wie wir wollen/ nemlich als einen befehl oder als die aner- bietung einer wohlthat/ ſo haben ſich auch die geuͤbteſte Chriſten davon nicht aus- zuſchlieſſen: dann fordert der HErr in ſolchem Sacrament ein ſtuͤck der ihm ſchul- digen ehrerbietung und verkuͤndigung ſeines todes/ ſo ſollen ſich diejenige dem- ſelben am wenigſten entziehen/ die ſolches am kraͤfftigſten thun koͤnnen. Se- hen wir aber das Sacrament als eine wohlthat an/ ſo wuͤrde derjenige ſich vermeſſenlich zu viel ſchmeicheln/ der ſich eine ſolche vollkommenheit einbildete/ die keiner weitern ſtaͤrckung von dem leib und blut Chriſti bedoͤrffe/ oder daraus erlangen koͤnte. 3. Daß geuͤbte Chriſten ſich auch auſſer dem heiligen abendmahrl des todes Chriſti erinnern/ und denſelbigen verkuͤndigen/ iſt gewiß/ ja ſie alle dazu gehal- ten: alſo laſſen ſie ihnen auch gemeine malzeiten eine anleitung darzu ſeyn/ und werden dieſelbe ihnen eine gelegenheit der geiſtlichen nieſſung Chriſti. Damit aber wird die nothwendigkeit des heiligen Abendmahls nicht auffgehoben/ als wel- che nicht beruhet allein auff der glaͤubigen erinnerung des todes des HErrn/ (welche nicht mehr/ als nur der eine zweck des ſacraments iſt) ſondern auch auff dem/ daß der HErr das ſacrament darzu eingeſetzet/ mit brodt und wein des weſens ſelbs des leibes und blutes Chriſti/ ob wol nicht auff eine fleiſchliche doch ſacramentliche weiſe/ theilhafftig zu werden: welche art etwas mehrers und hoͤheres ſeyn muß/ als wir in der geiſtlichen nieſſung erlangen/ oder wir muͤſten ſagen/ daß der HErr das ſacrament vergeblich und unnuͤtzlich eingeſetzt/ wann wir nemlich darinne nichts mehr/ als auſſer demſelben zu empfangen haͤtten. 4. Wie ſich der ſpruch Offenbahrung Johannis 3/ 20. hieher ſchicke/ begreiff ich nicht: vielmehr iſts klar/ daß von einem bloß figuͤrlichen Abend- mahl/ wo Chriſtus mit dem glaͤubigen/ und dieſer mit ihme/ gleichſam eſſe und ſich erquicke/ daß iſt/ der glaͤubige ſich durch das brodt des lebens ſtaͤr- cke/ und Chriſtus an ihm freude habe/ darinnen gehandelt werde; dadurch aber wird das euſſerliche ſacrament nicht auffgehaben/ ſondern vielmehr iſt es ein mittel/ deſto oͤffters auch zu jener innern und geheimen taffel gelaſſen zu werden. Jſt auch die erklaͤrung deren/ die die brieffe in der offenbahrung vor weiſſagungen uͤber gewiſſe periodos der kirchen Chriſti anſehen richtig/ ſo ſaͤllet dieſer ſpruch in den letzten periodum, den wir noch nicht angetreten haben. Was aber

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/924>, abgerufen am 25.11.2024.