Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. man mit unanstößigen worten die sache selbs den gewissen gründlich vorstellet/ undsie überzeuget. Daher ich allezeit rathe/ auch dieses mir selbs zur regel nehme/ so gar die härteste dinge in elencho & doctrinali & morali mit denen noch (so viel die wahrheit zugiebet) glimpfflichsten und gelindesten worten vorzutragen/ daß sich der zuhörer über kein scheltwort oder was er also nennen möchte zubeschweren ursach finde/ nachmahl aber sein überzeugtes gewissen bey ihm selbs dasjenige ur- theil spreche/ welches er vorher von mir nicht mit willen angehöret hätte. Jch ha- be auch in der that erfahren/ daß diese weise die fruchtbarste seye/ und seegen von GOtt habe. Was aber die harte und empfindliche wort anlangt/ gehören vor- nehmlich allein gegen diejenige/ welchen die wahrheit lang und offt zu gnugsamer überzeugung vorgeleget worden/ und sie dagegen ihre hertzen verstocket haben/ daher durch die wort/ die sie empfinden/ zuweilen auffs wenigste aus einem schlaff erwecket werden können. Daher ich meinem werthen bruder hertzlich wünsche daß er sich solcher art allerdings mehr und mehr angewehne/ GOtt umb solche weißheit stets anruffe/ und sich davon so viel mehrern seegens getröste. 11. Wo aber nun die frage ist/ was ferner in dieser sache/ davon allein zu re- 12. Was nun die buß-predigt anlangt/ wolte ich lieber rathen/ dieselbe kei-
Das andere Capitel. man mit unanſtoͤßigen worten die ſache ſelbs den gewiſſen gruͤndlich vorſtellet/ undſie uͤberzeuget. Daher ich allezeit rathe/ auch dieſes mir ſelbs zur regel nehme/ ſo gar die haͤrteſte dinge in elencho & doctrinali & morali mit denen noch (ſo viel die wahrheit zugiebet) glimpfflichſten und gelindeſten worten vorzutragen/ daß ſich der zuhoͤrer uͤber kein ſcheltwort oder was er alſo nennen moͤchte zubeſchweren urſach finde/ nachmahl aber ſein uͤberzeugtes gewiſſen bey ihm ſelbs dasjenige ur- theil ſpreche/ welches er vorher von mir nicht mit willen angehoͤret haͤtte. Jch ha- be auch in der that erfahren/ daß dieſe weiſe die fruchtbarſte ſeye/ und ſeegen von GOtt habe. Was aber die harte und empfindliche wort anlangt/ gehoͤren vor- nehmlich allein gegen diejenige/ welchen die wahrheit lang und offt zu gnugſamer uͤberzeugung vorgeleget worden/ und ſie dagegen ihre hertzen verſtocket haben/ daher durch die wort/ die ſie empfinden/ zuweilen auffs wenigſte aus einem ſchlaff erwecket werden koͤnnen. Daher ich meinem werthen bruder hertzlich wuͤnſche daß er ſich ſolcher art allerdings mehr und mehr angewehne/ GOtt umb ſolche weißheit ſtets anruffe/ und ſich davon ſo viel mehrern ſeegens getroͤſte. 11. Wo aber nun die frage iſt/ was ferner in dieſer ſache/ davon allein zu re- 12. Was nun die buß-predigt anlangt/ wolte ich lieber rathen/ dieſelbe kei-
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Das andere Capitel.
man mit unanſtoͤßigen worten die ſache ſelbs den gewiſſen gruͤndlich vorſtellet/ und
ſie uͤberzeuget. Daher ich allezeit rathe/ auch dieſes mir ſelbs zur regel nehme/
ſo gar die haͤrteſte dinge in elencho & doctrinali & morali mit denen noch (ſo viel
die wahrheit zugiebet) glimpfflichſten und gelindeſten worten vorzutragen/ daß
ſich der zuhoͤrer uͤber kein ſcheltwort oder was er alſo nennen moͤchte zubeſchweren
urſach finde/ nachmahl aber ſein uͤberzeugtes gewiſſen bey ihm ſelbs dasjenige ur-
theil ſpreche/ welches er vorher von mir nicht mit willen angehoͤret haͤtte. Jch ha-
be auch in der that erfahren/ daß dieſe weiſe die fruchtbarſte ſeye/ und ſeegen von
GOtt habe. Was aber die harte und empfindliche wort anlangt/ gehoͤren vor-
nehmlich allein gegen diejenige/ welchen die wahrheit lang und offt zu gnugſamer
uͤberzeugung vorgeleget worden/ und ſie dagegen ihre hertzen verſtocket haben/
daher durch die wort/ die ſie empfinden/ zuweilen auffs wenigſte aus einem ſchlaff
erwecket werden koͤnnen. Daher ich meinem werthen bruder hertzlich wuͤnſche
daß er ſich ſolcher art allerdings mehr und mehr angewehne/ GOtt umb ſolche
weißheit ſtets anruffe/ und ſich davon ſo viel mehrern ſeegens getroͤſte.
11. Wo aber nun die frage iſt/ was ferner in dieſer ſache/ davon allein zu re-
den) zu thun/ ſo achtete ich/ dafern dieſelbe nicht auch durch die vorhabende com-
miſſion zu beruhigung deſſen gewiſſens und der kirchen geſuchter mehrer erbauung
ausgemacht wird/ daß der einige beſte weg ſeye/ allhier wiederum einzukommen/
und wie der geſchehenen verordnung nicht nachgelebet worden ſeye/ zuvermelden/
daich meyne zuverſichern/ daß ſich mittel finden laſſen werden/ der unordnung ohne
deſſen mehrere invidiam abzuhelffen. Wolte man etwas weiters thun/ moͤchte
es in einer ausfuͤhrlichen predigt/ wo die gantze materie naͤch obigen vorſchlag
gruͤndlich vorgetragen wuͤrde/ geſchehen/ und mit auslaſſung aller offenſionen/
allein die gewiſſen unterrichtet werden.
12. Was nun die buß-predigt anlangt/ wolte ich lieber rathen/ dieſelbe
nicht dermaſſen drucken zu laſſen. 1. Jſts faſt etwas ungewoͤhnliches oder auch un-
foͤrmliches etwas in der form einer buß-predigt drucken zulaſſen/ die doch nie gehal-
ten worden. 2. Sorge aus der edirung zu dieſer zeit/ da die ſache noch ſchwebet/
mehr hindernis/ als foͤrderung des guten/ wie dann gegentheil ſich ſorglich ſehr an-
gegriffen achten/ und ſich der guten intention nur deſto mehr widerſetzen wird/ die-
jenige aber/ von welchen nachmahl huͤlffe zu der verlangten abſtellung des beklag-
ten mißbrauchs zuerwarten/ duͤrfften die edition vor intempeſtiv halten/ weil die
ſache nur ſchwehrer dardurch worden. 3. Der text ſelbs handelt nicht eigentlich
von dieſer materie, indem die Jſraeliten ihre lieder/ die doch GOtt der HErr hier
verwirfft/ in eigner und wohlverſtandner ſprache ſangen. Zwar aus der ratione,
warumb GOtt jene lieder verworffen/ weil ſie ohne buß und glauben gebracht
worden/ folget freylich/ daß auch die der ſprache wegen unverſtandene lieder/ da
kei-
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