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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
freuen kan und solle. Die nachricht wegen des dißjährigen methodi hat mich auch
so vielmehr vergnüget/ weil ich gerade auch auff solchen tag dergleichen angefan-
gen. Denn nach dem ich 1687 die glaubens-articul nach einander gehandelt/ so
auch gedrucket worden/ 1688 aber die lebens-pflichten betrachtet/ so habe in der
furcht des HErrn rathsam befunden und resolviret/ weil zu allen solchen pflichten/
und dero übung/ der glaube nöthig ist/ dessen entzündung und stärckung aber aus
der liebe GOttes und den gütern des Evangelii herkommen muß/ dieses jahr mit
denselben zuzubringen/ so auch in Franckfurt 1682. gleicher massen gethan hätte.
Ob GOtt gnade geben wolte/ daß die zuhörer die herrlichkeit des christenthums/
und der ihnen verordneter ja geschenckter heils-schätze/ also zu gemüth zögen/ daß
sie daraus nicht nur trost gegen alle trübsalen/ sondern auch einen so viel hertzli-
chern eiffer dem treuesten vater wiedrum danckbar zu werden/ von der welt sich zu
reinigen/ und ihm allein von gantzen hertzen zu dienen/ daraus fasseten; darum
ich denn den geber alles guten treulich anruffe. Nur ists unbequem/ daß weil wir
an die Evangelia gebunden/ man weder zu allen solchen schätzen und dero erwe-
gung in diesen die erwünschte gelegenheit findet/ noch dieselbe in derjenigen ord-
nung die natürlich wäre/ und deßwegen in die gemüther soviel besser einflösse/ ab-
handeln kan/ sondern ohne ordnung versahren muß/ ie nachdem die Evangelia
anlaß geben. Jch pflege allezeit in dem Evangelio zubetrachten/ was zum grun-
de gelegt werden kan/ und zu solchen heils-schatz gehöret/ nachmahl besehen/ wor-
innen solche theure wohlthat und schatz der seeligkeit bestehe/ darnach stelle vor/
wer sich würcklich desselben anzunehmen und zu rühmen habe/ und erinnere da-
bey beweglich/ welche ihre unbußfertigkeit von solchem genuß ausschleust/ ob
ihnen die welt und ihre sünde etwas gleichwichtiges geben könne/ als sie ihrem
fleisch und der welt zu gefallen verschertzen. Wo es dann vermahnungen giebet/
wie jene sich auch nach solchen gütern widerum bestreben solten/ so dann was den
gläubigen in dero gebrauch oblige/ mit endlich angehengten reichen trost/ wel-
chen sie davon haben. Ob nun geliebten bruders art mit der meinigen überein-
stimmet oder nicht/ liegt wenig daran/ in der sache aber bin versichert/ daß wir
einstimmig seyen/ und in einem geist stehen werden/ der nachmal jeglichen aus-
zusprechen giebt nach seinem wolgefallen. So ist auch die materie von der wi-
dergeburth
freylich eine der allernötigsten und von mir so offt beklagt worden/ daß
abermal unsre Evangelia uns so wenig dazu leiten/ daher zu etlicher ausführung
der materie die ausserordentliche gelegenheit habe suchen müssen: bin aber versi-
chert/ welche seele die widergeburth verstehet/ verstehet alles was ihr nöthigt ist. Bey
des seel. Hrn. Großgebauers tractat davon habe das einige zuerinnern/ so zwar
derselbe selbs finden wird/ daß der liebe mann sich etwas darinnen verstossen/ viel-
leicht aus lesung der Reformirten bücher/ ehe er völlig von allen urtheilen können/

in

Das andere Capitel.
freuen kan und ſolle. Die nachricht wegen des dißjaͤhrigen methodi hat mich auch
ſo vielmehr vergnuͤget/ weil ich gerade auch auff ſolchen tag dergleichen angefan-
gen. Denn nach dem ich 1687 die glaubens-articul nach einander gehandelt/ ſo
auch gedrucket worden/ 1688 aber die lebens-pflichten betrachtet/ ſo habe in der
furcht des HErrn rathſam befunden und reſolviret/ weil zu allen ſolchen pflichten/
und dero uͤbung/ der glaube noͤthig iſt/ deſſen entzuͤndung und ſtaͤrckung aber aus
der liebe GOttes und den guͤtern des Evangelii herkommen muß/ dieſes jahr mit
denſelben zuzubringen/ ſo auch in Franckfurt 1682. gleicher maſſen gethan haͤtte.
Ob GOtt gnade geben wolte/ daß die zuhoͤrer die herrlichkeit des chriſtenthums/
und der ihnen verordneter ja geſchenckter heils-ſchaͤtze/ alſo zu gemuͤth zoͤgen/ daß
ſie daraus nicht nur troſt gegen alle truͤbſalen/ ſondern auch einen ſo viel hertzli-
chern eiffer dem treueſten vater wiedrum danckbar zu werden/ von der welt ſich zu
reinigen/ und ihm allein von gantzen hertzen zu dienen/ daraus faſſeten; darum
ich denn den geber alles guten treulich anruffe. Nur iſts unbequem/ daß weil wir
an die Evangelia gebunden/ man weder zu allen ſolchen ſchaͤtzen und dero erwe-
gung in dieſen die erwuͤnſchte gelegenheit findet/ noch dieſelbe in derjenigen ord-
nung die natuͤrlich waͤre/ und deßwegen in die gemuͤther ſoviel beſſer einfloͤſſe/ ab-
handeln kan/ ſondern ohne ordnung verſahren muß/ ie nachdem die Evangelia
anlaß geben. Jch pflege allezeit in dem Evangelio zubetrachten/ was zum grun-
de gelegt werden kan/ und zu ſolchen heils-ſchatz gehoͤret/ nachmahl beſehen/ wor-
innen ſolche theure wohlthat und ſchatz der ſeeligkeit beſtehe/ darnach ſtelle vor/
wer ſich wuͤrcklich deſſelben anzunehmen und zu ruͤhmen habe/ und erinnere da-
bey beweglich/ welche ihre unbußfertigkeit von ſolchem genuß ausſchleuſt/ ob
ihnen die welt und ihre ſuͤnde etwas gleichwichtiges geben koͤnne/ als ſie ihrem
fleiſch und der welt zu gefallen verſchertzen. Wo es dann vermahnungen giebet/
wie jene ſich auch nach ſolchen guͤtern widerum beſtreben ſolten/ ſo dann was den
glaͤubigen in dero gebrauch oblige/ mit endlich angehengten reichen troſt/ wel-
chen ſie davon haben. Ob nun geliebten bruders art mit der meinigen uͤberein-
ſtimmet oder nicht/ liegt wenig daran/ in der ſache aber bin verſichert/ daß wir
einſtimmig ſeyen/ und in einem geiſt ſtehen werden/ der nachmal jeglichen aus-
zuſprechen giebt nach ſeinem wolgefallen. So iſt auch die materie von der wi-
dergebuꝛth
freylich eine der allernoͤtigſten und von mir ſo offt beklagt worden/ daß
abermal unſre Evangelia uns ſo wenig dazu leiten/ daher zu etlicher ausfuͤhrung
der materie die auſſerordentliche gelegenheit habe ſuchen muͤſſen: bin aber verſi-
chert/ welche ſeele die widergeburth verſtehet/ verſtehet alles was ihr noͤthigt iſt. Bey
des ſeel. Hrn. Großgebauers tractat davon habe das einige zuerinnern/ ſo zwar
derſelbe ſelbs finden wird/ daß der liebe mann ſich etwas darinnen verſtoſſen/ viel-
leicht aus leſung der Reformirten buͤcher/ ehe er voͤllig von allen urtheilen koͤnnen/

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[80/0880] Das andere Capitel. freuen kan und ſolle. Die nachricht wegen des dißjaͤhrigen methodi hat mich auch ſo vielmehr vergnuͤget/ weil ich gerade auch auff ſolchen tag dergleichen angefan- gen. Denn nach dem ich 1687 die glaubens-articul nach einander gehandelt/ ſo auch gedrucket worden/ 1688 aber die lebens-pflichten betrachtet/ ſo habe in der furcht des HErrn rathſam befunden und reſolviret/ weil zu allen ſolchen pflichten/ und dero uͤbung/ der glaube noͤthig iſt/ deſſen entzuͤndung und ſtaͤrckung aber aus der liebe GOttes und den guͤtern des Evangelii herkommen muß/ dieſes jahr mit denſelben zuzubringen/ ſo auch in Franckfurt 1682. gleicher maſſen gethan haͤtte. Ob GOtt gnade geben wolte/ daß die zuhoͤrer die herrlichkeit des chriſtenthums/ und der ihnen verordneter ja geſchenckter heils-ſchaͤtze/ alſo zu gemuͤth zoͤgen/ daß ſie daraus nicht nur troſt gegen alle truͤbſalen/ ſondern auch einen ſo viel hertzli- chern eiffer dem treueſten vater wiedrum danckbar zu werden/ von der welt ſich zu reinigen/ und ihm allein von gantzen hertzen zu dienen/ daraus faſſeten; darum ich denn den geber alles guten treulich anruffe. Nur iſts unbequem/ daß weil wir an die Evangelia gebunden/ man weder zu allen ſolchen ſchaͤtzen und dero erwe- gung in dieſen die erwuͤnſchte gelegenheit findet/ noch dieſelbe in derjenigen ord- nung die natuͤrlich waͤre/ und deßwegen in die gemuͤther ſoviel beſſer einfloͤſſe/ ab- handeln kan/ ſondern ohne ordnung verſahren muß/ ie nachdem die Evangelia anlaß geben. Jch pflege allezeit in dem Evangelio zubetrachten/ was zum grun- de gelegt werden kan/ und zu ſolchen heils-ſchatz gehoͤret/ nachmahl beſehen/ wor- innen ſolche theure wohlthat und ſchatz der ſeeligkeit beſtehe/ darnach ſtelle vor/ wer ſich wuͤrcklich deſſelben anzunehmen und zu ruͤhmen habe/ und erinnere da- bey beweglich/ welche ihre unbußfertigkeit von ſolchem genuß ausſchleuſt/ ob ihnen die welt und ihre ſuͤnde etwas gleichwichtiges geben koͤnne/ als ſie ihrem fleiſch und der welt zu gefallen verſchertzen. Wo es dann vermahnungen giebet/ wie jene ſich auch nach ſolchen guͤtern widerum beſtreben ſolten/ ſo dann was den glaͤubigen in dero gebrauch oblige/ mit endlich angehengten reichen troſt/ wel- chen ſie davon haben. Ob nun geliebten bruders art mit der meinigen uͤberein- ſtimmet oder nicht/ liegt wenig daran/ in der ſache aber bin verſichert/ daß wir einſtimmig ſeyen/ und in einem geiſt ſtehen werden/ der nachmal jeglichen aus- zuſprechen giebt nach ſeinem wolgefallen. So iſt auch die materie von der wi- dergebuꝛth freylich eine der allernoͤtigſten und von mir ſo offt beklagt worden/ daß abermal unſre Evangelia uns ſo wenig dazu leiten/ daher zu etlicher ausfuͤhrung der materie die auſſerordentliche gelegenheit habe ſuchen muͤſſen: bin aber verſi- chert/ welche ſeele die widergeburth verſtehet/ verſtehet alles was ihr noͤthigt iſt. Bey des ſeel. Hrn. Großgebauers tractat davon habe das einige zuerinnern/ ſo zwar derſelbe ſelbs finden wird/ daß der liebe mann ſich etwas darinnen verſtoſſen/ viel- leicht aus leſung der Reformirten buͤcher/ ehe er voͤllig von allen urtheilen koͤnnen/ in

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/880>, abgerufen am 22.11.2024.